Judith Madera, 24.07.2020
Grandiose Bilder, klar, und im Weltraum spielen die Geschichten auch. Aber ist Star Wars überhaupt Science Fiction? Oder Dune? Man kann darüber streiten - oder einfach von Space Fantasy sprechen. Judith Madera mit fünf phantastischen Lektüretipps.
Im Weltraum sind die Grenzen zwischen Science Fiction und Fantasy fließend. Lassen sich futuristische Technologien und außerirdische Spezies halbwegs naturwissenschaftlich erklären, ist es noch Science Fiction, fügt man Magie hinzu, ist es schon (Science) Fantasy. Im Spannungsfeld zwischen dem Möglichen und Unmöglichen vermag Science Fantasy etwas Neues, Originelles zu schaffen, das man so noch nicht gelesen hat und das, obwohl es unrealistisch ist, viel über unsere Realität erzählt.
Wurde Science Fantasy wie Star Wars oder Der Wüstenplanet früher oft als Science Fiction vermarktet, wird für Space Operas mit Fantasyelementen heute offen der Begriff Space Fantasy verwendet. Passender könnte eine Genrebezeichnung kaum sein, denn die fünf Romane, die ich euch in diesem Artikel vorstellen will, vereinen genau das: Die finstere Weite des Alls, fremde Planeten, (dunkle) Magie und Mythen.
Ich bin Gideon | Tamsyn Muir
Gideon Nav hat die Schnauze voll von Knochen, strengen Regeln, grausamen Ritualen und Lügen. Unzählige Male hat sie versucht, ihren verfluchten Heimatplaneten zu verlassen, unzählige Male ist sie gescheitert. Und auch dieses Mal vermasselt ihr Harrowark Nonagesimus, die finstere Nekromantin des Neunten Hauses, die Tour. Eine letzte Chance auf die lang ersehnte Freiheit bleibt Gideon jedoch – wenn sie Harrow als Kavalierin zum Planeten des Ersten begleitet. Dort will die Nekromantin die Lyctorenwürde erlangen, welche ihrem verstaubten Haus die Erneuerung bringen könnte. Gezwungenermaßen arbeiten Gideon und Harrow bei der Erforschung einer unheimlichen Palastruine zusammen. Dabei müssen sie es nicht nur mit den Erb*innen der anderen sieben Häuser aufnehmen, sondern auch mit riesenhaften Skeletten und mysteriösen Todesfällen.
Tamsyn Muir hat 2019 mit dem galaktischen Nekromantenimperium in Gideon the Ninth wahre Begeisterungsstürme ausgelöst. Inzwischen ist ihr für den Hugo Award nominierter Debütroman auf Deutsch erschienen, und auch hier sind die Leser*innen hin und weg von der brutal spannenden, überraschenden und unheimlichen Story. Gideon ist eine herrlich sarkastische, leidenschaftliche Kämpfernatur, die in Harrow einen eiskalten, hochintelligenten Gegenpart hat. Dass Gideon lesbisch ist, blitzt hier und da durch, was den Roman jedoch vor allem auszeichnet sind die gruseligen Geheimnisse, spektakuläre Kampfszenen, bissige Dialoge und der einzigartige Mix aus Space Opera und tiefschwarzer Nekromantenmagie.
Die Krone der Sterne | Kai Meyer
Als eine Dark Space Fantasy könnte man auch Die Krone der Sterne von Kai Meyer bezeichnen. Das galaktische Reich Tiamande wird von einem unheimlichen Hexenorden und seiner Gottkaiserin regiert. Einst vernichteten die Hexen den Maschinenherrscher, doch dessen Gefolge lauert noch immer verborgen unter Staub und Erde. Iniza ist die Prinzessin eines Randplaneten und ausgerechnet ihr ungeborenes Kind soll eine Braut der Gottkaiserin und damit deren Medium sein. Die junge Frau denkt jedoch nicht daran, ihre Tochter den Hexen zu überlassen. Auf ihrer Flucht gewinnt sie Verbündete (u.a. einen legendären Waffenmeister, eine abgebrühte Alleshändlerin und eine Androiden-Muse) und gerät zwischen die Fronten eines intergalaktischen Krieges, in dem Hexen, Maschinen und Freiheitskämpfer gegeneinander antreten.
Die Trilogie konzentriert sich stark auf die Protagonisten, die ständig auf der Flucht sind und für den Schutz ihrer Liebsten die Zukunft ganzer Planeten riskieren. Die Krone der Sterne ist ein düsteres, buntes Universum voll obskurer Kulte, bizarrer Mythen und großer Tragödien. Übrigens erscheint aktuell beim Splitter Verlag eine Comicadaption von Ralf Schlüter und Yann Krehl.
Roma Nova | Judith C. Vogt
„Was wäre, wenn Rom ein Planet wäre, das Mare Nostrum (Mittelmeer) ein Sternenhaufen und andere Länder ebenfalls Planeten?“
Roma Nova von Judith C. Vogt ist eine sehr freie SF-Interpretation des Mythos der Persephone/Proserpina und spielt überwiegend auf dem Planeten Rom, der Schauplatz schmutziger Intrigenspiele und brutaler Arenakämpfe wird. Elemente der Space Opera, Fantasy und antiker Mythen werden hier zu einer originellen Space Fantasy gemischt, in der Gladiatoren göttliche Herzen erhalten und der Hades als Sternensystem mit einem Schwarzen Loch ganze Planeten verschlingt. Während sich die Technologie der Römer weiterentwickelt hat, sind sie gesellschaftlich in der Antike stecken geblieben. Sklavenhaltung und blutige Gladiatorenspiele sind im futuristischen Rom ebenso alltäglich wie mythologische Wesen wie Faune oder Minotauren.
Im Zentrum der Handlung stehen der Arenakämpfer Spartacus und seine Frau Morisa, eine Seherin und missbrauchte Sklavin, die von Dämonen aus dem Hades befreit wird. Sie verhängt einen Fluch über ihren Peiniger und dessen Familie und benutzt den jungen Sklaven Ianos für ihren Racheplan. Als Spartacus von der Befreiung Morisas erfährt, wird er zum Anführer eines Sklavenaufstands, der Rom in seinen Grundfesten erschüttert …