Otherland, 02.02.2023
Jeden Monat gibt euch das Team der Berliner Fantasy- und Science-Fiction-Buchhandlung Otherland Tipps zu den interessantesten neuen Büchern aller Verlage.
Otherland, 02.02.2023
Jeden Monat gibt euch das Team der Berliner Fantasy- und Science-Fiction-Buchhandlung Otherland Tipps zu den interessantesten neuen Büchern aller Verlage.
Endlich! Im Englischen sind schon drei Bände Lady-Astronaut-Reihe erschienen, Teil vier ist mit dem Titel The Martian Contingency für 2023 angekündigt (die Originalausgaben bekommt ihr natürlich auch im Otherland).
Im zweiten Teil der Saga befinden wir uns noch immer im Jahr 1961 und Elma York macht Shutteldienst zwischen der neu errichteten Mondbasis und der Erde. Ziel ist weiterhin der Mars, und die Expedition wird bereits vorbereitet, mit einer Mannschaft aus Männern. Doch das Raumschiff braucht einen menschlichen Computer, denn die nichtmenschlichen sind nicht zuverlässig genug und die einzigen menschlichen Computer sind weiblich.
Oh yeah, Mary Robinette Kowal holt sich die weibliche Seite der Raumfahrt, der Science Fiction und der Wissenschaft mit einer Leichtigkeit zurück, die Gänsehaut verursacht. Männer, so geht’s! Wie anders wäre unsere Welt! [Wolf]
Andreas Brandhorst ist ohne Zweifel einer der produktivsten deutschen Science-Fiction-Autoren - gefühlt jedes halbe Jahr kommt ein Science-Fiction-Knaller aus seiner Hand in unsere Otherland-Regale.
Grade erschienen: Ruf der Unendlichkeit aus seinem Omni-Universum, in dem der letzte Mensch im Auftrag einer Superzivilisation über das Kulturgut nicht so weit entwickelter Zivilisationen in der Galaxis wacht. Bis er bei einer Mission alle bisherigen Antworten auf die Frage, warum die Menschheit untergegangen ist, in Frage stellen muss. Übrigens kann man Ruf der Unendlichkeit auch lesen, ohne die beiden Vorgänger Omni und Das Arkonadia-Rätsel gelesen zu haben.
Wird vom Verlag als Science-Fiction-Roman vermarktet, liest sich aber wie Fantasy. Wir haben es mit einer Welt zu tun, die stehen geblieben ist, eine Seite für immer der Sonne zugekehrt, die andere der ewigen Nacht. Nur auf einem schmalen Gürtel, genau zwischen Tag und Nacht, ist Leben möglich.
Zwei rivalisierende Prinzen, ein Mädchen vom Lande mit einer besonderen Beziehung zu Riesenfledermäusen und ein Dieb, der sich auf der Flucht mit einer lebendigen Bronzestatue wiederfindet, sind die Figuren, denen wir folgen. Folgen im wahrsten Sinne; wer auf Questen steht, kommt hier voll auf seine Kosten! Rollins, im früheren Beruf Veterinärmediziner (noch vor Thriller-Autor) wirft unseren Helden alles an fantastischer Flora und Fauna zwischen die Beine, was er sich als Hindernis nur ausdenken kann. Doch nicht alle Tiere kommen als Feindmonster daher, die oben erwähnten Fledermäuse nehmen in sehr viel interessanterer Weise Einfluss aufs Geschehen.
Richtig gut gefallen hat mir ein bei Meister Lovecraft entlehnter Gänsehaut erzeugender Glaube an uralte böse Götter, mitsamt Schriftrollen und Kellergewölben und gefährlichen Artefakten, und ein an Elric von Melniboné gemahnendes schwarzes Imperium, in dessen Kellern gefoltert und gequält wird, wo mächtige Kriegsmaschinen aus Bronze und Fleisch zusammengeschraubt werden. Klingt jetzt alles düsterer, als es ist. Erddämmerung zu lesen ist ein Abenteuer! Und ein Auftakt zu Größerem: Rollins benutzt ähnlich wie Daniel Abraham seine ersten Teile zum Kennenlernen, zum Aufwärmen, man kann gespannt sein, wie es weiter geht. [Caro]
Die legendäre riesige Bibliothek von Alexandria ist nicht etwa abgebrannt – nein, vielmehr wurde sie zum Schutz ihres magischen Inhaltes woandershin verpflanzt und das gleich mehrfach, nur keine Wurzeln schlagen. Sie ist das Zentrum der Alexandrinischen Geheimgesellschaft, deren Mitglied unser titelgebender Atlas Blakely ist (ich stell ihn mir als eine Mischung von Robert Downey Jr. und Mickey Stone aus der Serie „Hustle“ vor, falls es so etwas geben kann).
Atlas bleibt geheimnisumwoben, wir bekommen es in erster Linie mit seinen Sechsen zu tun: Sechs starke junge Magier, die auf ihrem Gebiet als die Besten gelten. Sie alle bekommen eine Einladung, das umwerfende Angebot der berühmtesten Bücherei der Welt zu nutzen und danach in sagenhafte Karrieren zu starten. Natürlich gibt es einen Haken an der Sache, den ich hier, anders als es der Klappentext tut, nicht spoilern werde. Die verschiedenen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften von Libby, Nicolas, Tristan, Reina, Parisa und Callum sorgen für eine beeindruckende Dynamik. Die Beschreibung der Freund- und Feindschaften, die sich hier bilden und wieder entknüpfen, driften nicht, wie im Vorfeld von mir befürchtet, ins emotional Klebrige oder in nie endende gefühlige Selbstumkreisungen. Ebenfalls beeindruckt haben mich die vielen Gedanken zu Magie und eine Umsetzung der häufig gemachten Beobachtung, dass sehr weit entwickelte Technik wie Magie wirkt. Und tatsächlich wird hier auf Quantenebene an der Wirklichkeit herummanipuliert, spielen Zeit und Raum und Traumebenen eine Rolle, wird die menschliche Psyche dort gepackt, wo sie am empfindlichsten ist. Richtig schön auch die Nebenfiguren oder Anhängsel (Vater, Schwester, Mitbewohner), die für sich gesehen interessant sind, aber auch Einfluss darauf haben, wie die Hauptfiguren sind und handeln. Das Big Picture, das, was Atlas eigentlich im Großen vorhat, bleibt in diesem ersten Teil sehr vage und ich bin etwas skeptisch, dass der zweite Teil für dieses Problem eine richtig gute Lösung finden wird (was macht man mit Magiern, die so mächtig sind, dass sie z. B. Wurmlöcher erzeugen können? Was macht man NICHT?). Hier hat sich Blake die Latte selbst sehr hochgelegt. Sollte sie an der Stelle scheitern, gibt’s nen Punkt Abzug, aber alles andere ist schon sehr, sehr gut. [Caro]
Jetzt ist es endlich passiert: Der Blanvalet Verlag gibt Harry Dresden ein neues zu Hause! In neuem Look kommt (hoffentlich) die gesamte Serie heraus. Band 1 und 2 gibt es jetzt schon, Band 3 bis 11 sind für die nächsten Monate angekündigt.
Wer sich noch nicht an Dresden probiert hat – er ist nicht ganz ohne Ecken und Kanten. Man muss das Noir-Genre mögen, mit dessen Tropen die Serie immer wieder spielt. Die Nebenfiguren wirken am Anfang etwas kantig, gewinnen im Laufe der Reihe aber immer mehr an Substanz und sind bald nicht mehr wegzudenken. Und Harry selber? Ich fand ihn von Anfang an cool, mit seinem sprechenden, pornoverliebten Dämonen-Totenkopf, seinen Freunden und Feinden, seinen großen und kleinen magischen Prozeduren, die mal mehr mal weniger gut funktionieren. Hanebüchene Momente, bei denen er schon wieder nackt auf irgendeiner Kreuzung von Chicago strandet, werden grunzend in Kauf genommen, haha. Die einhellige Meinung ist, dass die Serie in ihrem Verlauf immer besser wird. Habe ich beim Lesen nicht so empfunden, aber das lag wohl an den Pausen zwischen den Büchern. Vor kurzem nochmal Teil 1 und 2 reingezogen, und ja, ich kann schon verstehen, was gemeint ist. Wer mit der dunkleren und dreckigeren Seite von Urban Fantasy liebäugelt, wird an Harry Dresden nicht vorbeikommen! [Caro]