Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann
In den meisten Darstellungen von Cyborgs geht es um das Aufrüsten von Menschen, um daraus Supersoldaten zu machen. Aber in einigen Storys wird auch die negative Seite dieser Medaille angesprochen, wenn nämlich etwas schiefgeht. Der letzte seiner Art z.B. beschreibt einen Cyborg, der keineswegs ein heldenhafter Krieger ist, sondern ein bedauernswertes Versuchskaninchen. Für die damalige Zeit waren die Ideen von Eschbach sehr realistisch gehalten und wirkten gar nicht so futuristisch. Dem Protagonisten des Romans wurden einige Organe entnommen, z.B. der Darm, um Platz für die Hightech-Geräte zu schaffen, die ihn zu einem Supersoldaten machen sollten. Somit konnte er nur noch Spezialnahrung zu sich nehmen. Zudem versagten, wie bei einem alten Auto, regelmäßig seine Systeme. So super war das mit dem Supersoldaten dann also doch nicht.
Aber wie realistisch sind die Ideen der Autor*innen bezogen auf unsere heutige Zeit? Was davon ist heute schon machbar? Könnten wir einen Supermenschen oder Supersoldaten erschaffen? Oder gibt es sie vielleicht schon?
Herzschrittmacher und Defibrillatoren
Prothesen und Implantate sind gängige, fast schon alltägliche medizinische Verfahren, um Menschen mehr Lebensqualität zu verschaffen. Es gibt implantierte künstliche Hüften und Gelenke, die zerstörte Knochen ersetzen. Auch künstliche Sehnen und Bänder können in den menschlichen Körper transplantiert werden. All das könnte sicherlich durch den Einsatz entsprechender Materialien dazu genutzt werden, um das menschliche Skelett widerstands- und leistungsfähiger zu machen.
Die Funktion des Herzens kann durch künstliche Herzklappen, Herzschrittmacher und implantierte Defibrillatoren unterstützt und beeinflusst werden. Unter bestimmten Umständen kann also der Mensch bei einem Herzstillstand automatisch widerbelebt werden. Doch all das lässt noch nicht wirklich das Gefühl aufkommen, dass Menschen mit diesen medizinischen Hilfsmitteln Cyborgs wären, da diese „Ersatzteile“ meist nur einzeln angewendet werden. Sie sollen kranken Menschen helfen, ein möglichst normales Leben zu führen.
Cochlea-Implantate und Retina-Implantate muten da schon viel futuristischer an, denn sie greifen nicht in die Motorik des Menschen ein, sondern in seine Sinne. Ersteres kann taube Menschen wieder hören lassen und zweiteres Blinde sehen lassen. Beim Cochlea-Implantat wird der Hörnerv elektrisch erregt und bei der Steigerung davon – dem Hirnstamm-Implantat – ein Areal im Gehirn. Patienten sind nach intensivem Training in der Lage, wieder zu hören. Retina-Implantate sind Sehprothesen, die durch Microchips und Elektroden, Signale an den Sehnerv weiterleiten, wodurch Patienten wieder sehen können. Dafür werden winzige Chips direkt auf die Netzhaut aufgebracht. Wenn wir uns also einen Cyborg „basteln“ wollten, könnte man diese Implantate sicherlich dazu benutzen, damit der Supermensch Geräusche hören kann, die sehr leise oder weit weg sind. Ebenfalls könnte man sich vorstellen, eine Sehprothese so weit zu modifizieren, dass er im Infrarotbereich sehen könnte.
So richtig futuristisch wird es, wenn man sich die Fortschritte bei gedankengesteuerten Prothesen ansieht. Das entspricht schon sehr genau unserer Vorstellung eines Cyborgs. In Wien wurde eine Armprothese entwickelt, die direkt mit den Nervenbahnen des Patienten gekoppelt ist, der dann den bionischen Arm bewegen kann, als wäre es sein eigener. Auch für Querschnittsgelähmte werden Chips entwickelt, die es ermöglichen sollen, dass die Patient*innen wieder laufen können, indem die unterbrochene Stelle des Rückenmarks mit diesen Leitern überbrückt wird.
Schnittstellen zwischen Mensch und Computer
Noch spannender oder vielleicht auch gruseliger wird es, wenn Menschen Chips implantiert werden und sie somit auf gewisse Weise zu einem Computer mutieren. Schon 2015 gab es Berichte darüber, dass in Schweden Chips in die Hände implantiert werden, um bargeldlos zu zahlen oder Türen zu öffnen. Mittlerweile wird diese Technologie in vielen Staaten angewandt. In Deutschland tragen schon etwa 3500 Menschen einen derartigen Chip unter der Haut. Auch das von Elon Musk vorgestellte Brain-Computer-Interface ein Chip im Gehirn, der die Kommunikation mit Computer ermöglichen soll – mutet an wie aus einem Science-Fiction-Roman. Diese Technik wird jedoch wirklich entwickelt und besteht nicht nur auf dem Reißbrett.
Solange die technische Aufrüstung zur Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität dient, empfinden wir diesen Fortschritt sicherlich als positiv, die Nutzung in der Militärtechnik wird schon kritischer gesehen. Trotzdem kommen wir dem Supersoldaten-Cyborg immer näher. In den USA wird tatsächlich schon seit Jahren an Techniken geforscht, die eben nicht der Lebensqualität kranker oder verletzter Menschen dienen sollen, sondern die Kampffähigkeit von Soldaten verbessern. Mikroskopisch kleine Superimplantate an Nerven sollen Schmerz ausschalten, Blutungen stoppen, Organe wiederbeleben, Ermüdungsgefühle unterdrücken, Vergiftungen durch beschleunigte Leberfunktion bekämpfen, die Herzfrequenz herunterregeln, um beim Schießen besser zu treffen. Ein von Geschossen zerfetzter Soldat soll also in die Lage versetzt werden, wie ein gefühlloser Roboter, einfach weiter kämpfen zu können.
Falls diese Techniken wirklich irgendwann zum Einsatz kommen sollten, befinden wir uns genau in diesen Welten, die in den oben erwähnten Filmen und Büchern beschrieben wurden – auf Bahnen, die die Science-Fiction-Autor*innen ausgelegt haben. Der Mensch verschmilzt mit der Maschine, und das nicht fiktiv, sondern durchaus real. Die Techniken sind vorhanden oder in Entwicklung. Die Frage ist, was wir daraus machen werden.