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Noch ein Zwergenbier? Der allgegenwärtige Alkohol in der Phantastik

Der allgegenwärtige Alkohol in der Phantastik. Szene aus dem Trailer zur Serie "Bodies". Rechts sitzt die Ermittlerin aus der Zukunfts-Handlung auf einer Couch, links von ihr ihre Nachbarin,  mit einem Glas Alkohol in der rechten Hand, bereit anzustoßen.
© Netflix

Lena Richter, 26.01.2024

Welche Rolle spielt eigentlich Alkohol in der Phantastik? Anscheinend eine ziemlich große, wie Lena Richter zu berichten weiß. Denn er ist dort allgegenwärtig. Kaum ein Buch, kaum ein Film oder eine Serie ohne berauschende Getränke. Selbst in utopisch anmutenden Zukunftsszenarien.

Corellianischer Brandy, Pangalaktischer Donnergurgler, Alter Wingert – wenn wir aufgefordert werden, einige fiktive Getränke aus der Phantastik zu nennen, fällt den meisten von uns vermutlich etwas ein. Zum Setting passende Drinks sind ebenso ein nützliches und oft verwendetes Weltenbau-Werkzeug wie auch Teil von Themenpartys, die phantastische Welten feiern und für einen Abend in unsere Realität holen wollen. Bis auf ziemlich wenige Ausnahmen haben die Getränke eins gemeinsam: Es ist Alkohol drin.

Alkoholkonsum ist eines dieser Dinge, die in unserer Gesellschaft so fest verankert sind, dass sich das Abweichen davon für viele Menschen seltsam anfühlt, ein weiterer Baustein der ungeschriebenen Vorstellung von Normalität, die sich über Jahrhunderte etabliert hat. Das wissen alle, die aus welchem Grund auch immer bei einem gesellschaftlichen Beisammensein lieber Cola, Saft oder Wasser trinken und dann genötigt werden, dies zu erklären oder zu begründen. Und wie so viele andere Dinge findet sich diese Normalitätsvorstellung auch in einem erschlagenden Großteil unserer (phantastischen) Geschichten wieder. Schon im Gilgamesch-Epos wird Bier serviert, und in den letzten Jahrtausenden haben viele weitere alkoholische Getränke ihre Rolle unseren Geschichten gespielt.

Nun fragt ihr euch vielleicht, was will Lena jetzt schon wieder, soll jetzt auch das noch infrage gestellt werden, war die Kritik an Kapitalismus, Ableismus, Patriarchat, Rassismus und Heteronormativität denn noch nicht genug? Aber so ist das mit dem Nachdenken über Traditionen und Erzählungen, wenn man einmal angefangen hat, hört man gar nicht wieder auf. Und gerade weil Alkohol für so viele Menschen untrennbar mit Zivilisation und gesellschaftlichen Traditionen verknüpft ist, finde ich es interessant, auch über diesen Aspekt mal nachzudenken. Zumal er nicht wie andere zivilisatorische Errungenschaften wie sauberes Wasser, Kleidung oder dergleichen im Grunde gut und hilfreich ist, sondern inzwischen ziemlich klar ist, dass es eigentlich am besten wäre, keinen Alkohol zu trinken. Trotzdem halten wir daran fest, in der Realität und eben auch in unseren Erzählungen. Im Weltenbau dient Alkohol uns als vertraut-fremdes Element, wir können alkoholische Getränke genauso gut benutzen wie Essen, Kleidung oder Musik, um schnell und prägnant eine Vorstellung von einem Setting zu vermitteln.

Huch, die Normalität – Eine Selbsterkenntnis

Anfang 2023 las ich Mary Robinette Kowals The Spare Man, eine Detektivgeschichte auf einem Luxus-Raumschiff. Dort sind die Kapitel alle nach Cocktails benannt, was sehr cool und passend ist, und entsprechend wird auch im Buch Alkohol konsumiert. Fast jede Interaktion beinhaltet, dass alkoholische Getränke gereicht werden, an einer Stelle wird der leicht snobbige Alkoholkonsum der Hauptfiguren sogar plotrelevant. Im Austausch mit anderen Personen, die das Buch gelesen hatten, ging es auch um den Alkoholkonsum, denn ich habe mir beim Lesen mehrfach gedacht: Das ist alles ganz schön viel, was die da trinken. Selbst im angeschlagenen Zustand oder nach viel zu wenig Schlaf. Nun will ich gar nicht das Buch kritisieren, denn erstens beinhalten die Cocktail-Kapiteleinleitungen auch alkoholfreie Versionen, zweitens gibt es im Nachwort extra eine halbe Seite dazu, dass der Spaß am Cocktails mixen auch ohne Alkohol möglich ist und bitte niemand je zum Alkoholkonsum gedrängt werden sollte, und drittens passt all das Cocktailtrinken bei einem Detektivfall auf einem Luxus(raum)schiff einfach total gut ins Setting. 

Wie es aber der Zufall so will, las ich die ersten Kapitel von The Spare Man, während ich gerade noch mal die Druckfahne meiner Novelle durchging. Und mir fiel auf: Huch, auch da wird ziemlich oft Alkohol konsumiert. Mit weit weniger Zelebrieren und eher als beiläufige Erwähnung, aber der Inhaltshinweis Alkohol findet sich vor fast jedem Kapitel. Der Alkohol spielt keine entscheidende Rolle, aber es gibt sie, die Szenen, in der die Hauptfigur in einer verzweifelten Situation in einer Bar Schnaps hinunterkippt, oder in der eine Flasche besonders teurer Alkohol als Bestechung dient. Nun mag man denken, das sei vielleicht der eigenen Lebensrealität entsprungen, aber das ist nicht der Fall. Es ist nämlich so, dass ich aus gesundheitlichen Gründen eigentlich keinen Alkohol trinke. (Uneigentlich nippe ich einmal im Jahr an einem alkoholischen Getränk, kriege sofort Migräne davon und lasse es wieder bleiben.) Und es ist weiterhin so, dass mir die Allgegenwärtigkeit von Alkoholkonsum und die Verharmlosung von Alkoholismus immer wieder auffällt, denn wer nicht trinkt, kennt ja die Fragen, das Ablehnen-müssen, das Die-einzige-Person-mit-anderer-Flasche-sein. Wobei ich zum Glück ganz selten in die Situation komme, weil meine Freund*innen entweder selber nicht oder wenig trinken oder einfach total unkompliziert damit umgehen, dass ich keinen Alkohol trinke.

Ich habe den Alkohol also nicht in meine Novelle geschrieben, weil es Teil meines Alltags wäre oder weil ich Alkoholkonsum unkritisch sehe. Und auch wenn ich es mir selbst im Nachhinein damit schönreden kann, dass die ziemlich cyberpunk-kapitalistische Galaxis, in der das Ganze spielt, ganz bestimmt dafür sorgen würde, dass es weiter legale Rauschmittel gibt, muss ich doch eigentlich gestehen: Ich habe das da reingeschrieben, weil es für mich „normal“ ist. In einer Kneipenszene muss es Alkohol geben, den Weltenbau veranschaulicht man gut mit der Beschreibung von Schnaps und Likör, und in emotionalem Aufruhr setzt man sich eben an den Tresen und haut sich drei Gläser Hochprozentigen rein.

Und das ist auch alles gar nicht weiter schlimm, aber im Sinne der Progressiven Phantastik finde ich es immer sehr interessant, Erzähltraditionen zu hinterfragen und die vermeintliche Normalität mal etwas genauer zu beleuchten. Und stellte daher mit amüsiertem Interesse fest: Hey, da ist mir doch glatt eine Komponente im Weltenbau durch die Lappen gegangen. Eine weitere Default-Einstellung, über die man nachdenken kann.

Alkohol: Zivilisationsstiftend mit zerstörerischem Potenzial

Es ist nicht so, dass Alkohol das einzige Sucht- und Genussmittel wäre, das kulturell akzeptiert und gesellschaftlich verankert ist, obwohl es nicht sonderlich gesund ist. Koffein ist ein weiteres, ebenso Zucker. Doch während es sicher bei beidem nicht gesund ist, zu viel davon zu sich zu nehmen und ein Übermaß an zuckerhaltigen Lebensmitteln auch gesundheitliche Probleme verursachen kann, sind diese meist besser umkehrbar. Und: Im Sahnetortenrausch werden meines Wissens wenig Leute überfahren oder verprügelt. Bei Alkohol waren es im Jahr 2022 etwas über 38.000 Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss, bei denen insgesamt etwa 20.000 Personen verletzt wurden. Etwa jeden zweiten Tag stirbt eine Person im Straßenverkehr unter Beteiligung von Alkoholkonsum. Hinzu kommt der Einfluss von Alkohol auf Straftaten wie Körperverletzung, Sachbeschädigung oder sexualisierte Gewalt.

Es gibt keine verlässlichen Erhebungen darüber, wie hoch die Kosten sind, die jedes Jahr durch die externen Betroffenen von Alkoholkonsum und Alkoholsucht anfallen (Behandlungskosten von verletzten oder psychisch mitgenommenen Personen, Sachbeschädigung, Polizeieinsätze, Versicherungsleistungen, usw.) Es gibt aber Zahlen für die jährlichen Kosten, den Alkohol bei denen verursacht, die unter Alkoholeinfluss selbst leiden (sei es durch Sucht und deren Behandlung oder z. B. auch durch Verletzungen im alkoholisierten Zustand und allen Folgen davon): 57 Milliarden Euro. Pro Jahr sterben etwa 40.000 Menschen frühzeitig an den direkten und indirekten Folgen von Alkohol.

Nun geht es mir hier gar nicht darum, einen kompletten Verzicht auf Alkohol zu fordern oder diejenigen unter den Lesenden zu beschämen, die gern welchen trinken. Und schon gar nicht um irgendwelche neoliberalen oder sozialdarwinistischen Forderungen in Richtung „dann sollen die mal ihre Behandlung selbst zahlen“. Das ist einer solidarischen Gesellschaft weder würdig noch bezüglich einer Suchterkrankung irgendwie angemessen. Aber ein wenig seltsam ist es schon, dass wir als Gesellschaft so dermaßen hartnäckig an Dingen festhalten, die so viel Schaden anrichten.

Rein evolutionär können wir wenig für unsere Freude am Rausch. Schon im Tierreich kann man beobachten, wie Affen oder Vögel vergorene Früchte vertilgen und sich danach ziemlich lustig benehmen. Es gibt auch die Erkenntnis, dass manche Affenarten durch eine Mutation Alkohol leichter abbauen konnten, was ihnen evolutionär einen Vorteil brachte (weil sie nicht nach einer vergorenen Frucht völlig volltrunken von Raubtieren gefressen wurden). Und während andere Genuss- und Rauschmittel kulturell sehr unterschiedlich sind und sich erst durch Handel und Kolonialisierung verbreiteten, wie Tabak, Opium, Kaffee und Tee, Marihuana etc., finden sich in fast allen menschlichen Kulturen alkoholische Getränke, so simpel sie auch sein mögen.

Es ist ja auch logisch: Alkohol ist leicht herzustellen oder fällt sogar ganz natürlich an, hält sich lange und berauscht. Es gibt sogar einige Wissenschaftler*innen, die das Sesshaftwerden der Menschheit mit dem Brauen von Alkohol mittels Hefepilzen in Verbindung bringen. Gerade in Zeiten, in denen Infektionen schnell zum Tod führten und an Kanalisation noch nicht einmal zu denken war, brachten fermentierte Getränke, die Bakterien abtöteten, einen zivilisatorischen Vorteil. Tatsächlich ist es also gar nicht verwunderlich, dass Alkohol und menschliche Siedlungsgeschichte derart eng miteinander verknüpft sind. Übrigens auch beim oben schon erwähnten Gilgamesch-Epos, bei dem Brot und Bier benutzt werden, um dem bisher nur menschenähnlichen Enkidu bei seiner Menschwerdung und dem Einfinden in die Zivilisation zu helfen.

Aber, bei allem Verständnis, so aus einer geschichtenerzählenden Perspektive: Wir haben rein instinktiv auch ziemlich viel Bock, Leuten aufs Maul zu hauen, die uns nerven, und hatten lange auch zivilisatorischen Vorteil durch körperliche Gewalt, mit der anderen Leuten Dinge weggenommen wurden. Da haben wir aber in den letzten paar Tausend Jahren doch mal dran gearbeitet, gesamtgesellschaftlich gesehen. Und auch erzählerisch wurde Gewalttätigkeit immer und immer wieder thematisiert. Wie viel Gewalt dürfen Protagonist*innen ausüben, damit sie noch sympathisch sind? Kann es komplett pazifistische Völker geben? Sind einmal geschehene Gewaltausbrüche etwas, das man wieder gutmachen kann? Funktioniert gewaltloser Protest? Mit solchen Fragen setzen sich Schreibende seit Jahrhunderten auseinander. Aber die Welten, in denen wir ganz utopisch eine Droge abgeschafft haben, die nach aktuellem Stand der Wissenschaft wirklich nicht gut für Menschen ist, Gewalttätigkeit fördert und teure Sicherheitsmaßnahmen nötig macht? Die sucht man doch einigermaßen vergebens.

Beim Rauchen ist diese erzählerische Abkehr interessanterweise passiert, gerade im Bereich Filme und Serien. Während früher selbstverständlich geraucht wurde und Zigaretten für manche besonders coole Figuren dazugehörten, ist das inzwischen weit weniger üblich. Rauchen ist weniger allgegenwärtig, sondern wird teilweise dazu benutzt, um die Figuren zu charakterisieren, beispielsweise als gestresst oder unsicher. Das hat sicher auch damit zu tun, dass durch Rauchverbote im öffentlichen Raum auch in der Realität weniger Leute (sichtbar) rauchen und man sich inzwischen kaum noch vorstellen kann, wie man früher selbst in geschlossenen Räumen im Restaurant mit Pech von den Nebensitzenden das Essen mit stinkendem Qualm ruiniert bekam.

In manchen neueren Science-Fiction-Romanen sind auch Fleisch- oder Milchkonsum oder generell das Halten von Nutztieren als etwas dargestellt, dass die Menschheit überwunden hat, beispielsweise im Roman The Terraformers von Annalee Newitz. Alkohol hingegen ist allgegenwärtig und ihn zu trinken ist per se erstmal überhaupt nicht mit einer Charakterisierung verknüpft. Das passiert erst, wenn eine Figur völlig über die Maßen trinkt und dabei die Kontrolle verliert, oder wenn eine Suchterkrankung dargestellt wird. Oder wenn eine Figur auf einmal schwanger ist, es noch nicht erzählen will und auf Partys humoristisch all ihre Drinks in Blumentöpfe schütten oder an Verbündete verteilen muss, die sie schnell austrinken, denn in einer Welt, in der Alkohol allgegenwärtig ist, gibt es natürlich keinen anderen Grund, auf einer Party keinen zu trinken. Das Bier in der Kneipe, der Wein zum Festgelage, der Whisky, mit dem der gelöste Fall oder die abgewendete Katastrophe begossen wird – wenn man erstmal drauf achtet, findet man Alkohol in fast allen Filmen, Serien oder Büchern.

Phantastische Welten ohne Alkohol?

Nun würde ich gerne mal wieder Medien vorstellen, die es anders machen – allein, ich habe keine gefunden. Schon die Google-Suche zum Thema zeigt, wie schwer man um Alkohol herumkommt.  Meine Suchergebnisse nach phantastischen Werken oder Welten ohne Alkohol endete meist in diversen Listen mit den besten fiktiven Bars und Rezepten für irdische Versionen von Phantastik-Drinks.

Eins der wenigen bekannten Settings, das eine Alternative anbietet, ist das Universum von Star Trek – dort gibt es das sogenannte Synthehol: Eine Substanz, mit der alkoholartige Getränke hergestellt werden können, die genauso schmecken und ebenfalls eine berauschende Wirkung haben, die aber nicht die Reaktionsgeschwindigkeit einschränken oder negative Folgen für die Gesundheit haben. Skurrilerweise existiert diese Art von Getränken aber neben den herkömmlichen alkoholischen und die Einschränkungen, nur die syntheholhaltigen zu trinken, gilt vor allem für Star Fleet-Crewmitglieder. Müsste nicht das Getränk, das genauso schmeckt und auch eine gewisse berauschende Wirkung ohne die negativen gesundheitlichen Auswirkungen hat, den herkömmlichen Alkohol längst ersetzt haben? Hat das Festhalten an den alkoholischen Getränken vielleicht auch etwas mit Status oder Gewohnheit zu tun? Diese Fragen hat das Star Trek-Universum bislang noch nicht beleuchtet.

In manchen Space Operas wird Alkohol auch noch mal in der Form eingebaut, dass verschiedene Spezies ihn (und andere Rauschmittel) verschieden gut vertragen. Aber sonst? Ich konnte nichts dazu finden.

Auch Darstellung von Figuren, die keinen Alkohol trinken, lässt sich an einer Hand abzählen: Sie sind „im Dienst“, trockene Alkoholiker*innen, oder schwanger. Wenn es keins von den dreien ist, ist Abstinenz oft mit Religion verknüpft. In der Zeitreise-Superheld*innen-Serie Legends of Tomorrow gibt es im Verlauf der Staffeln zwei muslimische Held*innen, die keinen Alkohol trinken (und sich einmal auch darüber streiten, ob ein Schluck im Rahmen eines hilfreichen Rituals okay wäre oder nicht). Auch die neulich erschienene Serie Bodies (ebenfalls eine Comic-Verfilmung) hat eine muslimische Hauptfigur, die in der Kneipe Cola oder Limo vor sich stehen hat. Und das freut mich auch auf jeden Fall, weil es immer noch viel zu wenig muslimische Figuren in der Phantastik gibt! Außerhalb der vorgenannten Gründe für Abstinenz sind mir aber eigentlich keine Figuren eingefallen, die „einfach so“ keinen Alkohol trinken.

Erzählerische Überlegungen

Wie könnten wir nun also erzählerisch und gerade in der Phantastik mit dem Thema Alkohol umgehen? Mir würde dazu einfallen, dass es z. B. sehr viel mehr Figuren geben könnte, die einfach keinen Alkohol trinken, ohne einen der oben genannten Gründe. Wir könnten uns als Phantastik-Autor*innen tolle alkoholfreie Getränke ausdenken, mit denen wir Weltenbau vorantreiben und die genauso cool sind und Lust darauf machen, sie daheim nachzubasteln wie ihre alkoholischen Pendants. Auch die Gründe für das Verlangen nach berauschenden Substanzen sind Stellschrauben, die man beleuchten kann. Wie viel ist tatsächlich instinktiv, wie viel gesellschaftliche Prägung, wie viel Kompensation von belastenden Lebensumständen? Oder wir könnten in Richtung des StarTrek’schen Synthehol denken und Getränke entwerfen, die tatsächlich nur gut schmecken und eine Art Rausch auslösen, der aber vielleicht auf Knopfdruck abgeschaltet werden kann und/oder keine gesundheitlichen Schäden hinterlässt. Die Suche nach einer solchen Substanz wäre vielleicht schon Stoff für einen Cyberpunk- oder Near Future-Roman.

Dass wir im Weltenbau nicht unbedingt mit Settings weiterkommen, die Alkohol oder andere Rauschmittel komplett verbieten, hat die Realität gezeigt. Alkoholverbote führten und führen meist zu illegalem Handel damit, zu selbstgebrauten und teilweise gefährlichen Getränken oder zu halblegalen Methoden wie Ärzt*innen, die Reinalkohol aus „medizinischen Gründen“ verschreiben. Ein Verzicht auf Alkohol müsste also eher freiwillig und gesamtgesellschaftlich erfolgen. Zum Teil scheint das schon zu passieren: Aktuell steigt in Deutschland jedes Jahr der Absatz an alkoholfreiem Bier, während der von alkoholhaltigem sinkt. Alkoholfreie Alternativen von beliebten Spirituosen wie Gin oder Rum werden verbreiteter und man findet inzwischen in mehr Restaurants alkoholfreie Varianten von Cocktails oder Aperitifs. Warum also nicht diese Entwicklung erzählerisch weiterspinnen und vielleicht eine gar nicht so entferne Zukunft entwerfen, in der die Auswahl an alkoholfreien Getränken auf der Speisekarte so dominant ist wie heute das Gegenteil?

Über das Vorhandensein von Alkoholkonsum genauso nachzudenken wie über andere als unvermeidliche Eckpfeiler der Gesellschaft geltende Konzepte, kann meiner Meinung nach also ein weiterer Baustein sein, mit dem wir progressiv denken und die Traditionen hinterfragen, die sich vielleicht überholt haben (sollten).

Lena Richter

Lena Richter ist Autorin, Lektorin und Übersetzerin mit Schwerpunkt Phantastik und veröffentlichte Kurzgeschichten, Essays und Artikel. Lena ist eine der Herausgeber*innen des Phantastik-Zines Queer*Welten und spricht gemeinsam mit Judith Vogt einmal im Monat im Genderswapped Podcast über Rollenspiel und Medien aus queerfeministischer Perspektive. Im Februar 2023 erschien ihre Science-Fiction-Novelle Dies ist mein letztes Lied im Verlag ohneohren. Mehr zu ihr findet ihr auf ihrer Website lenarichter.com oder auf Twitter unter @Catrinity.

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