Aiki Mira, 16. 11. 2023
Von Star Wars zu The Expanse, Die Maschinen bis hin zu aktueller deutscher Science-Fiction.
"Zunächst muss jedoch festgestellt werden, dass es offenbar leichter ist, sich ein Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit vorzustellen als das Ende des Kapitalismus." Aiki Mira über die Geschichte der Space Opera, den aktuellen Stand und ihr Potenzial.
Das Zeitalter der kommerziellen Raumfahrt ist da! Im Jahr 2021 schickten private Unternehmen so viele Space-Tourist*innen wie noch nie ins All ‒ mit dabei Science-Fiction-Ikone und Captain Kirk-Darsteller William Shatner. Auch die fiktionale Raumfahrt erreicht neue Höhen. Die Neuverfilmung des Klassikers Dune von Frank Herbert kam ins Blockbuster-Kino. Isaac Asimovs Foundation-Zyklus startete im Streaming-TV und die neue Space Opera The Expanse feierte ihr TV-Serienfinale. In den Buchhandlungen sind die Regale mittlerweile voll mit Space Operas. Neben Klassikern stehen kreative Neuinterpretationen von z.B. Valerie Valdes, Becky Chambers, Ann Leckie oder Nnedi Okorafor. In Deutschland erschienen im Jahr 2021 neue Space Operas wie Titanrot: Nomaden im All von S.C. Menzel, Stille zwischen den Sternen von Sven Haupt sowie die Sammlung Eden im Al: Collection of Space Novellas (Peggy Weber-Gehrke, Hrsg.).
Beginnt jetzt das Zeitalter Jahr der Space Opera ‒ der neuen Space Opera? Wodurch zeichnet sich diese Space Opera aus? Anhand ausgewählter Science-Fiction werde ich typische Merkmale herausarbeiten und zeigen, dass die neue Space Opera gerade in Bezug auf die fortschreitende Kommerzialisierung der Raumfahrt eine brisante Relevanz entfaltet.
Entwicklung und Konventionen der Space Opera
Um zu verstehen, was an der neuen Space Opera neu ist, ist es zunächst notwendig, sich die Entwicklung des Subgenres vor Augen zu führen. Aldiss (1974) war einer der ersten, der die Space Opera als Subgenre der Science-Fiction zuordnete.
Auf den ersten Blick scheint die Space Opera eins der rückständigsten und konservativsten Subgenre der SF zu sein. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sie sich jedoch als ein Subgenre, das sich regelmäßig weiterentwickelt und neu erfindet.
Wegen dem besonderen Weltenbau ‒ fremde Planeten, Raumschiffe, Aliens ‒ erhält die Space Opera besonders von visuellen Medien Aufmerksamkeit. Außerhalb der SF steht sie oft für das gesamte Genre. Innerhalb der SF wird sie dagegen als zu wenig wissenschaftlich und zu wenig plausibel kritisiert (vgl. Hardesty:1980, Spinrad:1976).
Die Bezeichnung Space Opera (Weltraumoper) geht auf den Autor Wilson Tucker zurück und muss als abwertend verstanden werden (Tucker:1941). Brian Aldiss (1974:9) ordnet die Space Opera zwar der Science-Fiction zu, sieht ihre Funktion aber primär in der Unterhaltung: »Science fiction is for real. Space opera is for fun«. Nach Aldiss (1974:9) stellt Space Opera eine Form der Grenzfiktion (frontier fiction) dar und behandelt »the fundamental hopes and fears when confronted by the unknowns of distant frontiers« (die grundlegenden Hoffnungen und Ängste, sobald wir mit den Unbekannten ferner Grenzen konfrontiert werden). Sie knüpft damit an eine Literaturtradition an, zu der auch Homers Odyssey gehört. Wie die Odyssey führt uns auch die Space Opera in neue, noch unbekannte geographische Räume. Zwei Fragen drängen sich dabei auf: Wie wird der Schritt ins Unbekannte beschrieben, und wer darf den Schritt wagen?
In Bezug auf die erste Frage lässt sich feststellen: Weltraumopern waren anfangs Abenteuergeschichten im All, denen erst nach und nach Wissenschaftlichkeit hinzugefügt wurde (Hyperspace, Warp). Gerade zu Beginn wurde die Space Opera mithilfe bekannter Literaturgenres erzählt wie der Abenteuergeschichte (z.B. Robinson Crusoe), der Detektivgeschichte, Piratengeschichte und dem Wilden Westen. Es wurden also Narrativen genutzt, die von Grenzüberschreitung zwischen Territorien berichten (kriminelle Unterwelt, nautische Geschichten, Wilder Westen, Kriegsgeschichten). Konflikte wurden als Kämpfe ausgetragen.
Eine besonders beliebte narrative Strategie bot die Heldenreise, bei der ein auserwählter, meist männlicher Held sein Schicksal erfüllt, in dem er von Helfer*innen unterstützt wird. Das gibt uns einen Hinweis auf die zweite Frage: Wer wagt den Schritt ins Unbekannte? In der Space Opera avanciert ein meist männlicher Held, ausgestattet mit besonderen Fähigkeiten zum Weltenretter (Flash Gordon, Captain Future, Luke Skywalker).
Aus Isaac Asimovs Roboter Geschichten und seinem Foundation-Zyklus entwickelte sich künstliche Intelligenz verkörpert durch Androiden oder Roboter zum typischen Helfer und männlich konnotierten Sidekick (R2-D2 in Star Wars, Data in Star Trek).
Nicht nur als Film beschwört die Space Opera eine epische Breitwandtradition. Auch im Roman lässt sie uns in unvorstellbar immense Weiten von Zeit und Raum reisen, die mit monumentalen Heldentaten und überbordenden, zukunftsorientierten Hoffnungen in Einklang gebracht werden. Der Kritiker Gary Wolfe (1986) definiert die Space Opera dementsprechend als rasantes, intergalaktisches Abenteuer im Großformat. Patricia Monk (1992) wiederum berücksichtigt in ihrer Definition das spezifische Mindset, also die Denkweisen, Überzeugungen und Verhaltensmuster, die von der Space Opera transportiert werden. Das Mindset der Space Opera zeichnet sich Monk zufolge durch die Vorstellung eines erkennbaren und handhabbaren Universums aus. Das verweist auf eine eher koloniale Haltung: neues Wissen und neue Territorien wollen in der Space Opera erbeutet und erkämpft werden.
Fazit bleibt: es ist kein Zufall, dass Weltraumopern oft als Western im Weltraum bezeichnet werden. Gerade durch ihr Mindset sind sie das Nonplusultra einer Grenzfiktion, getragen von einer offen kolonialen Agenda der Erforschung, Kolonisierung und Eroberung. Viele Weltraumopern verkünden das sogar wortwörtlich. Star Treks Eröffnungsmonolog ist das bekannteste Beispiel: »Space: the final frontier« (der Weltraum: die letzte Grenze), wird uns gesagt, und weiter, dass die Star-Trek-Mission darin besteht, »to boldly go where no man has gone before« (mutig dorthin zu gehen, wo noch kein Mensch zuvor war).