Judith Madera, 08.10.2020
Science Fiction ist ein Spiegel der Zeit, ersinnt bessere und schlechtere Gesellschaften, fremde Kulturen und Technologien, die Wohlstand und Verderben bringen. Doch ganz gleich ob in einer dystopischen Zukunft oder in den Weiten des Alls – erstaunlich selten beschäftigen sich SF-Autor*innen mit einem wichtigen Teil unseres Alltags: Tieren. Ein Überblick von Judith Madera.
In der Fantasy sind phantastische Tiere wie Drachen oder Chimären weit verbreitet. Sie treten als Bedrohung, magische Begleiter oder auch göttliche Wesen auf, sprechen die menschliche Sprache oder kommunizieren in Gedanken. In der Science Fiction hingegen fallen Tiere mehr durch ihre Abwesenheit auf, etwa wenn sie in Katastrophenszenarien ausgestorben sind und sich die menschlichen Protagonist*innen durch apokalyptische, leblose Welten kämpfen. Auch die Crews von Raumschiffen bestehen zu einem überwiegenden Teil aus Menschen sowie humanoiden Aliens und Robotern. Haustiere wie die Katze Spot (Star Trek: The Next Generation) oder der Beagle Porthos (Star Trek: Enterprise) sind eine Seltenheit. Meist bleibt zwischen Weltraumschlachten und Forschungsmissionen keine Zeit für die Pflege eines Tieres. Doch in seltenen Fällen sind Tiere auch von zentraler Bedeutung in der Zukunft.
Elektrische Schafe und Neonvögel
In den frühen 1980ern prägte Blade Runner die düster schillernde Ästhetik des Cyberpunk und war so erfolgreich, dass die Neuauflagen von Philip K. Dicks Romanvorlage Do Androids Dream of Electric Sheep? (1968) ebenfalls den Titel Blade Runner tragen. So genial die Filmadaption ist, so sehr unterscheidet sich die actionlastige Androidenjagd von dem Buch, in dem Tiere etwas ganz Besonderes sind. In Dicks Zukunftsvision hat der 3. Weltkrieg die Erde zugrunde gerichtet. Es gibt kaum noch echte Tiere, entsprechend ist der Besitz und die Pflege eines solchen purer Luxus, der mit höchster Anerkennung verbunden ist. Androidenjäger Rick Deckard träumt davon, sich eines Tages ein echtes Tier kaufen zu können. Bis dahin kümmert er sich liebevoll um ein elektrisches Schaf, einem Meisterwerk der Technik, das von einem echten Schaf kaum zu unterscheiden ist. Die Echtheit eines Tieres anzuzweifeln, gilt als unhöflich, auch wenn eigentlich jeder weiß, dass die meisten Haustiere „elektronische Schaltungen unter einem geschickt geformten Äußeren“ sind.
In düsteren, von Neonlichtern durchflackerten Megastädten haben Tiere selten Platz. Anders in Marie Graßhoffs Neon Birds (2019), wo Cyberpunk auf Solarpunk trifft und die Städte entsprechend grüner sind. Im frühen 21. Jahrhundert bemüht sich die Menschheit darum, Zivilisation und Natur besser in Einklang zu bringen, entsprechend sind Haustiere allgegenwärtig. Neben echten Tieren wie Huhn Gerta gibt es viele mechanische Tiere, die teils herrenlos durch die Straßen streunen. Bedroht wird diese Zukunft von der mächtigen Künstlichen Intelligenz KAMI, die sich mittels Nanocomputern verbreitet und Menschen sowie Tiere in Cyborgs verwandelt – auch Vögel, die durch ihren riesigen Lebensraum eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung von KAMI spielen.
Außerirdische Tiere
Zu einem vielseitigen Ökosystem fremder Planeten gehören natürlich auch Tiere – und der Mensch erschafft Neues, indem er Bekanntes variiert. Es fällt uns schwer, uns Wesen vorzustellen, die wir noch nie gesehen haben. Entsprechend sehen außerirdische Tiere meist irdischen Tieren ähnlich.
Gigantismus ist eine weit verbreitete Variation, die aus irdischen Tieren extraterrestrische macht. Beispiele wären die bis zu mehrere Kilometer langen Sandwürmer des Planeten Dune oder auch die riesenhaften Insekten aus frühen SF-Horrorfilmen wie Formicula (1954). Gigantisch sind auch die urzeitlichen Wesen, die in Videospielen fremde Planeten wie Grand Pulse (Final Fantasy 13) oder Mira (Xenoblade Chronicles X) bevölkern. In Avatar (2010) präsentiert James Cameron urzeitliche Flugsaurier, riesige Raubkatzen und bunte Pferdewesen, die wie die Na’vi spezielle Organe haben, die eine neuronale Verbindung ermöglichen und so die Verbundenheit allen Lebens auf Pandora zeigen. Inspiriert wurde Cameron wohl unter anderem von Alan Dean Fosters Midworld (1975), ein Planet, der vollständig von einem gigantischen Regenwald bedeckt ist, in dem die Tier- und Pflanzenwelt in einzigartigen Symbiosen vereint ist. Die einheimischen Menschen gehen dort eine lebenslange empathische Verbindung mit einem photosynthetischen Tier ein, das Furcot genannt wird.
Das All hält jedoch nicht nur urzeitliche Riesen, sondern auch niedliche Kuriositäten bereit wie die gürteltierartigen Transmutatoren aus Valerian – Die Stadt der tausend Planeten (2019), die, wenn sie mit einer Perle vom Planeten Mül gefüttert werden, Hunderte solcher Perlen ausscheiden. Als putzig und vor allem nützlich kann man auch den Babelfisch aus Per Anhalter durch die Galaxis (1979) bezeichnen: Setzt man ihn sich ins Ohr, verbindet er sich mit dem Gehirn und ermöglicht so das Verstehen fremder Sprachen, was die intergalaktische Kommunikation enorm erleichtert. Die niedlichsten Tieraliens dürften jedoch die Tribbles aus Star Trek: TOS sein. Die etwa handgroßen Fellkugeln vermehren sich millionenfach, da sie bereits schwanger geboren werden. Die Tribbles sind im Star Trek-Universum so populär, dass man sie auch in späteren Serien wie Deep Space 9 und Discovery sieht.