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Black Mirror: Alle 19 Folgen im Top-Down-Ranking

Black Mirror
© Netflix

Michael Hoh, 29.01.2018

Als Black Mirror 2011 zum ersten Mal über britische Bildschirme flimmerte, avancierte sie schnell zum Kulthit. Charlie Brookers Anthologieserie, die in jeder Folge einen neuen technologischen Aspekt unserer Zeit aufgreift und à la Twilight Zone auf schwarzhumorige und satirische Weise gen Zukunft weiterspinnt, traf den Nerv unserer Zeit. Spätestens seit dem Umzug von Channel 4 auf Netflix ist Black Mirror nun in aller Munde. Wer die Serie bisher noch nicht gesehen hat und noch unentschlossen ist, mit welcher Folge man am Besten beginnen sollte, findet hier das Ranking aller 19 Folgen inklusive der neuen 4. Staffel.

 

19. Arkangel (Staffel 4, Folge 2)

Achtung, Helikopter-Mama im Anflug! Und so vorhersehbar wie das Bäuerchen nach dem Alete-Gläschen ist dann leider auch die Handlung. Das können auch Regisseurin Jodie Fosters und Cast nicht mehr herumreißen.

18. Hang the DJ (Staffel 4, Folge 4)

Die nächste Stufe der Dating-Apps ist auf dem Markt. Und damit der absolute Kontrollverlust über Partnerwahl und Beziehungsdauer. Es sei jetzt alles einfacher, und man müsse nicht mehr zwischen unzähligen potenziellen Partnern auswählen, rationalisiert die Protagonistin. Wer's glaubt. »Hang the DJ« ist die wohl biederste Black Mirror-Folge mit dem Charme einer vergilbten Zeitungsannonce. Und: Hat die LGBT-Community eigentlich ihre eigenen Center Parks zum Anbandeln, oder warum ist in Datingland alles so wahnsinnig binär?
 

17. Männer aus Stahl – Men Against Fire (Staffel 3, Folge 5)

Der Soldat als Kampfmaschine. Und das ganz ohne PTSD. Denn wer nur auf grausige Biester ballert, tut ohne Zweifel der Menschheit einen Gefallen und seiner Seele obendrein etwas Gutes. Von wegen. Die große Metapher auf den Soldaten als bloßes Machtinstrument, den Feind als inhumane Spezies im Visier. Nur leider etwas zu vorhersehbar.
 

16. Krokodil – Crocodile (Staffel 4, Folge 3)

Manchmal sind es nur die Ereignisse von Sekunden, die unser Leben auf den Kopf stellen können. Was Menschen tun, um die Kontrolle zu behalten, erfahren wir in dieser Folge. Nur leider nicht sehr plausibel. Der technologische Aspekt wirkt allzu willkürlich und die Motivation der Hauptdarstellerin allzu drastisch, da kann auch gutes Schauspiel und die schöne Landschaft Islands nichts dran ändern – der Hamster leider auch nicht.

15. Black Museum (Staffel 4, Folge 6)

Ganz so wie in der Folge »White Christmas« versucht »Black Museum« mehrere Erzählstränge mit einer Rahmenhandlung zu verknüpfen, verzettelt sich diesmal jedoch leider. Die Sache mit dem Bewusstseinstransfer und den ethischen Konsequenzen ist für Black Mirror bereits ein alter Hut. Nichtsdestotrotz: Die Geschichte des adretten Dr. Jekyll, der zu Mr. »Emo« mutiert, ist köstlich. Und das Gruselkabinett, das Kerntechnologien vieler Black Mirror-Folgen ausstellt, offeriert Fans der Serie Grund zur Nostalgie.

14. Metallkopf – Metalhead (Staffel 4, Folge 5)

Man kennt sie, die etwas verstörenden Roboterhunde fürs Kinderzimmer, die Tamagotschis der Millenials. Nur sind sie in dieser apokalyptischen Verfolgungsjagd in schwarz-weiß zu ultimativen Kampfhunden mutiert und tyrannisieren zu Tausenden die Erdbevölkerung – oder was davon übrig geblieben ist. Stringent erzählter Survival Horror ohne Twists und Hintersinn.

13. Erlebnishunger – Playtest (Staffel 3, Folge 2)

Virtual Reality ohne die lästige Brille? Ein Traum ... aber nicht im Black Mirror-Universum. Dort zaubert der Brillenersatzchip einem nicht nur putzige computeranimierte Erdmännchen vor die Nase, sondern obendrein noch die größten Ängste in fotorealistischem 3D. Alles natürlich fürs Entertainment. Oder doch nicht? Die Folge mag zwar nicht die allerbeste sein, dafür aber die gruseligste der ganzen Serie.

12. Von allen gehasst – Hated In The Nation (Staffel 3, Folge 6)

Hashtags sind eine feine Sache, um schwarmmäßig im Netz Dampf abzulassen, andere virtuell so richtig in die Schranken zu weisen. Nur blöd, wenn einer das Getrolle mitverfolgt und stellvertretend in der analogen Welt Ernst macht. Mit 90 Minuten ist die Folge die längste der Serie. Die Zeit reicht trotz gelungenem Mystery-Spannungsbogen trotzdem nicht, die beiden Themenkomplexe »Internet vs Troll-Kultur« und  »Umweltschutz vs Technik« adäquat auf den Punkt zu bringen.

11. Böse Neue Welt – White Bear (Staffel 2, Folge 2)

Eine Frau ohne Gedächtnis rennt um ihr Leben, und alle Passanten glotzen nur unbeteiligt, als sie versucht, sich vor den bewaffneten Verfolgern in Sicherheit zu bringen. Alles eine Metapher auf irgendetwas? So verhält sich doch niemand. Und doch geht alles mit »rechten« Dingen zu, wie man als geneigter Zuschauer nach dem obligatorischen Twist gegen Ende erfahren wird.

10. Die Waldo-Kandidatur – The Waldo Moment (Staffel 2, Folge 3)

Es dem politischen Establishment mal so richtig zeigen und die Massen mit polemischem Wahlkampf gewinnen. Aus heutiger Sicht trägt die Folge fast prophetische Züge, denn als sie 2013 ausgestrahlt wurde, war Donald Trumps Präsidentschaftskandidatur noch Zukunftsmusik. Der Unterschied zum amerikanischen Präsdidenten: Waldo hat keine politischen Ambitionen, keine Agenda und bleibt deshalb recht harmlos. Das hätte man noch weitertreiben können.

9. Abgestürzt – Nosedive (Staffel 3, Folge 1)

Heute schon Glücksgefühle durch ein positives Rating bekommen? Black Mirror nimmt unser Social-Media Verhalten und den Topos des gläsernen Menschen unter die Lupe. Was in China ab 2020 durch das Social-Credit-System düstere Wirklichkeit werden soll, wird in diesem Staffel-Opener noch charmant komödiantisch verpackt. Welche Auswirkungen eine Negativbewertung auf unsere Kreditwürdigkeit hat und wie das wiederum unser Sozialverhalten gegenüber anderen beeinflusst, denkt die Folge konsequent weiter.

8. Mach, was wir sagen – Shut up and Dance (Staffel 3, Folge 3)

Eine Mischung aus Anonymous und übereifrigem Troll tyrannisiert etwas zu nachlässige Internetnutzer für ihren Pornokonsum? Ist schon grenzwertig, was der arme Kenny alles über sich ergehen lassen muss (wunderbar gespielt von dem britischen Shootingstar Alex Lawther). So einfach ist es am Ende natürlich nicht. Der Twist der Folge lenkt den Fokus dann ungerechtfertigterweise zu sehr auf den Zuschauer, als die Praktiken der Troll-Fraktion zu hinterfragen.

7. Das transparente Ich – The Entire History Of You (Staffel 1, Folge 3)

Ein zaghaftes Lächeln, ein leichter Augenaufschlag – könnte man sich doch nur genauer daran erinnern, um besser abwägen zu können, wie die Geste gemeint war. Die ProtagonistInnen dieser Black Mirror-Folge können. Dank modernster Technik haben sie die Möglichkeit, jede einzelne Minute ihres Lebens Revue passieren zu lassen; allein im stillen Kämmerlein oder gemeinsam mit Freunden auf einem Bildschirm. Das macht natürlich nur so lange Spaß, bis einer heult.

6. Der Wille des Volkes – The National Anthem (Staffel 1, Folge 1)

Die Entführung einer britischen Prinzessin und die hanebüchene Forderung, der amtierende Premierminister solle Sex mit einem Schwein haben, um besagte Prinzessin vor der Hinrichtung zu retten, hält Großbritannien im Atem. Über einen Zeitraum von nur wenigen Stunden entwickeln sich Dynamiken zwischen unmoralischen Boulevard-Journalisten und einer kopflosen Regierung, die die Sensationsgeilheit der Gesellschaft vorführt und auf die Spitze treibt.

5. Das Leben als Spiel – 15 Million Merits (Staffel 1, Folge 2)

Was bleibt uns kleinen Rädchen im Getriebe anderes übrig als mitzuspielen. Die Strippen ziehen sowieso »die da oben«. Oder haben wir eine echte Chance, aus der Masse herauszustechen und etwas zu bewirken? Zumindest die versprochenen 15 Minuten Fame einzukassieren, komme was wolle? Das verlockende Angebot unmittelbaren Erfolgs von YouTube, DSDS und Co. verdichtet und visuell grandios inszeniert.

4. Weiße Weihnacht – White Christmas (Staffel 2, Folge 4)

Erst ein Twist, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht das ... Bodenständige Männerzweisamkeit kommt ins Wanken, sobald der Alkohol fließt und die Wahrheit auf den Tisch kommt. Bereits hier wird der Grundstein für spätere Folgen gelegt, in denen ethische und moralische Fragen über die Weitergabe und Nutzung unseres Bewusstseins aufgegriffen werden.

3. San Junipero – San Junipero (Staffel 3, Folge 4)

Black Mirror kann auch Lovestorys, die nicht im Desaster oder im Dunkel virtueller Realitäten enden – und das gleich in drei unterschiedlichen Dekaden! Zugegeben, die Retro-Referenzen sind etwas dick aufgetragen, der Soundtrack dafür umso »catchier«. Eines der Steckenpferde der Serienschreiber ist es, Meditationen über unser Bewusstsein abzuliefern. So auch in dieser Folge, in der u. a. verhandelt wird, was zukünftig mit unserem Bewusstsein passieren könnte, wenn wir sterben. Die Matrix einmal als Utopie.

2. USS Callister (Staffel 4, Folge 1)

Einmal im Leben in der Haut von Captain James T. Kirk stecken; so schlagfertig, gewitzt und kalkuliert wie das Serienoriginal sein und es allen so richtig zeigen. Wie Fan-Kult ein wenig über die Stränge schlagen kann, zeigt diese visuell eindrucksvollste Black Mirror-Folge mit der wohl besten Dialogzeile: »Stealing my pussy is a red fucking line.« Mit dem Bewusstsein wird in der Serie zwar nicht zum ersten Mal Schindluder getrieben, doch mit der Star Trek-Persiflage bekommt der Topos einen phantastischen Neuanstrich.

1. Wiedergänger – Be Right Back (Staffel 2, Folge 1)

Wie gehen wir mit dem Verlust eines geliebten Menschen um, und was tun wir alles, um ihm wieder nahe zu sein? Mit dieser verstörenden und gleichzeitig einfühlsamen Folge lieferte Black Mirror im zweiten Jahr einen aufschlussreichen Beitrag zum Thema Trauerbewältigung, Abschied nehmen und dem Umstand, nicht loslassen zu können.

Michael Hoh

Michael Hoh studierte Anglistik, Germanistik und Philosophie in Mannheim und San Francisco. Heute lebt er als freier Übersetzer und Journalist in Berlin, füllt u.a. die Musikseiten des englischsprachigen Stadtmagazins Exberliner und schreibt über Computerspiele für Giga Games.