BUCH
Judith Madera, 09.03.2022
Technologie schafft Gelegenheiten – in der Science Fiction sind Kriminelle bestens ausgerüstet, klauen und fälschen Daten, reisen für lukrative Aufträge durch die Galaxie und können selbst in einer Utopie, in der es niemandem an etwas mangelt, nicht die Finger von reizvoller Beute lassen.
Kürzlich haben wir Euch fünf Fantasy-Bücher mit charmanten Dieben vorgestellt, nun widmen wir uns der Science Fiction, wo Kriminelle nicht auf Magie zurückgreifen können, dafür aber auf Raumschiffe, getunte Waffen und den Cyberspace. Die Protagonist*innen sind abgebrühte Kriminelle, die Technologie für ihre Zwecke missbrauchen, manchmal aber auch einen Funken Ehre in sich entdecken und ihre Talente einsetzen, um anderen zu helfen. Fünf SF-Romane mit kriminellen Protagonist*innen, die ihre Runs cool und skrupellos durchziehen, wollen wir Euch in diesem Artikel vorstellen:
Neuromancer | William Gibson
Wer sich mit Cyberpunk beschäftigt, kommt um Neuromancer nicht herum, gilt der Roman doch als Genrebegründer. William Gibson räumte mit seinem Debüt 1984 die größten SF-Preise ab, und auch wenn die futuristische Technologie aus heutiger Sicht teils schon veraltet ist, hat der Roman immer noch viel über unsere Gesellschaft und ihre Abgründe zu sagen. Letztlich ist Neuromancer aber auch einfach eine sehr coole Heist-Story:
Hacker Case ist am absoluten Tiefpunkt, arbeitsunfähig und drogensüchtig, als er unerwartet von Colonel Armitage angeheuert wird. Der spendiert ihm die Restaurierung seines zerstörten Nervensystems, sodass Case wieder in den Cyberspace eintauchen und ins System einer KI einbrechen kann. Leibwächterin Molly passt auf Case auf, vor allem damit er keine Dummheiten macht. Nach diversen virtuellen Runs folgt ein realer Einbruch auf einer Raumstation, wo sich der Zugang zur KI Wintermute befindet. Diese will ihre Beschränkungen loswerden und sich mit ihrem Zwilling vereinen …
Im Tropen Verlag ist kürzlich eine schicke Neuauflage der Trilogie erschienen, die perfekte Gelegenheit also, den Klassiker (wieder) zu lesen! Hier sind die Kriminellen nicht wirklich charmant, aber auf ihre kaputte Art ziemlich cool und menschlich. Wer Gibsons Stil kennenlernen will, dem sei die Kurzgeschichte „Burning Chrome“ dringend empfohlen – sie liest sich fast wie Neuromancer komprimiert auf wenige Seiten, und ist die perfekte Einstiegsdroge.
Die Granden von Pandaros | James A. Sullivan
Den Menschen ist es gelungen, Künstliche Intelligenzen zu erschaffen, die sich selbst weiterentwickeln und neue KIs kreieren. So sind in ferner Zukunft diverse Planeten und Monde unseres Sonnensystems besiedelt, und die gottgleichen KIs wahren den Wohlstand für alle. Allerdings lassen sie auch Schlupflöcher für Kriminelle wie Cosima Amberson und John Glennscaul, beide Bosse von Schattenkonzernen. Sie sind seit Ewigkeiten verfeindet und opfern dieser Feindschaft nahezu alles. Nach einem verheerenden Kampf müssen die beiden zwei Jahre in einem Frachter überleben und gehen geläutert aus dieser Zeit hervor – mehr oder weniger. Kaum sind sie gerettet, wittern sie die Chance auf einen großen Coup und arbeiten zusammen, um ein KI-Modul zu stehlen. Allerdings vertrauen sie einander nicht …
Die Granden von Pandaros ist eine unterhaltsame Space Opera, die von der Interaktion der Charaktere lebt. Hier wird fleißig intrigiert, taktiert und manipuliert, während in den Dialogen die Fetzen fliegen. Cosima und John leben in einem galaktischen Paradies, doch sie können gar nichts anders als zu stehlen und zu betrügen, um immer mehr für sich herauszuschlagen.
Quantum | Hannu Rajaniemi
In ferner Zukunft ist die Erde zerstört und posthumane Zivilisationen teilen das Sonnensystem unter sich auf. Meisterdieb Jean le Flambeur sitzt im Neptun-Orbit in einem virtuellen Gefängnis und kann sich an keinen seiner genialen Coups erinnern. Der taffen Kriegerin Milie gelingt es, le Flambeurs Bewusstsein zu stehlen und in einen realen Körper zu laden – doch die neu gewonnene Freiheit hat natürlich ihren Preis. Milie hilft ihm, seine versteckten Erinnerungen zurückzuholen, damit er richtig funktioniert und im Gegenzug für ihren Auftraggeber etwas stiehlt. In der gigantischen, mobilen Mars-Stadt Oubliette nimmt sich ein junger Detektiv dem Fall le Flambeur an und kommt dabei einer erschreckenden Täuschung auf die Spur.
Physiker Hannu Rajaniemi erzählt in seinem Debütroman eine spritzige Heist-Story als wahnsinnig komplexe Hard-SF mit Quantenpunkten, virtuellen Realitäten und Posthumanismus. Die modernen Technologien erscheinen oft wie Magie, weil die Leser*innen ihre Funktionsweise nur schwer nachvollziehen können. Müssen sie aber auch nicht, denn Quantum ist vor allem ein durchaus anspruchsvoller Thriller, der davon lebt, dass die größten Geheimnisse erst zum Schluss gelüftet werden.