Die Buchbranche ist ein hartes Pflaster. Der Weg zum ersten eigenen Buch gestaltet sich für viele steinig. Allerdings gibt es für manche Autor*innen noch zusätzliche, zum Teil unsichtbare Hürden. Zum Beispiel für Black People of Color (BPoC). Jade S. Kye berichtet von ihren Erfahrungen und spricht mit Nora Bendzko und James A. Sullivan über den Status quo in der deutschen Phantastik.
Vorbilder? Fehlanzeige. Meine ersten Schritte
Meine Reise als Autorin begann relativ früh. Ich war begeistert von Worten und Sätzen. Das Zusammenspiel von Sätzen war für mich das Höchste. In der Grundschule fing ich bereits an, kleine Geschichten zu schreiben und sie meiner Familie vorzulesen. Ich wusste damals schon, dass ich später etwas mit Schreiben tun wollte. Als ich älter wurde, legte sich die Begeisterung, selbst etwas zu schreiben, ein wenig. Ich kaufte und verschlang Bücher ohne Pause. Wenn ich jetzt zurückdenke, stand bei mir kein einziges Buch einer BPoC-Autorin oder eines BPoC-Autors in meinem Bücherregal. Und das war der Moment, in dem ich mir als Kind bzw. Jugendliche dachte, dass ich gar nicht Autorin werden kann, da das einfach kein Feld für Menschen wie mich ist.
Leben und Sorgen als publizierte*r Autor*in
Für diesen Artikel habe ich mich mit meiner Kollegin Nora Bendzko und meinem Kollegen James A. Sullivan über ihre Erfahrungen unterhalten. Die beiden haben bereits Bücher publiziert und sind für mich die Vorbilder geworden, die ich in meiner Kindheit und Jugend nicht hatte.
Sie beide haben ihre Liebe zur Literatur früh entdeckt. Nora liebte die Geschichten ihres Vaters, und James begann klassisch mit Rollenspielen und der Verschriftlichung von eigenen Abenteuern. Beide hatten laut eigener Aussage keine literarischen BPoC-Vorbilder in Deutschland. James ließ den Blick gerne in die USA schweifen und fand dort mit Samuel R. Delany jemanden, der für ihn wegweisend war.
Die deutsche Phantastik war und ist großteils Weiß.
Welche Hürden gab es für dich, als du deinen ersten Roman veröffentlichen wolltest?
Nora: Ich habe mich lange schwergetan mit Vorurteilen in der Szene. Mein Herz schlägt für die dunkle Phantastik, ein Genre, das Autorinnen öfter nicht zugetraut wird, anders als männlichen Kollegen. Aber mir ist auch immer wieder Ignoranz begegnet, wenn es um Themen wie Diversität und bessere Repräsentation geht. Manche Teile der Kollegschaft sind z. B. regelrecht angefasst in Diskussionen zu nicht-Weißen Figuren und unterstellen Leuten, die sie schreiben, ein Reiten auf einer „politischen Trendwelle“ – als ob man nicht persönlich Interesse daran haben könne. Die größte Hürde bei meinem ersten Roman war wohl, durch diese Literaturwelt zu navigieren und mein Publikum zu finden. Durch meine Anfänge im Selfpublishing konnte ich mir ein wunderbares Netzwerk aufbauen und bin mit Droemer Knaur bei einem Verlag gelandet, wo ich mich gut aufgehoben fühle.
James: Wie so viele, reichte ich bei Verlagen Exposés und Leseproben ein und bekam Absagen. Ich hatte aber das große Glück, dass Bernhard Hennen meine Arbeit zu schätzen wusste, für mich eine Art Mentor wurde und mir Einblick in das Leben eines Profi-Schriftstellers bot. Von ihm lernte ich, wie das Verlagsgeschäft funktioniert. Schließlich fragte mich Bernhard 2003, ob ich mit ihm gemeinsam einen Roman schreiben wolle, und daraus wurde dann „Die Elfen“. Das heißt, ich hatte jemanden, der mich an den üblichen Gatekeepern vorbeiführte. Ich habe keine Ahnung, ob ich es ohne diese Hilfe jemals geschafft hätte, etwas bei Verlagen unterzubringen. Bernhard hat mir einfach Raum verschafft, und mit dem Ergebnis waren wir beide und auch die Leser*innen mehr als zufrieden.
Trotz Agenten fiel es James nach dem ersten Erfolg schwer, etwas Eigenes bei einem Verlag unterzubringen.
Wie schätzt du die Repräsentation in der Phantastik ein, sei es in Bezug auf Autor*innen oder auf BPoC-Figuren in Büchern?
Nora: Ich habe das Gefühl, dass die deutschsprachige Szene der restlichen Literaturwelt sehr nachhinkt, was das angeht. In den USA gibt es allein durch den Afrofuturismus viele Schwarze Stimmen im Genre, wie eine N. K. Jemisin. Aber auch große Weiße Autoren ziehen mit, schreiben diversere Casts und bilden sich dahingehend weiter, wie Rick Riordan und Neil Gaiman. Da ist schon viel mehr Normalität.
Nora sieht darüber hinaus auch das Problem, dass in Deutschland noch viel zu wenig mit Sensitivity Reading gearbeitet wird und somit unrealistische und schädliche Stereotype ungehindert reproduziert werden können.
Nora: Es fehlt also an Recherche, und wie so oft wird über Betroffene geredet, jedoch nicht mit ihnen.
James: In der deutschsprachigen Phantastik gibt es kaum Schwarze Autor*innen. Ich bin in der Regel die einzige Schwarze Person im Raum. Und das macht es natürlich nicht leicht, weil inzwischen einfach viel Last an mir hängt. Wenn ich versage und es mir nicht gelingt, neue Verträge an Land zu ziehen und Bücher zu veröffentlichen, dann schwindet der Anteil von Schwarzen Phantastik-Autor*innen bei Publikumsverlagen sofort dahin. Beim Treffen des Phantastik-Autoren-Netzwerks 2019 war ich z. B. froh, Patricia Eckermann kennenzulernen. Das hat wirklich gutgetan. Und gerade, wenn ich mir anschaue, wie sich auf Twitter und abseits davon Communities bilden, bin ich zuversichtlich, dass sich was ändert.
Zur Repräsentation in Büchern nannte er nachfolgendes Beispiel. Da BPoC Autor*innen in der Phantastik noch eine Minderheit sind, bliebe viel an den wenigen vorhandenen hängen.
In einer Rezension wird Tobias O. Meißner dafür kritisiert, dass er in seinem Roman "Dungeon Planet" eine Schwarze Hauptfigur gewählt hat und dann über deren Unterdrückung schreibt. Es heißt dann dort: „Ein gut gemeinter Rat: Überlasst das bitte Betroffenen.“ Als ich das las, dachte ich: Wer sind die Betroffenen? Wer ist Schwarz und veröffentlicht deutschsprachige Phantastik bei Publikumsverlagen? In dem Augenblick war ich das. Die Rezensentin hätte genauso gut schreiben können: „Überlasst das James Sullivan.“ Und das ist ein Problem. Solange es nicht mehr von uns in dieser Szene gibt, sind Leser*innen darauf angewiesen, dass auch andere über Schwarze Menschen schreiben. Das heißt, für mich wäre es wichtiger zu betonen, dass Weiße Autor*innen mit Sensibilität vorgehen, wenn sie über Schwarze Figuren schreiben, als ihnen zu empfehlen, die Finger davon zu lassen.