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Wollen wir ein Spiel spielen? – WarGames (1983)

Wollen wir ein Spiel spielen? – WarGames (1983)

REWATCH

 

Michael Hoh, 01.05.2017

Wie knapp wir in den achtziger Jahren an der nuklearen Katastrophe vorbeigeschrammt sind, kann wohl niemand mehr Bestimmtheit sagen. Fest steht: In WarGames (1983) von John Badham hing das Schicksal der Welt an einem seidenen Faden – oder besser: an ein paar Partien Tic-Tac-Toe.

 

Ob US-Präsident Donald Trump nach der Aufführung des putzigen Animationsstreifens Findet Dorie, dem ersten Film der nach seiner Amtseinführung im Weißen Haus gezeigt worden sein soll, irgendwelche Lehren zog, ist nicht bekannt. Vermutlich hält sich der Einfluss auf seine momentane Innen- und Außenpolitik jedoch in Grenzen. Ganz andere Auswirkungen hatte Hollywood auf einen seiner Vorgänger, den 40. Präsidenten der Vereinigten Staaten, Ronald Reagan. Dieser setzte im Juni 1983, nach einem Screening von WarGames (dt: War Games – Kriegsspiele) auf dem Militärstützpunkt Camp David, eine Welle an Gesetzesänderungen in Gang, die in den USA noch heute weitläufig Anwendung finden.

Die Erkenntnis, dass insbesondere Science-Fiction-Filme unsere Wahrnehmung beeinflussen, ja sogar unserer Realität über kurz oder lang Form geben, ist nicht neu. Man denke nur an den klapprigen Star-Trek-Kommunikator aus den 60ern, der Martin Cooper als Inspiration für den ersten Mobiltelefon-Prototyp gedient haben soll. Dass Filme jedoch politische Diskurse anregen und gar die Gesetzgebung maßgeblich mitgestalten können, ist eher selten. Doch der halb als Thriller, halb als High-School-Komödie konzipierte Film WarGames, für dessen Umsetzung Saturday Night Fever-Regisseur John Badham angeheuert wurde, traf in der Tat mehr als einen Nerv.

So weit, so lausbübisch

Der Film beginnt in den Katakomben des Nordamerikanischen Luft- und Weltraum-Verteidigungskommandos NORAD mit einer Dosis Drama. Nachdem mehrere Offiziere bei Probealarmen dem Frühwarnsystem misstrauten und sich weigerten, den Schlüssel zum Start der Raketen zu drehen, soll der „War Operation Plan Response“-Computer, kurz W.O.P.R. (sprich „Whopper“), diese ablösen. Währenddessen verbringt High-School-Schüler und Computer-Geek David Lightman (gespielt von Matthew „Ferris Bueller“ Broderick) seine Freizeit damit, Arcade-Games zu zocken und seine Freundin Jennifer (Ally Sheedy, Breakfast Club) damit zu beeindrucken, sich mit einem Dial-up-Modem in den Schulcomputer einzuwählen, um die eigenen Noten zu frisieren. So weit, so lausbübisch. Brenzlig wird es erst, als David nicht auf die Veröffentlichung eines Videospiels warten will und sich in den Firmencomputer des Spieleherstellers Protovision einzuwählen versucht. Doch statt Protovision knackt er – wer hätte es gedacht – aus Versehen das W.O.P.R.-Frühwarnsystem. Auf die Aufforderung des selbstlernenden Supercomputers hin, „Wollen wir ein Spiel spielen?“, startet David völlig ahnungslos die Simulation „Globaler thermonuklearer Krieg“. Und diese lässt sich natürlich nicht mehr so einfach stoppen.

Als der Film 1983 in die Kinos kam, gewann nicht nur der Heimcomputer an Popularität, auch der Kalte Krieg erreichte nach der sogenannten Tauwetter-Periode der 70er Jahre einen erneuten Höhepunkt. USA und Sowjetunion verhärteten die Fronten; ein atomarer Weltkrieg schien mehr als plausibel. So brachte die fiktive Darstellung eines Teenie-Hackers, der beinahe einen Atomkrieg auslöst, die Machthaber in Washington kräftig ins Schwitzen und führte zu Gesetzesverschärfungen unter Reagan und dem sogenannten CFAA, kurz für „Counterfeit Access Device and Computer Fraud and Abuse Act“. Man hatte Ehrfurcht vor der unübersichtlichen Welt der Computer, die man nur mit Hilfe von Experten bedienen konnte. Mehr noch: Man traute den Experten und Geeks nicht, die sich durch ihren Wissensvorsprung vermeintlich überall Zugriff verschaffen konnten. Da half auch die Darstellung der liebenswert autistischen Geek-Stereotypen Malvin und Jim nichts, die David letztendlich auf die richtige Spur bringen.

WarGames
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Krieg kennt keine Sieger

Und es stellte sich die Frage: Wer beherrscht da überhaupt wen? Der Mensch die Maschine oder umgekehrt? Und was, wenn Maschinen doch nicht unfehlbar sind? Im Film wird dieser Kampf von zwei Figuren ausgetragen: dem impulsiven, Computern misstrauenden General Beringer (im Deutschen leider etwas zu rational von Herbert „Mr. Spock“ Weicker synchronisiert) und dem technologiehörigen Chef des Rechenzentrums McKittrick. Doch es dauerte nicht lange, bis die Realität die Fiktion einholte. Noch im September desselben Jahres saß Stanislav Petrov vor der rot blinkenden Anzeige, die ihm weiß machen wollte, die USA habe einen Raketenangriff gegen die Sowjets gestartet. Er glaubte dem Frühwarnsystem nicht, dessen Warnung sich im Nachhinein als Fehlalarm herausstellte, und verhinderte so vermutlich, dass der Kalte Krieg in die heiße Phase ging.

Der damals für drei Oscars nominierte Film mag nach 15 Jahren in seiner Machart an der ein oder anderen Stelle antiquiert wirken. Die Moralkeule à la „Krieg kennt keine Sieger“ wird allzu dolle geschwungen, plumpe Hubschrauber-Actionszenen um ihrer selbst willen irritieren, veraltete High-School-Kalauer und Holzhammer-Dialektik bringen einen zum Schmunzeln (selbst einen völlig zusammenhangslosen Kommentar zum Thema Gesundheitswahn konnten sich die Drehbuchschreiber nicht verkneifen: „Das Zeug ist ja roh!“ – „Ist doch fantastisch. So schmeckst du die Vitamine A und D richtig.“). Doch die Fragen, die WarGames letztendlich stellt, die Diskussionen, die der Film anregt, sind keineswegs altbacken. Die kontinuierlichen Enthüllungen von WikiLeaks und Co. machen der politischen Eliten weltweit einen Strich durch die Rechnung. Und selbst etliche Jahre nach Erscheinen von WarGames versuchen internationale Justizministerien die unendlichen Weiten des Cyberspace in effektive Schranken zu weisen – bekanntlich mit mäßigem Erfolg. Eines muss man dem Film wirklich lassen: Er hat nachhaltig die Welt der Cybersphäre geprägt und mit seinem Einfluss auf unsere heutige Popkultur seinen Platz unter den Kult-Klassikern der 80er Jahre redlich verdient.

Seit Jahren wird übrigens spekuliert, ob Kill the Boss-Regisseur Seth Gordon ein Remake von WarGames in die Kinos bringen wird. Aus heutiger Sicht ein spannendes Vorhaben, hat sich die Technologie seit Anfang der 80er um Lichtjahre weiterentwickelt. Ob eine Neuauflage des Kultfilms zu dem Thema noch etwas beisteuern kann, oder ob man es bei dem Original belassen sollte, darüber kann man nur spekulieren. Das US-Verteidigungsministerium noch einmal mit einem Hollywood-Streifen von den Sitzen zu reißen, dürfte jedoch schwer werden.

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Michael Hoh studierte Anglistik, Germanistik und Philosophie in Mannheim und San Francisco. Heute lebt er als freier Übersetzer und Journalist in Berlin, füllt u.a. die Musikseiten des englischsprachigen Stadtmagazins Exberliner und schreibt über Computerspiele für Giga Games.