Simoné Goldschmidt-Lechner, 12.06.2025
Manche Serien haben selbst nach Jahrzehnten nichts von ihrer Aktualität verloren. Die Spezialeffekte mögen gealtert sein, doch warum die Science-Fiction-Serie Babylon 5 ganz auf Höhe der Zeit ist, erklärt uns Simoné Goldschmidt-Lechner.
Was bleibt uns in der Gegenwart, in der wir leben, mit Krieg und Konflikt und zunehmender Kriegstreiberei in so vielen Teilen der Welt, mit einer rechtsradikalen Partei, die während ich diese Worte tippe, in Deutschland stärkste Kraft in den Umfragen ist? Die Zeiten sind gerade aus der Perspektive von Menschen, die wegen Herkunft, Sexualität, Klasse oder Geschlecht marginalisiert werden, beängstigend. Gerade deswegen sind die Geschichten, die wir uns erzählen, vielleicht besonders entscheidend.
Isaac Asimov, der große, in der ehemaligen Sowjetunion aufgewachsene Science-Fiction-Autor, sagte einmal, dass “[e]inzelne Science-Fiction-Geschichten [...] den verblendeten Kritikern und Philosophen von heute so trivial erscheinen [mögen] wie eh und je, aber der Kern der Science Fiction, ihr Wesen, ist entscheidend für unsere Erlösung [bzw. Befreiung, Anm. der Autorin] geworden, wenn wir überhaupt gerettet werden wollen.”
Science Fiction, das schrieb ich auch in Nerd Girl Magic, bietet Möglichkeiten, Zukünfte zu imaginieren und durchzuspielen, und bietet auch in dystopischen Settings Raum für eine utopische Vorstellungskraft. Selbst bin ich erst spät richtig zu Science Fiction gekommen, war vielleicht selbst Teil der verblendeten Kritiker*innen, die Asimov anprangerte. Doch es gab immer Serien, in denen ich dieses Potenzial schon als Kind spürte. Babylon 5 war eine davon. Als ich nach Deutschland zurückkehrte, bekam ich vereinzelt Episoden im Fernsehen mit, die mich schon damals faszinierten. Dass Babylon ein Vorreiter war, was das Erzählen einer zusammenhängenden Geschichte über mehrere Staffeln hinweg in Sci-Fi und Fantasy betrifft – eine Art des Erzählens, die sich bis heute in Serien hält – würde ich erst viel später erfahren.
Es gibt viele interessante Aspekte der Serie, die heute aktueller scheinen denn je: vom PSI-Corps, der die Erdregierung korrumpiert und den Widerstand, den die Raumstation Babylon 5 als Ort des Handels und Austausches gegen ein korrumpiertes System leisten muss, über Vorurteile und Rassismen, bis hin zu wenn auch nicht komplett gezeigter Queerness, so doch einer im Text der Serie vorhandenen Beziehung zwischen Susan Ivanova und Talia Winters. Man könnte auch jenseits des Fiktionalen darüber sprechen, wie es den einzelnen Schauspielenden während und nach der Serie erging und in diesem Rahmen zum Beispiel über den Umgang mit psychischen Krankheiten in der Medienlandschaft sprechen. Oder darüber, warum die fünfte und letzte Staffel zumindest meiner Ansicht nach und nach Ansicht vieler Fans qualitativ nicht mit den Vorgängerstaffeln mithalten konnte.
Ich möchte mich allerdings auf einen der zentralen Konflikte der ersten Staffeln konzentrieren: die Feindschaft zwischen den Centauri, auf der Raumstation Babylon 5 repräsentiert durch den größenwahnsinnigen und alten Zeiten hinterherhängenden Botschafter Londo Mollari, und den Narn, dessen Botschafter G’Kar zunächst vor allem als streitbarer und eher unsympathischer Zeitgenosse auftritt.
Die Centauri sind eine vom napoleonischen Frankreich, russischem Zarentum und dem niedergehenden römischen Reich inspirierte Spezies, die bis auf abweichende Frisuren auf den ersten Blick sehr menschenähnlich wirken (Dies ist wohl dem begrenzten Budget der Serie insbesondere in frühen Staffeln geschuldet. Allerdings gibt es physiognomisch sehr ausgeprägte Unterschiede, die zum Beispiel zum Tragen kommen, als Londo einen wilden Abend mit Lennier, dem Attaché der Minbari-Botschafterin, der in illegalem Kartenspiel mündet, ebendiese Physiognomie zum Falschspiel verwendet).