Judith Vogt, 01.11.2017
Die letzten Seiten sind verschlungen, das leere Gefühl stellt sich ein: Was lese ich als nächstes? Unsere Autorin Judith Vogt startet mit uns die neue TOR ONLINE Serie, in der wir euch Lesetipps für ein konkretes Buch geben.
Das Gefühl ist sicher keiner Leseratte unvertraut: „Ich brauch mehr davon!“ Am liebsten würde man noch mehr Zeit mit den Protagonisten verbringen, noch ein paar Winkel ihrer Welt besuchen. Aber das geht nicht. Die letzten Seiten sind verschlungen, das leere Gefühl stellt sich ein: Was lese ich als nächstes? Natürlich gibt’s noch ein halbes Dutzend ungelesene Bücher im Regal oder im Stapel neben dem Bett, aber die sollen es gerade alle nicht sein. Ich möchte etwas, das sich so ähnlich liest wie das, aus dem ich gerade aufgetaucht bin!
Bei Tad Williams’ Das Geheimnis der Großen Schwerter, auch genannt Der Drachenbeinthron, auch genannt Memory, Sorrow and Thorn war es die Kombination aus einer sich lebendig und groß anfühlenden Welt, komplexen Charakteren und Storysträngen – und den klassischen Tropen und Zutaten der Heldenreise eines Waisenjungen. Ein wenig, als wäre die Artus-Sage auf den Herrn der Ringe getroffen.
Hier fünf Tipps, womit sich der Hunger auf Mehr-davon stillen lässt!
Mehr von Tad Williams: Die Hexenholzkrone
Dreiundzwanzig Jahre nach Der Engelsturm kehrt Tad Williams nach Osten Ard zurück: Die Hexenholzkrone ist der erste Band von Der letzte König von Osten Ard. Auch in Osten Ard ist Zeit vergangen, und zwar dreißig Jahre. Da ich Das Geheimnis des Großen Schwerter nicht spoilern will, sei nur so viel gesagt: Es sitzen noch die gleichen Menschen auf dem Thron von Osten Ard, die auch am Ende des Vierteilers dort Platz genommen haben. Ihr Enkel und Thronfolger scheint jedoch nicht aus demselben Holz geschnitzt, und dass sich im Norden die Nornenkönigin rührt, bedeutet nichts Gutes für eine Buchreihe mit dem schicksalsschwangeren Titel Der letzte König von Osten Ard.
Die Hexenholzkrone bringt auch Wehmut mit sich: Nach einem Zeitsprung zu gealterten Protagonisten zurückzukehren – manche alte Bekannte sind auch bereits tot oder verschollen –, erinnerte mich an Die Legende von Korra, in der siebzig Jahre nach Avatar – Herr der Elemente das Vermächtnis von „Team Avatar“ überall sichtbar ist, Protagonisten der ersten Serie jedoch mittlerweile tot oder steinalt sind …
Wem Die Hexenholzkrone als Auftakt des Vierteilers noch zu unabgeschlossen ist, der kann sich natürlich mit Otherland in den Cyberspace begeben oder zum Blumenkrieg in die Anderswelt aufbrechen.
Gillian Bradshaw: Der Falke des Lichts
Meine Lieblingsbuchreihe aus dem Dunstkreis der Artus-Sage. Gillian Bradshaw beschreibt ihr frühzeitliches Großbritannien groß, zerstritten und vielseitig – und voller alter Zauber und Wunder, ohne dass diese dabei sehr im Vordergrund stehen. Es gibt politische Intrigen, die aber die Romane nicht dominieren. Die Stimmung lebt weniger von den mittelalterlichen Vorlagen als andere Bücher und übermystifiziert zugleich auch nicht die keltischen Wurzeln. Mit Gawain findet sich hier eine Hauptfigur, die ebenfalls eine gut geschriebene Heldenreise hinlegt – und den Aufstand gegen die Eltern, vor allen Dingen seine Mutter Morgas – hinlegt. Mit diesen Büchern ist Gawain zu meinem „Lieblingstafelrundenritter“ aufgestiegen. Wer ist dieser Lancelot, von dem alle immer sprechen? Bradshaw führt die Reihe, die leider nur noch antiquarisch erhältlich ist, mit Das Königreich des Sommers und Die Krone von Camelot fort. Alle Bücher sind aus verschiedenen Perspektiven geschrieben sind – und besonders die zweite Perspektive aus der Sicht von Gawains etwas hinterwäldlerischem Knappen Rhys erinnerte mich sehr an Simon aus Der Drachenbeinthron.