Science Fiction

How can one purpelize Science-Fiction? - Beispiele und Möglichkeiten für QueerSF

Beispiele und Möglichkeiten für QueerSF

Lena Richter, 28.10.2022

Anhand konkreter Beispiele zeigt uns Lena Richter, welche Aspekte und Konzepte von Queerness in der Science Fiction möglich sind. Dazu geht sie unter anderem auf Romane von Becky Chambers, Arkady Martine, Charlie Jane Anders sowie Judith und Christian Vogt ein.

Welche Ideen und Konzepte hinter dem Begriff der Queeren Science-Fiction stecken und welche Themen und Aspekte darin wichtig sein können, hat vor einiger Zeit bereits Aiki Mira in diesem Artikel vorgestellt. Ich möchte mich darauf aufbauend in diesem Text mit einigen konkreten Beispielen beschäftigen.

Repräsentation

Machen wir es kurz: In vielen Science-Fiction-Medien ist die bloße Existenz von queeren Figuren noch immer nicht selbstverständlich und somit noch immer etwas, das Erwähnung finden muss. Charaktere wie Paul Stamets (Star Trek Discovery), Camina Drummer (The Expanse) oder Captain Jack Harkness (Doctor Who) haben queere Menschen auch in den Raumschiffen und Exoplaneten des Mainstreams ankommen lassen - und das ist auch gut so. Allerdings ist reines Vorkommen queerer Figuren die oberflächlichste und einfachste Umsetzung queerer Erzählungen, und zu oft spielen dabei Klischees und unglückliche Schicksale eine zu große Rolle. Und wenn ich ehrlich bin: Wenn ein Buch, ein Film oder eine Serie mit einem großen Cast ohne eine einzige queere Figur daherkommt, ist das für mich nicht mehr “normal” oder ärgerlich, sondern ich sehe es als Pushen einer heteronormativen Agenda - um das beliebte Argument gegen queere Figuren hier mal umzudrehen. Genug also von der reinen Existenz queerer Charaktere, über die ohnehin viel zu oft als einziges Merkmal von queerer oder progressiver Phantastik gesprochen wird. Schauen wir uns lieber an, was und wie man in der Science-Fiction noch queeren kann.

Jenseits des Love Triangle - Beziehungen und Romantik

Bei Queerness zunächst an Beziehungen, Romantik und Sexualität zu denken, liegt nahe - immerhin ist das der offensichtlichste Unterschied zu nicht-queeren Figuren (wenn auch bei Weitem nicht der einzige, aber das wäre Thema für einen weiteren Artikel). Es ist ein wenig ein zweischneidiges Lichtschwert, wenn Queerness vor allem durch Romance und Beziehungen dargestellt wird. Einerseits ist das super, weil es immer noch zu wenige davon gibt, gerade in der Science-Fiction, gerade solche mit Happy End. Andererseits fühlt es sich immer ein wenig an, wie ein Scheinwerfer auf die Aspekte einer Figur, die von der gesellschaftlich zementierten Norm abweichen. Gut gelungen finde ich beispielsweise die queeren Figuren in Star Trek: Discovery. Nach einem ziemlich unschönen “Bury your Gays”-Tod in Staffel 1 (der wieder rückgängig gemacht wird, aber dennoch viele queere Zuschauende verletzt hat), geht es z. B. bei Wissenschaftler Stamets und seinem Mann, dem Mediziner Culber, nicht darum, dass sie schwul sind und auch nicht um die Frage, ob sie ein Paar werden. Die Handlungsstränge beider Figuren drehen sich schlicht um andere Dinge. Zwar geht es ab und an auch um Probleme in der Beziehung, aber diese speisen sich nicht aus der Tatsache, dass nun eben zwei Männer miteinander verheiratet sind. Besonders gut gelungen finde ich den Plot um Stamets und Culber ab der dritten Staffel, in der zwei weitere queere Figuren, Adira und Gray, dazukommen. Ein kleiner Teil der Handlung dreht sich darum, wie die beiden älteren schwulen Männer sich um die beiden jüngeren Personen (eine nicht-binäre Person und einen trans Mann) kümmern und ihnen helfen, ihr neues Leben auf der Discovery zu gestalten. Es ist als in der Science-Fiction so oft vorhandene Wahlfamilie einfach schön und rührend, kann aber darüber hinaus als Metapher auf die queere Community gesehen werden, in der verschiedene Identitäten und Generationen sich umeinander bemühen und einander helfen.

Ein anderes Beispiel für erfolgreiches Queeren von Beziehungen ist das Aufbrechen eines der klassischsten Tropes überhaupt: des Love-Triangles (also der Dreiecksbeziehung). Wir kennen alle sicherlich zahllose Beispiele dafür, wie die Hauptfigur sich ein bis drei Bände lang mit der Frage abrackern muss, für wen sie sich am Ende entscheiden wird. Hier bietet Polyamorie, die ebenfalls unter das Spektrum von Queerness fällt, manchmal die erfrischende Antwort: Warum nicht für beide? So gibt es z. B. im Roman Ace in Space von Judith und Christian Vogt eine sowieso sehr queerfreundliche Gesellschaft, in der eher selten Langzeitbeziehungen entstehen und Monogamie fast schon verpönt ist - eine interessante Umkehrung der jetzigen Verhältnisse. Dieser Weltenbau sorgt dafür, dass die drei Hauptfiguren viel freier navigieren können, in welcher Konstellation sie jetzt vielleicht zueinander finden. Wesentlich revolutionärer ist die Idee einer polyamoren Beziehung im Roman Iron Widow von Xiran Jay Zhao: Dort kämpft die Hauptfigur Zetian gegen patriarchale Strukturen und Unterdrückung von Frauen. Geschlechterrollen jenseits der Mann-Frau-Binarität werden von der Gesellschaft genauso unterdrückt wie Sexualität jenseits von Mann-Frau-Beziehungen. Es ist also ein weiteres, anderes Aufbegehren gegen diese starren Rollen der Gesellschaft, wenn die beiden männlichen Love Interests eben nicht erbitterte Konkurrenten um das Herz der Heldin sind, sondern vielleicht auch aneinander interessiert - mit allen Gefahren, die das mit sich bringt.

Auch der Entwurf einer Raumschiff-Crew, die gerade bei Space Operas den Dreh- und Angelpunkt des Geschehens bildet, lässt sich um das Konzept einer polyamoren Beziehung (oft wird dafür auch der Begriff Polykül verwendet) erweitern. So ist beispielsweise Camina Drummer aus The Expanse im Lauf der Serie in einer Beziehung mit wenigstens zwei Mitgliedern ihrer Crew, die allerdings insgesamt recht viele Personen umfasst. Noch intimer ist die Besatzung einer Forschungscrew in Becky Chambers’ Novelle To be taught, if fortunate. Die vier Personen der Crew sind unterwegs, um Planeten außerhalb unseres Sonnensystems zu erforschen, was jahrelange Abwesenheit und enge Zusammenarbeit erfordert. Dass eine solch eng zusammengewachsene Crew einmal nicht als Wahlfamilie oder Militäreinheit porträtiert wird, sondern als Polykül, fühlte sich für mich ebenso innovativ wie naheliegend an.

Wenn alles ganz anders wäre - Changing the Baseline

Ich möchte bei Becky Chambers noch ein wenig länger verweilen, denn ihre Bücher haben noch viele weitere spannende Ansätze. Die schon erwähnte Novelle To be taught, if fortunate ist nicht nur durch die Beziehung zwischen den Crew-Mitgliedern innovativ, sondern entwirft die Crew auch sehr intersektional. Intersektionalität, dies sei hier kurz erläutert, ist ein Begriff, der sich auf die Erfahrungen mehrfach marginalisierter Personen bezieht, also zum Beispiel Schwarzer Frauen oder queerer Menschen mit Behinderung. Intersektionales Denken hat gerade in feministischen und queeren Bewegungen einen hohen Stellenwert, da möglichst viele Erfahrungen und Bedürfnisse mit einbezogen werden sollen. Praktisch sieht das in Chambers’ Novelle so aus, dass die vier Crew-Mitglieder alle in einer engen Beziehung miteinander sind, aber einer von ihnen kein Interesse an Sex hat - eins der immer noch viel zu wenigen Beispiele für einen asexuellen Charakter. Als es darum geht, mit welchen medizinischen Mitteln die Crew versorgt wird, wird nebenher erwähnt, dass einer der Männer in der Crew künstliche Hormone bekommt, da er trans ist. Eine andere Figur erhält vorbeugende Mittel gegen Brustkrebs, da sie ein erbliches Risiko für eine Erkrankung hat. Damit hat die Novelle nicht nur sehr diverse Figuren, die verschiedene Aspekte von Marginalisierung repräsentieren, sondern trifft auch eine Aussage über die Gesellschaft, in der die Geschichte spielt. Offenbar ist dort z. B. die Gesundheitsfürsorge für trans Menschen ebenso selbstverständlich wie das Akzeptieren von Asexualität.

Damit geht Chambers mit der Queerness ihrer Erzählung eben nicht nur ins Personenregister, sondern viel tiefer, in den Weltenbau selbst. Dieser entwirft nebenbei auch eine ganz andere Vorstellung von Raumfahrt: Weder militärisch noch von Regierungen gesteuert, nicht von Milliardären bezahlt und reichen Weltraumtourist*innen genutzt, sondern vielmehr als Graswurzelbewegung, eine Art weltweites Crowdfunding für die Wissenschaft.

Nun kann man vielleicht fragen: Was hat die Erfindung von vorbeugender Medizin gegen Brustkrebs oder eine von der Gemeinschaft finanzierte Raumfahrt mit queerer Science-Fiction zu tun? Dazu möchte ich argumentieren, dass in unserer Gesellschaft viele Faktoren ineinandergreifen, um eine Art Baseline der Normalität zu etablieren. Dazu gehören heteronormatives Denken, aber eben auch patriarchale Strukturen, Unterdrückung von Frauen und queeren Menschen und die scheinbare Alternativlosigkeit von Kapitalismus und Gewinnmaximierung. Beispielsweise werden Frauen in der medizinischen Forschung noch immer diskriminiert, weil beispielsweise ihre Erkrankungen weniger ernst genommen werden, weniger Forschung gefördert wird oder Daten über unterschiedliche Symptome erst gar nicht erhoben werden (Gender Data Gap). Kommen weitere Marginalisierungen wie Queerness hinzu, verstärkt sich diese Diskriminierung (z. B. bei Kinderwunschbehandlungen von Frauen in queeren Beziehungen). Wo immer diese Strukturen infrage gestellt oder aufgebrochen werden, wo immer die scheinbare Normalität unserer Gesellschaft in der Science-Fiction durch etwas anderes ersetzt wird, abweicht, uns vielleicht komisch oder anders (sozusagen: queer) erscheint, wird diese Grundordnung erschüttert, die eben auch für die Diskriminierung queerer Menschen sorgt.

Becky Chambers ist meisterhaft darin, diese Grundannahmen auseinanderzunehmen und neu zu denken. Auch im ersten Teil ihrer Monk and Robot-Novellen, A Psalm for the Wild-Built, stellt sie gleich mehrere Traditionen der Science-Fiction infrage und auf den Kopf. Schauplatz der Geschichte ist ein fiktiver, von Menschen besiedelter Mond, auf dem vor langer Zeit Roboter ein Bewusstsein entwickelten. Sofort entstehen hier, geprägt von den Erzähltraditionen der Science-Fiction, Bilder im Kopf: Roboteraufstände, Kampf um den Mond, ums Überleben der Menschheit. Stattdessen hat die Menschheit in Chambers’ Novelle die “erwachten”, also zu Bewusstsein gekommenen Roboter, als eigenständige Lebewesen akzeptiert und gefragt, was sie sich wünschen. Daraufhin beschlossen die Roboter, die Städte und Fabriken zu verlassen und in die Wildnis zu ziehen. Es wurde eine Grenze ausgehandelt, bis zu der sich die Menschen bewegen, alles dahinter gehört der Wildnis und den Robotern. Weder die Annahme, dass Menschen Gebiete bis ins letzte erobern und unterwerfen müssen, noch jene, dass sie unfähig sind, andere Lebensformen anders zu betrachten als als Untergebene oder Feind*innen werden hier bestätigt. Und erst durch diese tiefgreifenden Änderungen im Weltenbau wird die Geschichte möglich, in der Mönch*in Dex und Roboter Mosscap die ersten ihrer Arten sind, die sich nach mehreren Generationen vorsichtig wiederbegegnen.

Es lohnt sich also, darüber nachzudenken, was passiert und welche Geschichten erzählt werden können, wenn wir das, was uns als Grundpfeiler unserer Welt und unserer Erzählungen vielleicht immer unverrückbar erschien, aufbrechen und anders denken.

Becky Chambers auf Deutsch

Verletzungsfreie Metaphern

Oft wird progressiven Ansätzen an Weltenbau und Geschichten die Frage gestellt, woher denn bitte der Konflikt kommen soll, wenn doch jetzt alle die gleichen Rechte haben und niemand mehr unterdrückt wird. Auch hier kann queere Science-Fiction zeigen, wie das möglich ist. Eine Variante ist es, nur einen Teil unserer irdischen und aktuellen Machtstrukturen aufzubrechen und andere zu erhalten. Im schon erwähnten Roman Ace in Space z. B. sind die Selbstverständlichkeit von nicht-binären Menschen und queeren Beziehungen aller Art sowie die Gleichberechtigung aller Geschlechter und das Überwinden von rassistischem Denken der progressive, utopische Teil des Settings - während gleichzeitig der Weltraum von knallhart kapitalistischen Konzernen regiert wird, die für ihre Interessen über Leichen gehen. Eine weitere Quelle für Konfliktpotenzial ist die permanente Social-Media-Präsenz der Hauptfiguren, die sich ebenso sehr profilieren wollen wie müssen, da als außerhalb der Konzerne agierende Gang nur die mediale Vermarktung als Einnahmemöglichkeit bleibt. In Arkady Martines großartiger Romandilogie A Memory Called Empire (dt. Im Herzen des Imperiums) und A Desolation Called Peace (dt. Am Abgrund des Krieges) sind Aussehen und Sexualität der Figuren auch nicht von Bedeutung - solange sie aus dem Imperium stammen, denn alle außerhalb stehenden Personen werden nicht als vollwertige Menschen angesehen. Micaiah Johnsons Parallelwelten-Roman The Space Between Worlds (dt. Erde 0) erschafft ein Setting, das Welten aufeinanderprallen lässt, wortwörtlich und im übertragenen Sinne. Die Protagonistin ist gleichzeitig Reisende zwischen Parallelwelten als auch Gefangene zwischen ihrer Herkunft in ärmsten Verhältnissen und ihrem jetzigen Leben in der reichen Stadt, in der sie doch nie mehr sein wird als ein Emporkömmling aus der Gosse. Gleichzeitig aber ist die Tatsache, dass Cara bisexuell ist, niemals ein Problem, das Setting ist sexwork-positiv und hat eine nicht-binäre Sexworker*in in Machtposition als Nebenfigur.

Noch einen Schritt weiter geht Charlie Jane Anders in ihrer Unstoppable-Trilogie, deren letzter Teil nächstes Jahr erscheint. Hier gibt es eine Diskriminierung von allen Aliens, deren Körperbau nicht symmetrisch und bilateral ist, sprich: die nicht zwei Arme und zwei Beine haben. Jene, die dieser Norm entsprechen, wurden in ihrem Fortkommen bestärkt, alle anderen Wesen gehindert. Dahinter steckt kein Zufall, sondern das Wirken sehr alter und sehr mächtiger Kräfte. Das ist eine recht deutliche Metapher auf irdischen Rassismus und zugleich eine Möglichkeit, Diskriminierung zu zeigen, die nicht verletzend für Lesende ist. Auch das Dilemma von Hauptfigur Tina ist ein gutes Beispiel für eine solche Metapher: Sie weiß von Kindheit an, dass sie der Klon einer Alien-Heldin ist und will am Anfang von Band 1 ihre Bestimmung erfüllen. Doch etwas ist schiefgegangen, sie verwandelt sich nicht in die verstorbene Heroin, sondern bleibt Tina, mit leichten optischen Veränderungen und Erinnerungen an Fakten und Wissen, aber nicht an ihr voriges Leben. Wie sie damit umgeht, wie ihre, auch körperliche Veränderung langsam voranschreitet und wie sie dagegen ankämpft, nicht alle Aspekte der ihr zugedachten Rolle (beispielsweise das Ausüben körperlicher Gewalt) annehmen zu müssen, ist eine etwas subtilere, aber dennoch gut erkennbare Metapher zum Thema Trans-sein. Gleichzeitig lässt Anders diese Metapher nicht als einzige Repräsentation stehen, denn es gibt noch eine junge menschliche trans Frau, die in Teil 2 auch zur Perspektivfigur wird. Die Trilogie ist ein wunderbares Beispiel für moderne, innovative und queere Space Opera, die das Herz gleichzeitig wärmt und zerbricht. Der Umgang der von der Erde stammenden Teenager-Gruppe miteinander ist liebevoll und voller Consent. Nicht einmal in Stresssituationen werden Leute einfach gegen ihren Willen angefasst, Gefühle und Beziehungen werden reflektiert und angesprochen. Aber das alles heißt nicht, dass junge Menschen in einem galaxisweiten Konflikt nicht trotzdem streiten, einander enttäuschen und unfassbar Schweres durchmachen. Auch der Weltenbau ist frei von irdischen -ismen: so sorgt z. B. das Übersetzungstool, das zur Verständigung benutzt wird, dafür, dass ein Misgendern oder das Benutzen falschen Pronomen schlicht unmöglich ist. Gleichzeitig stellt sich immer mehr heraus, dass auch die vermeintlich gutmeinenden und hilfreichen Organisationen und Strukturen die Unterschiede zwischen den bilateralen Wesen und den anderen zementieren und wie sie nicht davor zurückschrecken, Personen für ihre Zwecke auszunutzen oder sich für das vermeintlich größere Gut mit dem Bösen zu verbünden.

Diese Beispiele können hoffentlich zeigen, wie Casual Queerness und eine progressivere Gesellschaft existieren können, ohne dass dadurch Drama oder Konfliktpotenzial verloren geht.

Queer, Progressiv, Intersektional

Natürlich ist nicht jede Erzählung, die die Traditionen ihres Genres aufbricht oder mit ihnen spielt, QueerSF. Dies würde den Begriff meiner Meinung nach zu sehr aufweichen. Beispielsweise habe ich neulich den recht neuen Roman Noor von Nnedi Okorafor gelesen. Dieser verarbeitet die eigenen Erfahrungen der Autorin mit einer Wirbelsäulen-OP und spielt sehr schön mit dem Konzept des Cyborg und der Frage, wieso Dinge wie Behinderung, Krankheit und Prothesen immer mit Leid verbunden sein müssen. Die Geschichte um eine junge Frau, die es einfach richtig gut findet, einen halb künstlichen Körper zu haben, der sie nicht nur von Schmerzen und Einschränkungen befreit, sondern übermenschlich macht, ist interessant, feministisch und unter dem Aspekt der Darstellung von Be_hinderung sehr progressiv. Ist er aber Queer-Science-Fiction, ohne einen einzigen queeren Charakter, nicht mal unter den Nebenfiguren? Da bin ich mir nicht sicher. Aber es gibt ja noch das Label der Progressiven Phantastik. Und wie das mit Labeln generell so ist - die sind auch keine abschließende, feststehende und allgemeingültige Sache, wie viele queere Menschen immer wieder betonen.

Fest steht, dass es neben queeren und feministischen Themen noch viele andere Aspekte in der Science-Fiction gibt, die unter einem intersektionalen Ansatz neu gedacht und erzählt werden können. Themen wie Behinderung und Krankheit, Rassismus, Kapitalismus- und Kolonialismus-Kritik sind nur einige Beispiele. In diesem Artikel konnte ich hoffentlich erst einmal für den Bereich Queerness und Feminismus einige nachvollziehbare Beispiele aufzeigen.

Lena Richter

Lena Richter ist Autorin, Lektorin und Übersetzerin mit Schwerpunkt Phantastik und veröffentlichte Kurzgeschichten, Essays und Artikel. Lena ist eine der Herausgeber*innen des Phantastik-Zines Queer*Welten und spricht gemeinsam mit Judith Vogt einmal im Monat im Genderswapped Podcast über Rollenspiel und Medien aus queerfeministischer Perspektive. Im Frühjahr 2023 erscheint ihre Science-Fiction-Novelle Dies ist mein letztes Lied im Verlag ohneohren. Mehr zu ihr findet ihr auf ihrer Website lenarichter.com oder auf Twitter unter @Catrinity.

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