C. K. McDonnell & Elaine Ofori | Ursula und das V-Team
Eichborn: €18
Ende Mai war es ja wieder soweit, Caimh McDonnell war mit seinem neuen Buch im Otherland, und er war nicht allein, denn seine Frau Elaine Orofi hat auch mitgeschrieben.
Der Titel? Ursula und das V-Team. Erst dachte ich ja, V steht für Victory. Nope. V steht für Virgins. Yep.
Das liegt aber nicht direkt an Caimh und Elaine, sondern an der Heiligen Ursula aus Köln, die der Legende nach entsprechend mit 11 (oder 11 000) Jungfrauen von Köln aus nach Rom gepilgert ist. Als sie zurückkam, haben Attilas Hunnen Köln belagert. Und Ursula samt 10 oder eben 10 999 Jungfrauen umgebracht. So die "offizielle" Legende.
Caimh und Elaine haben da nun was, sagen wir mal, äußerst unterhaltsames draus gemacht. Alle paar Jahrzehnte kommen die Hunnen nämlich in Form einer Geisterarmee wieder und können nur von einer jungfräulichen Ursula und zehn Jungfrauen aufgehalten werden. Die jungen Damen werden von klein auf von einer Art Geheimbund herangezogen und auf diesen Endkampf vorbereitet. Seit hunderten von Jahren. Nun ist's wieder so weit. Und plötzlich fehlt eine Jungfrau. Stattdessen schnappt sich Ursula kurzerhand einen betrunkenen Typen aus einer Köllner Kneipe und ab geht's in die Schlacht. Doch die verläuft auch nicht so wie man sich eine Schlacht vorstellt. So ganz und gar nicht.
Wie gewohnt ist fast jeder Satz eine Pointe und das Team Caimh & Elaine scheinen das Tempo und den Witz der "Caimh-Allein"-Bücher noch übertreffen zu wollen. Wunderbar unterhaltsam, saukomisch und ungemein zitierfähig. Beste Sommerlektüre am Strand, in den Bergen oder auf dem Balkon. Gedruckte gute Laune!
[Wolf]
Kaliane Bradley | Das Ministerium der Zeit
Heyne: €24
Ich bin eher nebenbei in Das Ministerium der Zeit von Kaliane Bradley gestolpert - ein Leseexemplar von Heyne zu Hause auf dem Tisch, zufällig eine Rezension dazu gelesen und dann reingeschaut und zap drin hängen geblieben.
Ich muss zugeben, ich war überrascht, wie gut es tatsächlich ist. Zeitreiseromane sind so eine Sache, hat man mal einen Stapel davon gelesen (Eschbachs Jesus Video, Connie Willis Farben der Zeit), kennt man das Prinzip und über den Trick der Zeitreise selbst hinaus, muss die Idee gut sein. Verlorene der Zeit von Amal El-Mohtar und Max Gladstone war so ein Buch. Und jetzt eben Das Ministerium der Zeit.
Bradley hat eine clevere Idee als Zeitreisegeschichte: in unserer heutigen Zeit entwickelt die Regierung in England die Technologie der Zeitreise und gründet das Ministerium der Zeit, dessen (geheime) Aufgabe es ist, Menschen aus der Vergangenheit in unsere Zeit zu holen. Nein! schreit hier der erfahrene Zeitreiseleser laut auf, das geht nicht: Zeitparadoxon! Darunter versteht man die Theorie, dass wenn man bei einer Zeitreise in die Vergangenheit irgendetwas verändert, man die kausalen Zusammenhänge, die zu unserer aktuellen Realität geführt haben, stört. Das versehentliche Verschieben eines Stuhls kann beispielsweise dazu führen, dass ein Mensch stürzt, ins Krankenhaus kommt und somit nicht zu der Party gehen kann, die eigentlich dazu führte, dass ein Mensch schwanger wurde und damit wird jemand nie geboren, der eigentlich eins deiner Elternteile war/ist/gewesen wäre. Das ist kompliziert. Und macht dem SF-Nerd Spaß.
Das Ministerium nun umgeht das Problem, indem es Menschen aus der Vergangenheit schnappt, die in dem Moment eigentlich schon tot sind/gestorben sind. Wie zum Beispiel den 1847 verstorbenen Polarforscher Commander Graham Gore, der 1845 mit Sir John Franklin auf der berühmten Arktis-Expedition war und, wie andere auch, auf mysteriöse Weise starb (Lesetipp hierzu aus dem Horror-Genre: Terror von Dan Simmons, übrigens auch als sehenswerte BBC-Serie verfilmt). Dieser Graham Gore wird nun also in unsere Zeit gebracht und ihm wird eine sogenannte "Brücke" zugeteilt, Menschen, die ihnen beim Prozess, sich an die neue Realität ihrer plötzlichen Zukunft anzupassen helfen. In Fall von Graham ist es eine junge Frau kambodschanischer Abstammung. Bradley schafft damit einen brillanten Blick auf die Fragen unserer Zeit durch die Augen Grahams in Auseinandersetzung mit seiner Brücke. Feminismus, Rassismus, Klimawandel, Geschlechterfragen, Männlichkeit, Umweltverschmutzung - die Leichtigkeit, mit der diese Fragen zwischen Graham und seiner Brücke bei Zigaretten und Musik verhandelt werden, ist ungemein witzig, unterhaltsam, spannend und erhellend. Großartig. Ganz nebenbei bleibt auch das Zusammenleben der beiden nicht ohne Folgen.
Über diese zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Fragen aus der Perspektive der Vergangenheit und Gegenwart hinaus, bleibt die Frage, warum das Ministerium diese Menschen eigentlich aus der Zeit holt, lange offen und Bradley baut geschickt eine sich zuspitzende Hintergrundfrage nach den Zielen des Ministeriums auf.
Übrigens ist die Übersetzung von Sophie Zeitz umwerfend gut - die Mischung aus knackig und poetisch mit einer Brise Witz macht die deutsche Ausgabe zum Leseschmeichler.
Definitiv mein Tipp für eine gute Unterhaltung mit Witz und Nachdenklichkeit und vor allem Spaß am Lesen!
[Wolf]