Fantasy

Micro-Trope: Süße Umarmung des Todes

Coverausschnitt vom Roman

Tabea Hawkins, 25.09.2025

Der Tod, die unausweichliche Konstante, die uns alle eines Tages ereilt. Doch wie wir bis dahin mit ihm umgehen, kann sehr unterschiedlich ausfallen. Manche beschäftigen sich mit ihm in fiktiver Form, teils gar als Love Interest. Um ihm den Schrecken zu nehmen? Tabea Hawkins hat sich das genauer angesehen.

Der Tod hat mich schon immer fasziniert. Er ist das große unausweichliche Unbekannte und Unheimliche, das auf uns alle wartet. Natürlich fürchten wir ihn deshalb auch; er raubt uns unsere Geliebten, kann unser Leben von einem Augenblick auf den nächsten beenden und wir wissen nicht, was nach ihm auf uns wartet (schließlich ist noch nie jemand zurückgekehrt um davon zu berichten). Trotzdem hat er auch seine positiven Seiten. Er kann die Erlösung von großem Leid bedeuten und vor ihm sind alle gleich, Könige, Priester und Bettler, er holt uns alle früher oder später. Er kann grausam sein, aber wir haben auch alle eine Idee davon, wie ein schöner Tod für uns aussehen würde.

Die Angst vor dem Tod und der Wunsch, diese Angst zu bewältigen, ist etwas wahrlich Menschliches und unsere Geschichten spiegeln das schon immer wieder. Es gibt Geschichten darüber, wie man den Tod überlisten kann, um länger zu leben, wie es beispielsweise Sisyphus in der griechischen Mythologie gelungen ist oder dem Brandner Kasper, der den Tod im Kartenspiel betrügt und sich so zusätzliche Lebensjahre ergaunert. Orpheus hätte es fast geschafft, seine verstorbene Ehefrau Eurydike wieder aus dem Reich der Toten zu führen, aber eben nur fast.

Der Mythos der sich in den letzten Jahrzehnten diesbezüglich wohl am meisten gewandelt hat, ist die Geschichte vom Raub der Persephone. Als ich die Geschichte das erste Mal als Kind gehört habe, wurde Persephone gegen ihren Willen von Hades in die Unterwelt entführt und mit List dazu verdammt die Hälfte des Jahres bei ihrem neuen Ehemann leben zu müssen. Aber wie Sagen und Mythen das so an sich haben, ändern sie sich, wenn die Leute, die sie erzählen, eine andere Lehre daraus ziehen wollen. Statt einer Jungfrau in Nöten wird der Raub der Persephone in Adaptionen wie der Fernsehserie Hercules aus den 90er Jahren oder der Graphic-Novel-Reihe Lore Olympus zu einer unwahrscheinlichen Liebesgeschichte zwischen dem Gott der Toten und der Göttin des Frühlings. Was wäre schon eine bessere Emotion, um die Angst vor dem Tod zu ersetzten, als die Liebe? Plötzlich ist der Tod nicht ein unausweichliches Übel, sondern wird durch die Gewissheit ersetzt, dass man den Rest der Ewigkeit in den Armen des Geliebten verweilen kann.

Außerdem, womit assoziieren wir den Tod denn? Er ist düster, mysteriös, furchterregend aber auch faszinierend, hart aber gerecht und eines der mächtigsten Wesen des Universums. Er ist ein Außenseiter, irgendwo zwischen Gott, Monster und universellem Prinzip, dem es verwehrt ist, an der natürlichen Welt und menschlichen Freuden teilzuhaben. Oftmals wird er deshalb als eine Art Beschützer der Menschen dargestellt, der die Seelen auf ihrer Überfahrt behütet und sonst das Leben mit Sympathie oder Bewunderung, aber eben aus der Ferne, beobachtet. (Terry Pratchetts Tod ist dafür ein wunderbares Beispiel.) Oft gefürchtet kann er auch als missverstandene Figur erscheinen, die lediglich ihre Lebensaufgabe mit Gewissenhaftigkeit erfüllt und dafür von anderen gehasst wird und zum Alleinsein verdammt ist, weil, wer könnte den Tod schon lieben?

Wenn das mal nicht nach einem Love-Interest klingt! Zu dem Schluss sind bereits zahlreiche Autor*innen gekommen, die den Tod in den verschiedensten Formen und Facetten auftreten lassen. Ich möchte hier einmal drei Themen oder Charakterisierungen ansehen, die ich spannend finde.

Der Gott der Unterwelt

Bleiben wir doch gleich bei Hades und Persephone, wenn ich sie schon erwähnt habe. Die Beziehung zwischen dem König der Unterwelt und der jüngeren Göttin des Frühlings bietet einen nährreichen “Gegensätze ziehen sich an”-Boden, auf dem zahlreiche andere Tropes wachsen können. Die grundlegende Dynamik, in der Hades der Bösewicht ist, der Persephone mit List an sich bindet, bietet sich selbstverständlich für Enemies-To-Lovers oder Vernunftehe an.

A Touch of Darkness von Scarlett St. Clair gibt der antiken Geschichte einen modernen Anstrich. Persephone ist zwar die Göttin des Frühlings, aber statt Blumen zum Erblühen zu bringen, sterben diese bei ihrer Berührung. Sie entschließt sich also dazu, ein sterbliches Leben zu führen, um sich so ein neues aufzubauen. Ein Besuch im Nevernight, dem angesagtesten Club in New Athens, führt zu einer Begegnung mit Hades und einer Wette. Plötzlich steckt sie in einem unmöglichen Vertrag mit dem Gott der Unterwelt: Sie soll Leben in die Unterwelt bringen.

Das Buch ist der erste Band einer vierteiligen Reihe, die sich um die Beziehung zwischen Persephone und Hades dreht. Die gegensätzliche Dynamik zieht sich in der Charakterisierung durch: Hades ist mächtig, düster, mysteriös und erfahren, wo Persephone sehr behütet und naiv ist. Es ist eine sehr bekannte, aber eben auch bewährte Romantasy-Storyline, die mit dem mythologischen Stoff spielt und ihm einen frischen modernen Anstrich verpasst.

Göttin des Frühlings von P.C. Cast, ist ebenfalls Teil einer Retelling-Reihe, in der allerdings jedes Buch für sich abgeschlossen ist und auch mit verschiedenen Mythen gespielt wird (Goddess of Legend, der siebte Band, spielt beispielweise auf Camelot, fand ich auch sehr spannend).

In diesem Buch ist die Liebesgeschichte allerdings nicht zwischen Hades und Persephone, sondern Hades und einer gewöhnlichen Sterblichen. Mit Linas kleiner Bäckerei läuft es finanziell nicht super und in ihrer Verzweiflung probiert sie einen kleinen Zauberspruch aus einem alten Kochbuch aus. Sie rechnet nicht damit, dass die Göttin Demeter auftaucht und ihr anbietet Linas Seele mit der ihrer Tochter Persephone zu tauschen. Persephone wird der Bäckerei neues Leben einhauchen und Lina geht dafür in Gestalt von Persephone in die Unterwelt, um den Frühling dorthin zu bringen. Nichts einfacher als das. Sie rechnet nicht damit, dass sich Hades groß für sie interessieren wird, vor allem nicht, dass sein Interesse nicht dem Körper der jungen Göttin gilt, in dem sie steckt, sondern ihrer Seele.

Im Gegensatz zu A Touch of Darkness, spielt dieses Buch hauptsächlich in der mythologischen Unterwelt, aber auch hier findet man neue Interpretationen des Mythenstoffs. Die Beziehungen innerhalb der Geschichte, nicht nur die romantische, sind sehr bedacht aufgebaut und auch wenn es seine steamy Szenen hat, ist mir das Buch vor allem als sehr wholesome im Gedächtnis geblieben.

Zwar taucht der Mythos von Persephone auch in The Games Gods Play von Abigail Owen auf, wird aber mal ganz anders verarbeitet, denn in diesem Buch ist der Love Interest von Hades die Protagonistin Lyra. Hades erwählt sie als seine Championesse für die Crucible-Spiele, in denen die zwölf olympischen Gottheiten um die Vorherrschaft kämpfen, womit Lyra absolut nicht gerechnet hatte. Sie hat auch nicht mit der Anziehungskraft gerechnet, die Hades auf sie ausstrahlt.

Inspiriert von der griechischen Mythologie erschafft The Games Gods Play eine ganz neue Welt, in der Lyra um ihr Überleben kämpfen muss. Wen besseres könnte sie sich auf ihre Seite wünschen, als den Gott der Unterwelt?

Der kalte Tod

Dank unserer Häuser und Heizungen ist der Winter eine freudige Zeit der Besinnung, der Weihnachtsmärkte und des Schneemännerbauens. Jüngst hat Game of Thrones wieder das Bewusstsein in unser kollektives Gedächtnis gebracht, dass der Winter für Menschen lange eine finstere Zeit war, in der man um das Überleben kämpfen musste. Hinzu kommt, dass wir selbstverständlich Wärme mit dem Leben assoziieren im Kontrast zur Totenkälte und so wundert es wohl nicht, dass der Tod auch oft in Form eines Schneekönigs oder Väterchen Frost erscheint, was uns aus der Mythologie mit einem Schlenker in die Welt der Märchen und Folklore bringt.

Das Kalte Reich des Silbers von Naomi Novik in eine bezaubernde Märchenwelt, die die Schönheit und Härte des (Todes/) Winters in seiner Dualität wunderbar einfängt. Mirjem ist die Tochter eines Pfandleihers, der seine Familie mit seiner Gutherzigkeit in die Armut treibt. Doch Mirjem nimmt seinen Platz ein und durch ihre Unnachgiebigkeit hat sie bald den Ruf weg, Silber in Gold verwandeln zu können. Der Ruf wird ihr allerdings zum Verhängnis, denn der König der Staryk — düstere Eis-Fey-Kreaturen — entführt sie in sein Reich, auf dass sie dort sein Silber in Gold verwandele. (Stelle ich mir ähnlich schwierig vor, wie Leben in die Unterwelt zu bringen.)

Diese neue Interpretation des Märchens von Rumpelstilzchen vermischt Märchenelemente mit Fantasy und schafft es mit mehreren Hauptfiguren und ihren Perspektiven eine abenteuerliche Geschichte zu erzählen, in der es um Reichtum, Liebe, Familie und Verantwortung geht.

In S. Jae-Jones’ Wintersong ist es der Erlkönig, der in der längsten Nacht des Winters durch die Lande streift und ein hübsches Mädchen in die Unterwelt entführt. Er erscheint als ein unheimlicher, aber sehr gutaussehender Mann, der Liesls Schwester mitnimmt. Liesl, die von ihrer Großmutter immer vor dem Erlkönig gewarnt wurde, erkennt die Gefahr sofort und macht sich auf, ihre Schwester aus der Unterwelt zu befreien, auch wenn sie sich selbst stattdessen als seine Braut anbieten muss. Gegen ihren Willen fühlt sie sich zu diesem mysteriösen Mann und seiner Zauberwelt hingezogen, doch die Zeit arbeitet gegen sie, denn ihr sterblicher Körper kann nicht lange in der Unterwelt überleben.

Düster und poetisch erzählt das Buch eine Geschichte von Musik und Magie. Kann Liebe selbst die zeitlosen Gesetzte wie die Sterblichkeit überwinden?

Der Bär und die Nachtigal von Katherine Arden spielt ebenfalls in einer Welt der slawischen Folklore, in der die junge Wasja im Norden Russlands aufwächst und verbotene Geschichten über den Winterkönig mit frostblauen Augen und uralte Magie erzählt bekommt. Doch was für ihre Geschwister nur Geschichten sind, ist für Wasja der Alltag. Sie sieht die Geister, die das Dorf beschützen und spürt, dass sich in den Wäldern, die an ihr Dorf grenzen, eine alte dunkle Magie erhebt.

Das Buch ist der Auftakt der Winternacht-Trilogie und beschreibt die Selbstbestimmung und Emanzipation einer jungen Frau innerhalb einer Gesellschaft, derer Erwartungen sie nicht entspricht. Der letzte Band der Reihe heißt Die Hexe und der Winterzauber und deutet schon an, dass Wasjas Rolle als junge Frau mit magischen Fähigkeiten ihr zwar Macht gibt, doch wissen wir alle, wie mit Hexen umgegangen wird

Der Tod und die Hexen

Hexen haben eine besondere Beziehung zum Tod. Zum einen haben wir das Bild von Frauen, die als Hexen bezeichnet wurden, weil sie über wichtiges Wissen um Heilung und Geburt verfügt haben, was ihnen gewissermaßen Macht über den Tod gegeben hat. Auf der anderen Seite sind uns Hexen natürlich vor allem im Kontext der Hexenverfolgung im Gedächtnis geblieben.

Dazu kommt, dass Symbolik um Hades und Pluto zu der Darstellung des Teufels in christlicher Ikonographie beigetragen haben, was die Unterwelt zur Hölle macht. Die große Anklage gegen viele Frauen, die der Hexerei bezichtigt wurden, war es, mit dem Teufel oder Dämonen im Bund zu stehen.

Die Beziehung zwischen dem Tod und den Hexen ist also sehr alt und facettenreich und ein kleiner Bonus, meiner Meinung nach, ist auch, dass eine Hexe als Protagonistin das Machtverhältnis innerhalb der Beziehung zum Tod immer noch etwas komplexer gestaltet.

Kingdom of the Wicked von Kerri Maniscalco geht in die Richtung des Dämonischen. Die junge Hexe Emilia will den Mord ihrer Zwillingsschwester rächen und schreckt dabei auch nicht davor zurück, verbotene dunkle Magie dafür einzusetzen. Auf ihrem Weg begegnet sie Wrath, einem der sieben dämonischen Höllenfürsten, der behauptet auf ihrer Seite zu stehen. Aber einem Dämonen kann man natürlich nicht vertrauen, oder? Das Buch ist der Auftakt einer Trilogie mit einer Enemies-to-Lovers-Storyline, einem spannenden Mordfall und der Frage, wer das eigentliche Monster in der Geschichte ist.

Ganz frisch erschienen ist The Deathless One von Emma Hamm. Diese Geschichte spielt mit der komplexen Beziehung zwischen dem Tod und einer vielleicht Hexe? Die Götter in Jessamines Welt sind alle tot, außer der Todlose, der von dem Hexenzirkel, die ihn verehrten verraten und in eine Dimension zwischen der Welt der Lebenden und dem Totenreich verbannt wurde. Seine einzige Hoffnung ist eine Sterbliche, die in seinem Reich angespült wird. Jessamine versucht ihrer Pflicht als Prinzessin nachzukommen und geht eine Vernunftehe ein, in der Hoffnung mit der neuen Allianz ihr Reich vor der schrecklichen Seuche retten zu können, die ihr Volk heimsucht. Stattdessen wird sie noch in ihrem Hochzeitskleid von ihrem frisch Angetrauten umgebracht, aber erst, nachdem sie zusehen darf, wie alle ihr Treuergebenen inklusive ihrer Mutter, der Königin, vor ihren Augen ermordet werden. In ihrem Tod will sie nur eins: Rache.

Der Todlose erkennt in ihr eine Grabsängerin, die ihm durch ihren Glauben und alte Riten zu seiner einstigen Macht verhelfen und aus dem Exil befreien kann. Er schickt sie also zurück in die Welt der Lebenden und sie muss dort einen Weg finden, ihn zu befreien. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass die beiden von jemandem verraten worden wären und sie halten jeweils den Schlüssel zur Zerstörung des anderen.

Die vielen Gesichter des Todes

So endlos wie der Tod selbst, so endlos sind die Möglichkeiten seiner Darstellung und die Geschichten, die sich um ihn drehen können. Mich hat das Erstellen der Liste schon ganz gespannt darauf gemacht, in einige der Geschichten einzutauchen, ich hoffe, euch geht es ebenso. Auf dass uns der Tod erst mal nur auf den Seiten der Bücher begegnen wird.

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Tabea Hawkins

Tabea Hawkins

Tabea Hawkins liebt das Schreiben – so sehr, dass sie sich eigentlich mit nichts anderem befasst, ob als Leiterin des Schreibzentrums der LMU, beim Verfassen ihrer Dissertation über mittelalterliche deutsche Literatur oder in ihren Kursen zum kreativen Schreiben.  Ihre eigenen kreativen Texte, Poesie oder Prosa bewegen sich gerne in phantastischen Welten, sei es Cyberpunk oder High-Fantasy. Jetzt neu auf der Liste: journalistisches Schreiben.

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