Diversität ist mehr als nur ein Trendthema. Patricia Eckermann erklärt uns den Stand der Dinge, warum Diversität in der Phantastik und der Literatur allgemein so wichtig ist und warum immer noch viel zu tun ist.
Kurze Vorbemerkung der Autorin: Ich schreibe diesen Text aus einer Schwarzen Perspektive. Auch wenn ich andere marginalisierte Positionen nicht explizit benenne oder nur am Rande streife, sind sie ebenso wichtig, wenn es um die Diversität in der Literatur geht.
Diversität ist ein Medientrend geworden. In der Werbung, in Film und Fernsehen – und natürlich auch in der Literatur. Verlage schmücken sich mit Schwarzen Autor*innen, deren Werke eine große Zielgruppe ansprechen sollen. Da die Mehrheit der Menschen in den deutschsprachigen Ländern weiß ist, liegt es im Interesse der Verlage, dass diese Werke zuallererst die Bedürfnisse und Erwartungen weißer Leser*innen befriedigen. Was nichts anderes bedeutet, als dass es immer auch um das Anders-sein gehen soll. Um das Nicht-weiß-sein und damit um die Themen Rassismus und Diskriminierung.
Sicher gibt es eine Menge weißer Menschen, die schon einen Schritt weiter sind, aber wir sollten uns nichts vormachen: Der Großteil der durch ihre Hautfarbe privilegierten Leser*innen ist nicht gebildet, wenn es um Rassismus, Diskriminierung, kritisches Weißsein und Intersektionalität geht. Wenn diese Menschen sich „diverse“ Bücher kaufen, wollen sie sich bilden, und vielleicht auch zeigen, dass sie „zu den Guten“ gehören, also antirassistisch, offen und selbstkritisch sind. Sachbücher, in denen weißen Menschen erklärt wird, wie sie sich ihrer eigenen Privilegien bewusst und ihren internalisierten Rassismus quitt werden können, stehen deshalb hoch im Kurs. Und auch fiktionale Werke oder Autobiografien, in denen Schwarze Protagonist*innen in weißen Umgebungen leben und leiden, finden sich in den Bestsellerlisten. Es zeigt, dass sich etwas bewegt – hin zu mehr Sichtbarkeit für Marginalisierte. Das ist gut. Aber es ist noch lange nicht genug.
Denn erstens gibt es nicht nur Sachbücher und Belletristik. Wie Jade S. Kye in ihrem Text „Broken Earth. Eine Schwarze Perspektive auf die Phantastik“ geschrieben hat, bietet sich besonders die Phantastik an, die Möglichkeitsräume des diversen Erzählens auszuloten. Klar gibt es dort, wo progressive Akteur*innen – Autor*innen, Verleger*innen, Journalist*innen, Blogger*innen, Rezensent*innen – neue Wege beschreiten, immer auch Gegenwehr. Da wird dann gern mal gegen Frauen und Non-Binäre in der Science Fiction Front gemacht. Oder man erklärt olle, vor Rassismus und anderen Ismen triefende Schmöker aus dem letzten Jahrhundert zum heiligen Gral – und reagiert auf jede berechtigte Kritik mit einem wutentbrannten Shitstorm. Auch die Diskussionen, ob man Werk und Autor*in voneinander trennen kann, werden regelmäßig geführt. Alles, um den Status quo zu halten und nicht realisieren zu müssen, dass die prägenden, positiv besetzten Leseerlebnisse der Vergangenheit von Rassismus und anderen Arten der Menschenfeindlichkeit durchdrungen waren.
Schwarze, queere Elfen und Amazonen, wie sie z.B. James A. Sullivan und Nora Bendzko in ihren Werken gezeichnet haben, scheinen diese Menschen ernsthaft zu triggern. Doch das sollte uns nicht aufhalten. Im Gegenteil: Egal ob Verlags- oder Hybridautor*innen oder Selfpublisher*innen, wir alle sind gefordert, die Diversität, die wir in unserem Alltag wahrnehmen, in unsere Geschichten einzuweben.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das nicht einfach ist, besonders, wenn man von seinen Werken leben möchte. Zu viele privilegierte Personen, die nicht im Thema sind, entscheiden mit, was veröffentlicht wird und was nicht. Viele Entscheider*innen, die eigentlich für die Sache sind, lehnen ein „Zuviel“ an Diversität ab, denn sie haben noch immer ihre weiße, nicht-gebildete und leider oft auch ignorante Zielgruppe im Sinn. Das vorsichtig formulierte Feedback lautet dann gern: Die Story ist zu überfrachtet, man solle sich besser nur auf ein Thema konzentrieren, das Figurenensemble wirke zu konstruiert (was nichts anderes heißt als zu wenige weiße Figuren) oder auch ganz direkt: „Das können unsere Vertriebler nicht verkaufen.“