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Sie sind wieder da (waren sie jemals weg?): Die besten Point-and-Click-Adventures

Die besten Point-and-Click-Adventures
© Daedalic Entertainment

Achim Fehrenbach, 30.06.2017

Eigentlich wurden sie ja schon längst von Spiele-Blockbustern mit Protzgrafik abgelöst. Doch gerade bekommen sie wieder neuen Aufwind: die Point-and-Click-Adventures. Achim Fehrenbach stellt die lohnendsten Science-Fiction-, Fantasy- und Mystery-Titel seit 2015 vor.

 

Wir schreiben das Jahr 1987, und im Städtchen Thimbleweed Park geschehen seltsame Dinge: Geister erscheinen. Eine mysteriöse Quelle sendet nächtliche Signale. Ein Fremder taucht auf und liegt wenig später tot im Fluss unter der Eisenbahnbrücke. Bei ihren Ermittlungen stoßen die FBI-Agenten Ray und Reyes - sie tough, er unerfahren - auf allerlei bizarre Zeitgenossen, darunter Klempner in Taubenkostümen und einen zornigen Clown, der seine Schminke nicht mehr abbekommt. Was ist eigentlich los in diesem Nest, das seit dem Brand der PillowTronics-Fabrik dem Verfall entgegentaumelt? Und wer hat den Fremden im Fluss auf dem Gewissen?

Thimbleweed Park ist so düster und schräg, David Lynch hätte seine Freude daran. Zugleich ist das neue Game von Ron Gilbert eine witzige Hommage an die Blütezeit der Point-and-Click-Adventures, die schon ein ganzes Weilchen zurückliegt. In den Achtzigern veröffentlichte Sierra Hits wie King's Quest, Police Quest und Space Quest, in den Neunzigern ließ LucasArts Meisterwerke wie Monkey IslandManiac Mansion und Day of the Tentacle folgen - an allen war Gilbert beteiligt. Spieler lösten die Rätselabenteuer, indem sie Gegenstände kreativ kombinierten und in Gesprächen wichtige Informationen sammelten. Mitte der neunziger Jahre drängten dann allerdings actionreiche 3D-Spiele in den Vordergrund, 2D-Adventures verloren an Beliebtheit.

Dass die Klick-Dinos dennoch überlebten, hat mehrere Gründe. Zunächst waren es vor allem die eingefleischten Fans, die ihr Überleben sicherten: Sie schufen Remakes und programmierten Emulatoren, mit denen man die alten Adventures auch auf neuen Rechnern spielen konnte. Ab 2008 trugen deutsche Spielestudios entscheidend zum Revival bei: Die Hamburger Firma Daedalic machte sich mit Edna bricht aus und The Whispered World einen Namen, das Bremer Studio King Art überzeugte mit The Book of Unwritten Tales. Mitverantwortlich für das Revival waren auch Download-Plattformen wie Steam oder auch GOG.com, das zahlreiche Klassiker im Angebot hat. Mit dem Siegeszug der Mobilgeräte landeten Adventures schließlich auch auf Smartphones und Tablets, deren Touchscreens sich hervorragend für die Spiele eignen. Zuletzt sind viele spannende Adventures erschienen – und das über alle Plattformen verteilt. Hier stellen wir die besten  Science-Fiction-, Fantasy- und Mystery-Titel seit 2015 vor.

Terrible Toybox
© Terrible Toybox
Double Fine Productions
© Double Fine Productions
Fictiorama Studios
© Fictiorama Studios

 

Ein mutiertes Saugnapfwesen, das die Weltherrschaft anstrebt – und drei Freunde, die durch die Zeit reisen, um es zu stoppen: Dieses Szenario zählt zu den berühmtesten der Computerspielgeschichte. Das Point-and-Click-Adventure Day of the Tentacle – es erschien 1993 – ist bis heute ein Aushängeschild des Genres, seine vertrackten Rätsel und witzigen Dialoge haben Millionen Spieler begeistert. Im Frühjahr 2016 erschien eine auf Hochglanz polierte, erweiterte Fassung des Klassikers. Erneut machen sich der Physik-Nerd Bernard, der Metal-Fan Hoagie und die Medizinstudentin Lavern auf, um Purpur-Tentakel das Handwerk zu legen

 

Cyberpunk-Fans kommen bei Technobabylon auf ihre Kosten. Das Adventure spielt in einem Überwachungsstaat des Jahres 2087, ist von Filmen wie „Blade Runner“ beeinflusst und glänzt mit einer kunstvollen Pixel-Grafik, die wohlig an klassische Adventures erinnert. Im Mittelpunkt der Handlung stehen zwei sehr unterschiedliche Figuren: die scheue Hackerin Latha Sesame und der Polizist Charlie Regis, der einen Mind Jacker jagt – einen Kriminellen, der menschliche Gehirne anzapft und die Opfer dabei tötet. Das Besondere an Technobabylon: Spieler manipulieren allerlei High-Tech-Geräte und tauchen immer wieder in eine Matrix-artige Cyberwelt namens „Trance“ ab, um dort Rätsel zu lösen.

 

The Book of Unwritten Tales, 2009 erschienen, war ein Überraschungshit: Es bot nicht nur anspruchsvolle Rätselkost, sondern enthielt auch zahllose Anspielungen auf Fantasy- und Science-Fiction-Klassiker. Dem Add-On Die Vieh Chroniken (2011) ließ Hersteller King Art Anfang 2015 The Book of Unwritten Tales 2 folgen. Erneut tauchen Spieler in die Welt von Aventasien ein und übernehmen abwechselnd die Rolle von Möchtegernzauberer Wilbur Wetterquarz, Elfe Ivo, Glücksritter Nate oder dem Vieh, einem schwer definierbare Wesen mit Glubschaugen und lila Zottelfell. Gemeinsam kämpfen die vier Freunde gegen einen magische Kraft, der Aventasien verwandelt. Auch TBoUT 2 steckt wieder voll popkultureller Seitenhiebe – vom Schwert aus Minecraft bis zum Roboter Wall-E. Die Gags zünden zwar nicht immer, das Spiel beeindruckt aber durch eine tolle Grafik und erstklassige Synchronsprecher wie Oliver Rohrbeck, der auch Justus Jonas aus den Drei ??? und dem Schauspieler Ben Stiller seine Stimme leiht. Auch ohne Vorkenntnisse aus Teil eins macht TBoUT 2 viel Spaß.

 

Das Point-and-Click-Adventure Dead Synchronicity spielt in einer postapokalyptischen Welt. Eine mysteriöse Katastrophe, „Die Große Welle“ genannt, hat die Erde verwüstet und unter den Menschen eine Pandemie ausgelöst. Die Hauptfigur Michael erwacht ohne Gedächtnis in einem Gefangenenlager. Unter Lebensgefahr macht er sich auf die Suche nach der eigenen Identität und dem Auslöser der Katastrophe, er muss dabei immer wieder moralische Entscheidungen treffen. Spieler sollten sich von der etwas kruden Grafik nicht abschrecken lassen: Dead Synchronicity ist ein außergewöhnliches Adventure, das ernste Themen wie Tod, Sinnsuche und Solidarität anspricht. Zumal es anspruchsvolle Rätsel, denkwürdige Charaktere und einen stimmungsvollen Soundtrack bietet.

 

Deutlich alberner geht es in den Deponia-Adventures zu. Die Spielereihe des Hamburger Studios Daedalic Entertainment war eigentlich eine Trilogie und erschien in den Jahren 2012/2013. Doch weil Autor Jan Müller-Michaelis Lust darauf hatte, veröffentlichte er 2016 noch einen vierten Teil: Deponia Doomsday. Die Abenteuer des Erfinders Rufus auf dem Müllplaneten Deponia und in der fliegenden Stadt Elysium sind kurzweilig und mit knackigen Rätseln gespickt; Fans schätzen die Serie nicht zuletzt für ihren schwarzen Humor.

 

Wer subtilen Horror mit Science-Fiction-Einsprengseln bevorzugt, sollte sich The Dream Machine anschauen. Das schwedische Point-and-Click-Adventure erzählt die Geschichte von Alicia und Victor Neff. Alicia ist schwanger, deshalb zieht das Paar in eine geräumige Mietwohnung um. Der Hausverwalter jedoch scheint etwas im Schilde zu führen, und überhaupt liegt über den noch kahlen Räumen eine bedrohliche Stimmung. Schon in der ersten Nacht hat Victor einen seltsamen Traum, in dem er einsam auf einer winzigen Insel strandet... im Lauf des Spiels vermischen sich Traum und Wirklichkeit zusehends. Zur reichlich morbiden Atmosphäre tragen die kunstvoll mit Knetmasse modellierten Schauplätze und die per Stop-Motion animierten Figuren bei. 

 

Tim Schafer ist unter Spielefans ähnlich bekannt wie sein Kollege Ron Gilbert: Der kalifornische Game-Designer mischte unter anderem bei Monkey Island und Day of the Tentacle mit. Mit seiner neuen Firma Double Fine Productions sammelte Schafer mehr als 3 Millionen Dollar auf der Plattform Kickstarter – und finanzierte so das Adventure Broken Age, dessen abschließender zweiter Teil 2015 erschien. Broken Age erzählt von zwei Teenagern: Das Mädchen Vella lebt in einem malerischen Dorf, soll aber schon bald einem Monster geopfert werden, um dieses milde zu stimmen. Der Junge Shay lebt ganz allein in einem gewaltigen Raumschiff, wird vom Bordcomputer rundum behütet und vergeht fast vor Langeweile. Beim Versuch, aus ihren Welten auszubrechen, verknüpfen sich ihre Schicksale. Das ist auch in Teil 2 mit viel Humor inszeniert; die Kulissen sind im Wesentlichen gleich, die Rätsel aber deutlich anspruchsvoller.

 

Auch Grim Fandango: Remastered stammt von Double Fine Productions. Das Spiel ist eine aufgehübschte Neuauflage des LucasArts-Klassikers von 1998. Als Inspiration für das schwarzhumorige Meisterwerk diente der mexikanische Tag der Toten: Die Hauptrolle spielt der Untote Manny Calavera, der für das „Department of Death“ (DOD) arbeitet und Verstorbene als Reiseleiter ins „Reich der Ewigen Ruhe“ begleitet - bis der gewohnte Ablauf eines Tages gehörig durcheinandergerät.

Achim Fehrenbach, geboren 1974, lebt als freier Journalist und Übersetzer in Berlin. Seine Themenschwerpunkte sind Games und das Internet; er schreibt unter anderem für Zeit Online, Spiegel Online, den Tagesspiegel und Wired.de.

Für Fischer TOR hat er 2016 das Buch "Geek Wisdom" übersetzt, das auf TOR Online kapitelweise erscheint.