Fantasy

Liebe, Sex und Magie: Trends in der Romantasy

Liebe, Sex und Magie: Trends in der Romantasy
© Heyne

Judith Madera, 25.11.2022

Judith Madera wirft einen Blick auf die aktuellen Trends in der Romantasy, erklärt, was es mit dem Genre auf sich hat, bietet aber auch einen Exkurs in die Science-Fiction-Romance, spricht problematische Inhalte an und prognostiziert, wie es mit diesen Subgenres weitergehen könnte.

Alles kommt wieder – das gilt auch in der Phantastik, in der verschiedene Themen regelmäßig wiederkehren, auch wenn die Wellen mit der Zeit abflachen. Auf den Fantasyboom nach der Jahrtausendwende, der unter anderem eine Vielzahl von Völkerfantasy-Romanen hervorbrachte, folgte eine Flut von phantastischen Liebesgeschichten, in denen vor allem Vampire, Gestaltwandler und Engel die Love Interests der Protagonistinnen waren. In dieser Flut fanden sich allerhand romantisch angehauchte Subgenres der Phantastik, zusammengefasst unter dem Neologismus „Romantasy“, der fortan in den Buchhandlungen die Regalmeter zwischen Fantasy und Science Fiction einnahm. Darunter gab es diverse Fehlplatzierungen wie die „Stadt der Finsternis“-Reihe von Ilona Andrews, die zwar auch eine Lovestory und Erotik bietet, jedoch vor allem futuristische und actiongeladene Urban Fantasy ist. Aus Marketinggründen wurden Urban-Fantasy-Cover oft ähnlich gestaltet wie Romantasytitel und die Abgrenzung war oft schwierig, weil nahezu alles Phantastische mit Liebesgeschichte in die Romantasyschublade gesteckt wurde. 

Nach einigen Jahren flaute der Trend ab, wobei die großen Autorinnen dieser Zeit nach wie vor Romantasy schreiben. Neben neuen Serien bringen auch die alten Bestseller immer noch neue Ableger hervor, wie die Black Dagger-Reihe von J. R. Ward, Midnight Breed von Lara Adrian, Immortals After Dark von Kresley Cole oder die Gilde der Jäger von Nalini Singh. Wer hier einsteigt, ist bei oft mehr als dreißig Bänden für die nächsten Jahre mit Romantasy versorgt. Andere Autorinnen schrieben zwar weiter Romance, aber fortan ohne Vampire und Gestaltwandler, dafür mit Rockstars, reichen Männern und düsteren Studenten. LYX wandelte sich vom Romantasy-Label zum Verlag für Young und New Adult mit pastellfarbenen Regalen auf den Buchmessen. Carlsen hingegen gründete mit Impress ein eigenes Romantasy-Label und auch Kleinverlage wie Drachenmond setzten weiterhin auf phantastische Liebesgeschichten, während der Begriff „Romantasy“ zunehmend enger gefasst wurde und heute vor allem „Romance mit Fantasyelementen“ meint.

Götter, Auserwählte und Hexen

Jüngst erlebt die Romantasy eine kleine Renaissance. Vampire und Gestaltwandler sind nach wie vor begehrt, doch die Riege der magischen Love Interests hat sich stark erweitert und Autor*innen greifen aktuell gern auf verschiedene Mythologien zurück – vor allem auf die griechische Götterwelt, in der jede Menge Konfliktpotential steckt (und Brutalität, die jedoch selten thematisiert wird). A Touch of Darkness von Scarlett St. Clair greift den Persephone-Mythos auf, ebenso wie die Neon Gods-Reihe von Katee Robert, die jedoch auch andere Götterpaare wie Eros und Psyche und vor allem Erotik in den Fokus stellt. In Der verbotene Wunsch – Die vier Göttergaben erschafft Stefanie Hasse ihre eigene Fantasy- und Götterwelt, in der ein mächtiges Geschenk zu Neid und Zwietracht führt, sodass Männer und Frauen fortan getrennt leben. Und auch Elisa Kova setzt in Air Awoken auf eine eigene Fantasywelt mit royalem Setting: Als Kronprinz und Feuerzähmer Aldrik im Krieg verwundet wird, rettet Windläuferin Vhalla ihm das Leben. Doch niemand darf erfahren, dass sie die gefürchtete Luftmagie beherrscht. 

Das Motiv des/der Auserwählten ist in der Fantasy nach wie vor beliebt und auch Romantasyautor*innen greifen gerne darauf zurück. In Blood & Ash, dem Auftakt der Liebe kennt keine Grenzen-Reihe von Jennifer L. Armentrout, ist Protagonistin Poppy von den Göttern auserwählt, den Angriff des Verfluchten Königreichs abzuwenden. Niemand darf mit der Auserwählten sprechen, geschweige denn sie berühren. Poppys Leibwache Hawke macht es ihr jedoch schwer, sich auf ihre Pflicht zu konzentrieren. Ähnlich ergeht es Alessa in This Vicious Grace von Emily Thiede: auch sie ist auserwählt, auch sie soll ihr Volk schützen und auch sie darf niemanden berühren – weil ihre Berührung tödlich endet. Leibwächter Dante überlebt ihre Berührung trotzdem.

Populär sind derzeit auch Hexen: Sowohl in der Dark und Urban Fantasy als auch in der Romantasy geht der Trend zur magischen Protagonistin. Mit ihrer Hexen-Reihe Mona bietet I. B. Zimmermann humorvolle Dark Fantasy, in der der gleichnamigen Protagonistin so manch magisches Missgeschick passiert. Düsterer ist Lynn Ravens Witchghost, wo Protagonistin Cass eigentlich der Hexerei abgeschworen hat, ihre Kräfte (und die Hilfe des attraktiven Luke) jedoch braucht, um mysteriöse Todesfälle aufzuklären. Und in A Curse Unbroken, dem Auftakt der Magic and Moonlight-Reihe von Ivy Kazi, soll die Social-Media-affine Hexe Gemma dem mysteriösen Warren helfen, einen verbotenen Blutfluch zu brechen.

Kleiner Exkurs: Science-Fiction-Romance

In der Science Fiction sind ernsthafte und berührende Liebesgeschichten längst keine Seltenheit mehr, allerdings dominieren sie selten die Handlung. Inzwischen gibt es international jedoch auch immer mehr SF-Romance-Titel, die Romantasy-Klischees bedienen und in der SF-Elemente nur schmückendes Beiwerk sind (Fated Mates of the Sea Sand Warlords von Ursa Dax oder  Xiveri Mates von Elizabeth Stephens). Aktuell erscheinen hierzulande die Ice Planet Barbarians von Ruby Dixon mit spicy Lovestories auf einem Eisplaneten. In Georgie und Vektal trifft die Protagonistin, die von Aliens entführt wurde, auf einen Sa-Khui-Krieger, der mit seiner graublauen Haut wie ein Na’vi mit Hörnern aussieht und einen Gou’uld-ählichen Symbionten in sich trägt, der ihn warmhält – und der anfängt zu schnurren, wenn er die passende Partnerin trifft. Die Ice Planet Barbarians nehmen sich selbst nicht ganz ernst und unterhalten so trotz seichter Handlung bestens. Auch wenn die SF-Romance momentan wächst, ein großer Trend wird wahrscheinlich nicht daraus – dazu ist den meisten Romanceleser*innen Science Fiction (noch) zu speziell. 

Toxische Tropes und wie man es besser macht

Die phantastischen Elemente in der Romantasy mögen heute vielfältiger als vor zehn Jahren sein, doch nach wie vor werden oft toxische Inhalte reproduziert. Zu den jungen Romantasy-Autorinnen gehören oft jene, die in ihrer Jugend von Twilight und Co. begeistert waren und so ist der Love Interest immer noch zu oft ein zwielichtiger Typ mit dunklen Geheimnissen, der permanent Grenzen überschreitet und sich mit zunehmender Vertiefung der Beziehung zum Besseren wandelt – was in der Realität selten bis nie der Fall ist. Trotzdem sind gerade die eher toxischen Romantasy-Romane besonders erfolgreich, vielleicht, weil problematische Beziehungsstrukturen leider immer noch viel zu oft als „normal“ angesehen werden.

Positiv fallen dagegen die Romane auf, die aufgrund ihrer Liebesgeschichten manchmal zur Romantasy gezählt werden, jedoch keine Romantasy sind: Christian Handels Rowan & Ash – Ein Labyrinth aus Schatten und Magie ist klassische High Fantasy, allerdings mit einer bittersüßen, queeren Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Adligen, die ohne toxische Tropes auskommt und reale Probleme queerer Jugendlicher thematisiert. Totenfluch von Jenny Wood ist ein Urban-Fantasy-Krimi mit einem guten Schuss Romance, die die düstere Story mit berührenden Emotionen und sexy Bettszenen aufpeppt. Und auch Shepard of Sins von Martin Gancarczyk sieht auf den ersten Blick nach Romantasy aus, ist aber actionreiche Urban Fantasy mit SF-Elementen, in der Liebe, Freundschaft und Found Family thematisiert werden.

Warum keine neue Romantasy-Flut auf uns zurollt

Seit ihrer enormen Popularität vor über zehn Jahren ist die Romantasy fester Bestandteil der Phantastik. Kommen neue Themen in der Fantasy auf, folgen bald Romance-Versionen wie Black Bird Academy - Töte die Dunkelheit von Stella Black, die auf den Dark-Academia-Hype aufspringt. Gleichzeitig ist die Romantasy-Zielgruppe, die ohnehin sehr heterogen war, zersplittert und viele Leser*innen sind abgewandert. Romance-Leser*innen lassen sich immer wieder auch für Romantasy begeistern, während Fantasyleser*innen, die neben den phantastischen Elementen Romantik und Erotik schätzen, die Romantasy zu seicht finden und inzwischen vielfältige Alternativen haben.

Wo früher die Erotik in der Fantasy oft beiseitegelassen wurde oder negativ mit peinlichen Szenen auffiel, gehört sie heute immer öfter dazu und beschert den Leser*innen kribbelnde und vor allem zutiefst menschliche Momente, die uns die Figuren näher bringen. Liebe und Erotik gehören in der Fantasy inzwischen dazu und Autor*innen bescheren uns gelungene Sexszenen, die einfach ein Element von vielen sind. So ist zum Beispiel Schildmaid – Das Lied der Skaldin von Judith und Christian Vogt vor allem spannende und actionreiche Viking-Age-Fantasy, aber zwischendrin auch romantisch und sexy, während Von Rache und Regen – Regentänzer von Annette Juretzki eisenzeitliche Dark Fantasy mit Horrorelementen ist und gleichzeitig eine mitreißende Enemies-to-Lovers-Story.

Stadt der Finsternis würde heute niemand mehr ins Romantasyregal stellen – dafür können sich Romantasyfans heute darauf verlassen, dass dort, wo Romantasy draufsteht, auch Romantasy drin ist. Und die Auswahl wächst wieder.

Judith Madera

Judith Madera ist Literatopia-Chefredakteurin und Herausgeberin des Online-Fanzines PHANTAST. Seit 2019 schreibt sie gelegentlich für TOR online über Science Fiction, Anime und Manga. Mehr unter www.literatopia.de

Ab 30. November im Handel