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Phantastische Kleinverlage, die ihr kennen solltet (Teil 1)

Phantastische Kleinverlage, die ihr kennen solltet (Teil 1)
© Midjourney

Markus Mäurer, 09.09.2022

Welche deutschsprachigen Kleinverlage im Bereich Science Fiction, Fantasy und Horror gibt es? Welche lohnen einen Blick ins Programm? Und warum lohnt sich überhaupt ein Blick auf kleinere Verlage? Diese Fragen beantwortet uns Markus Mäurer in diesem Artikel.

Wer in einer Buchhandlung nach Science Fiction oder Fantasy stöbert, wird vor allem auf Bücher aus großen Verlagen wie Heyne, Blanvalet, Piper oder Fischer Tor stoßen. Bei engagierten Buchhändler*innen vereinzelt auch auf Titel aus Kleinverlagen, aber die Auslagen auf den Tischen (vor allem bei großen Ketten) werden von den Publikumsverlagen dominiert.

Das täuscht ein wenig darüber hinweg, dass es im deutschsprachigen Raum eine lebendige und vielfältige Kleinverlagsszene für phantastische Literatur gibt. Deren Programme und Titel sind oft auch origineller und diverser als jene, die für eine große Leserschaft kalkuliert werden. Während Publikumsverlage, die inzwischen alle zu großen Konzernen gehören, oft schwerfällig wie alte Tanker agieren – das muss ich hier auch mal selbstkritisch erwähnen –, gehen Kleinverlage häufig neue kreative Wege in ihrer Veröffentlichungspolitik, aber auch im Marketing und beim Austausch mit der Leserschaft. Ihre Stände wird man auf Cons (Conventions) wie dem BuCon, Marburg Con oder ElsterCon ebenso antreffen wie auf kleineren Messen wie der Buch Berlin und Buchmesse Saar, wo die Verleger*innen höchstpersönlich den Kontakt zur Leserschaft suchen.

Was oft als Hobbyprojekt gestartet wurde, wird von vielen auch weiterhin nebenberuflich betrieben, während manchen sogar der Sprung in die Selbstständigkeit komplett gelingt. Die Vielfalt der Programme, der Wille, Neues und Ungewöhnliches zu probieren, fußt auch darauf, dass in solchen Verlagen mit kleineren Auflagen und Verkäufen kalkuliert werden kann. Was nicht heißt, dass es Kleinverlage nicht schwer hätten auf dem deutschsprachigen Buchmarkt. Ganz aktuell haben sie neben Papierknappheit (einhergehend mit verschobenen Druckterminen) auch mit dem Remissionsrecht zu kämpfen, von dem vor allem Amazon viel zu großzügig Gebrauch macht. Auch der Wegfall von Buchmessen und anderen Veranstaltungen während der ersten beiden Jahre der Pandemie brachte viele Kleinverlage in wirtschaftliche Schwierigkeiten und manche sogar in die Insolvenz oder Geschäftsaufgabe.

In diesem Artikel stelle ich euch einige Kleinverlage vor, auf deren Programm ihr meiner Meinung nach mal einen genaueren Blick werfen solltet.

Amrûn

Der 2013 gegründete Amrûn Verlag des rührigen Verlegers Jürgen Eglseer hat sich relativ schnell zu einer festen Größe in der deutschsprachigen Phantastikszene entwickelt. Was als Fantasyverlag begann, ist inzwischen breit aufgestellt, von Romantik über historische Romane bis Horror. Zusätzlich hat der Kauf des Ach-Je-Verlags sein Portfolio um queere Phantastik bereichert und gibt nun auch das Magazin Queer*welten heraus. Zu den Highlights des Programms zählt unter anderem Michael Marraks Science-Fiction-Epos Der Kanon mechanischer Seelen, das 2018 sowohl den Seraph als auch den Kurd-Laßwitz-Preis gewann; die Horrorromane von Fay Hell wie Rigor Mortis und die Feuerjäger-Rehe von Susanne Pavlovic mit dem Auftaktband Die Rückkehr der Kriegerin.

Art Skript Phantastik

Art Skript Phantastik wurde 2012 von der umtriebigen Verlegerin Grit Richter gegründet, die auf vielen Cons und Onlineveranstaltungen anzutreffen ist und sich aktuell bei der Organisation der Metropol Con Berlin engagiert. Erst kürzlich erhielt Kondorkinder: Das Spiegelbuch und die verlorenen Geschichten von Sabrina Železný den Phantastikpreis der Stadt Wetzlar. Das Programm reicht von dunkler Phantastik über Steampunk und Fantasy bis zu Science Fiction. Neben Romanen erscheinen auch Novellen und Anthologien (Steampunk Akte Deutschland und Die dunkelbunten Farben des Steampunk erhielten den Deutschen Phantastik Preis). Dass Grit Richter von Haus aus Grafikdesignerin ist, sieht man den schicken Covern an.

Atlantis

Der Atlantis Verlag von Guido Latz entstand 2002 aus dem Fandom heraus, um die bis heute laufende Science-Fiction-Heftromanserie Rettungskreuzer Ikarus. Einen Namen machte sich Atlantis vor allem als Haus- und Hofverlag von Dirk van den Boom und dessen Space-Opera-Reihe Tentakelkrieger, gefolgt von der ebenso erfolgreichen Zeitreisereihe Kaiserkrieger. Mit Autoren wie Martin Kay, Achim Hiltrop und Stefan Burban liegt ein Schwerpunkt durchaus in der Militäry-SF, Fantasy und Action, doch es finden sich auch immer wieder etwas überraschende Titel im Programm wie Verlorene Paradiese von Ursula K. Le Guin, Vektor und Transmission der Physikerin Jo Koren, Die Fahrt des Leviathan von Oliver Henkel oder Ciara von Nicole Rensman. Seit einigen Jahren erscheint auch das Magazin phantastisch! bei Atlantis. Und nebenher betreibt Guido Latz, der mit seinem Verlagsstand Stammgast auf vielen Cons ist, auch die Seite Phantastik-News.de, die täglich über Neuigkeiten aus der Szene und Branche berichtet.

Fabylon

Bekannt wurde Uschi Zietsch als Autorin für die Serie Perry Rhodan. Nachdem ihr Fantasyroman Sternwolke und Eiszauber aus ihrer Welt Das Träumende Universum bei Heyne erschien, sah sie für weitere Bände aus dieser Serie keine Veröffentlichungsmöglichkeiten bei größeren Verlagen und erschuf prompt ihre eigene, indem sie 1987 zusammen mit ihrem Mann Gerald Fabylon gründete. 35 Jahre später sind sie immer noch aktiv und haben inzwischen ein stolzes Programm erschaffen. Der Schwerpunkt lieg auf Fantasy (Elfenzeit z. B.), es gibt aber auch Steampunk und Science Fiction sowie Titel, die sich nicht so ganz in die klassischen Genrekonventionen einordnen lassen (z. B. Nicole Rensmanns Niemand oder die teils erotisch angehauchten Steampunkanthologien von Alisha Bionda wie Ars Amoris – Phantastische Erotik).

Luzifer

Der von Steffen Jansen gegründete Luzifer Verlag orientierte sich in seiner Anfangsphase noch stark am Festa Verlag. Inzwischen hat er aber ein eigenständiges Profil entwickelt, das weiter über Horror hinausgeht. Besonders die Abenteuer-Schiene mit Büchern in der Tradition von Indiana Jones (Daphen Niko), Jules Vernes und Arthur Conan Doyle, die oft auch noch einen Hauch Horror enthalten (wie Greg Becks Zum Mittelpunkt der Erde), scheinen gut zu florieren. Aber auch Robert McCammon hat mit seiner Reihe um Matthew Corbett hier eine deutsche Heimat gefunden, ebenso wie mit seinem Meisterwerk Boy’s Life. Im Programm überwiegen eindeutig Übersetzungen aus dem Englischen, aber es erschienen auch einige deutschsprachige Autor*innen wie Arthur Gordan Wolf, Andreas Gruber oder Markus K. Korb.

Memoranda

Ursprünglich entstand Memoranda als Sachbuchimprint des Golkonda Verlags, wo Hardy Kettlitz unter anderem einige seiner SF-Personality-Bände veröffentlichte oder seine drei Bücher zu den Hugo Awards. Nachdem Golkonda an den Europa Verlag verkauft wurde, machte Hardy Mermoranda zu einem eigenständigen Verlag, in dem inzwischen auch fiktionale Werke von Autoren wie Michael Marrak oder Charles Platt, aber auch eine Werksausgabe von Angela und Karlheinz Steinmüller erscheinen. Weitere Infos über das Programm gibt es auch im Verlags-Podcast.

periplaneta

Der 2007 von Marion Alexa Müller gegründete periplaneta Verlag sticht mit seinem multimedialen Konzept aus dieser Liste heraus. Denn zu diesem Berliner Verlag gehört auch ein Literaturcafé in der Bornholmer Straße, wo Lesungen und andere Kulturveranstaltungen stattfinden. Das Programm besteht aus Phantastik aber auch Lyrik, Kabarett, Musik-CDs, Hör- und Kinderbücher. Die Phantastik findet man vor allem in der Edition Drachenfliege, wo z. B. die Baumwelten-Saga von Barbara Fischer mit Lilith und Freya erschienen ist. Oder Kalion von Alesš Pickar.

Plan 9

Zur Verlagsgruppe Bedey & Thoms gehörend wurde Plan 9 2020 gegründet, um vor allem Science Fiction von Frauen zu veröffentlichen. Der Name bezieht sich auf den Kult-Trash-Film Plan 9 From Outer Space von Ed Wood. Ein Schwerpunkt liegt auf deutschsprachigen Autorinnen wie Jacqueline Montemurri, Gabriele Albers, Nadine Erdmann, Mara Laue oder Petra E. Jörns. Es erscheinen aber auch Übersetzungen von unter anderem Tanya Huff. Wer wie ich im historisch gewachsenen Bücherregal bei der Science Fiction immer noch ein Ungleichgewicht zwischen Autoren und Autorinnen hat, ist hier an der richtigen Adresse, um die Balance wiederherzustellen.

Verlag ohne Ohren

Aus Österreich stammt der Verlag ohne Ohren, der von Ingrid Pointecker geführt wird und sich auf Fantasy und Science Fiction spezialisiert hat. Das „ohne Ohren“ bezieht sich auf die spitz zulaufenden Körperteile am Kopf von Elfen. Damit steht der Verlagsname dafür, dass hier Fantasy abseits der üblichen Genreklischees und Völker angeboten wird. Anfangs handelte es sich um einen reinen E-Book-Verlag, doch der Erfolg brachte schnell Printfassungen nach sich. Seit 2019 liegen die Schwerpunkte mehr auf Science Fiction und Dark/Urban Fantasy. Ein Markenzeichen des Verlags ist die rührige Verlegerin, die gerne Goodies mit in die Bestellungen packt. Viel Beachtung erhielt unter anderem der leicht dystopische SF-Roman Shape Me von Melanie Vogeltanz, Anna Zabinis Sanguen Daemonis oder Sabrina Železnýs Feuerschwingen.

Da Kleinverlage in Buchhandlungen meist nicht stattgefunden haben, war für sie über viele Jahre Amazon ein wichtiger Vertriebsweg (und ist es auch immer noch), doch inzwischen haben sie alle (mal mehr, mal weniger) schicke und funktionale Webseiten, über die direkt bei den Verlagen bestellt werden kann. Das ist die beste Möglichkeit, sie direkt zu unterstützen.

Diese Liste liefert nur einen kleinen Einblick in das riesige Feld der deutschsprachigen Kleinverlage im Bereich der Phantastik. Ich habe sicher noch einige ausgelassen oder vergessen, die es ebenso verdienen, in einer solchen Aufzählung zu landen. Ich weiß, dass es viele Leser*innen gibt, die tatsächlich nur die Titel der großen Verlage im Blick haben, aber ich kann euch versichern, es lohnt sich, einen Blick in die Programme der kleineren Verlage zu werfen. Die arbeiten inzwischen auch (fast) alle hochprofessionell und stehen den etablierten Verlagsmaschinerien qualitativ in nichts nach. Im Gegenteil, oft bringen sie noch einen zusätzlichen Schuss Originalität und Kreativität mit rein, der das Genre der Phantastik erweitert und bereichert.

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Hier geht es zu Teil 2.

Markus Mäurer

Der ehemalige Sozialpädagoge und Absolvent der Nord- und Lateinamerikastudien an der FU Berlin, der seit seiner Kindheit zwischen hohen Bücherstapeln vergraben den Kopf in fremde Welten steckt, verfasst seit über zehn Jahren Rezensionen für Fantasyguide.de, ist ebenso lange im Science-Fiction- und Fantasy-Fandom unterwegs (Nickname: Pogopuschel) und arbeitet seit einigen Jahren als Übersetzer phantastischer Literatur. http://lesenswelt.de/