Sören Heim, 22.05.2025
Viele der Techbros wie Zuckerberg, Musk oder Thiel haben früher gerne Science Fiction gelesen; heute setzen sie ausgerechnet jene Sachen um, vor denen diese Bücher eigentlich gewarnt haben. Sören Heim hat sich genauer mit dem Phänomen beschäftigt und geht dabei auf die Ästhetik der Dystopie ein.
Alles, was IT-Oligarchen wie Elon Musk nun politisch planen, kennt man aus dystopischer Science-Fiction-Literatur schon – nur dass es dort, den Erfordernissen erzählerischer Gestaltung geschuldet, cooler klang, während es hier einfach nur bösartig spießig wirkt.
Als ich in noch etwas grobschlächtiger formulierter Weise diese Gedanken auf Blue Sky postete, fragte mich Markus von Tor Online, ob ich nicht einmal ein paar Sätze dazu niederschreiben möchte, warum Tech-Oligarchen wie Peter Thiel, Elon Musk, Mark Zuckerberg und andere die dystopischen Science-Fiction-Romane, mit denen sie wahrscheinlich aufgewachsen sind, derart missverstehen – sodass man in der Zukunft seine utopischen Gemeinden und Weltentwürfe danach modelt. Nun muss ich gleich zu Beginn enttäuschen: Ich glaube nicht, dass sich das, insbesondere für einzelne Personen, letztgültig beantworten lässt.
Normalerweise lebe ich, soweit wie möglich, nach der Maxime, nichts durch Bösartigkeit zu erklären, was sich durch Ignoranz erklären lässt, und nichts durch Ignoranz zu erklären, was sich durch durchaus nachvollziehbare, wenn auch meinem eigenen Weltbild fernliegende, Gründe erklären lässt. Aber das stößt an Grenzen. Um einen Roman wie, sagen wir, 1984 zu lesen und daraus zu schließen: „Ja, genauso sollten wir es auch machen“, bräuchte es schon eine besondere Mischung aus Bösartigkeit und Ignoranz.
Wobei 1984 natürlich nicht das beste Beispiel ist. Hier bedient sich die politische Rechte gern eines anderen, wohl auch aus Eigeninteresse geleiteten, Missverständnisses und zieht Parallelen von einem Roman, der ein durchkomponiertes autoritäres System beschreibt, das den Einzelnen alle Freiheiten nimmt, besonders gerne zu liberalen Demokratien – die manchmal sicherlich auch einzelne Momente aufweisen können, die an eine solche Dystopie erinnern, deren Anlage aber vor allem das glatte Gegenteil der Gesellschaft dieses Romans ist.
Doch selbst gewisse Konstellationen aus 1984 werden im Moment – und ausgerechnet in den Vereinigten Staaten unter Mithilfe von Elon Musk – nachgebaut: das Tilgen einer ganzen Reihe von Begriffen aus der öffentlichen Sprache, das scharfe auf Linie Bringen des Verwaltungspersonals und nicht zuletzt eine Weltpolitik, die darauf zusteuert, außer dreier sich im Krieg befindlicher Großmächte kein Außen mehr zu kennen.
Kurz und gut: Ich glaube nicht, dass IT-Oligarchen, die 60-Stunden-Wochen, Sonderwirtschaftszonen und den Upload des menschlichen Geistes in die Cloud propagieren, die Romane ihrer Kindheit falsch verstehen. Ich glaube aber, dass diese Romane einerseits gewisse Tendenzen spätkapitalistischer Gesellschaften ganz gut ins Auge gefasst haben, die nun von entsprechenden Protagonisten beschleunigt und verwirklicht werden – und dass es auf der ästhetischen Seite dystopischer Romane häufig etwas gibt, das diese Welten bei aller Kritik doch irgendwie cool wirken lässt. Ich zweifle aber, dass dich nachweisen lässt, dass diese beiden Dinge tatsächlich verbunden sind. Denn cool dürfte, was die heutige Melange aus Libertarismus und klassischem Rechtsradikalismus umsetzt, auch auf Menschen nicht wirken, die z.B. Cyberpunk-Welten prinzipiell unglaublich cool finden. Die reale Dystopie ist viel viel spießiger, sogar allein ästhetisch viel viel hässlicher.
Ja, es gibt immer wieder rechte Edgelords, die sich tatsächlich dadurch zu profilieren suchen, dass sie die Rationalität des Bösen in gewissen Produkten der Popkultur behaupten. Relativ bekannt etwa ist die Position, das Imperium in Star Wars seien eigentlich die Guten, weil es für Sicherheit und Ordnung sorgt und eine religiöse Sekte bekämpft (die Jedi). Aber ich bin mir fast sicher: Diese Leute, die dafür den planetaren Völkermord von Alderaan beiseiteschieben müssen, wissen eigentlich selbst, dass sie Unsinn reden. Es geht und ging hier, teils Jahrzehnte vor Donald Trump, um die Provokation, darum, ins Gespräch zu kommen – es ging um Aufmerksamkeit.