Fantasy

Fünf High Fantasy-Klassiker aus den 80er und 90er Jahren

Ritter

Christian Handel, 06.08.2016


George R. R. Martin Das Lied von Eis und Feuer, Steven Eriksons Das Spiel der Götter oder Brandon Sandersons Sturmlicht-Chroniken:  Heutzutage scheint die High Fantasy alles Mögliche zu sein, aber nicht kurz. Autoren planen keine Trilogien mehr, sondern gleich Zehnteiler, und falls sie es doch getan haben, kommen sie mit drei Büchern nicht mehr aus. Einerseits freut uns Leser das, können wir so doch länger in geliebten Alternativwelten verweilen. Andererseits nervt es auch manchmal, wenn ein Autor einfach kein Ende findet und man Jahre auf die Veröffentlichung des nächsten Bandes warten muss.

Deshalb habe ich meine Bücherkiste entstaubt und möchte euch heute fünf High-Fantasy-Zyklen vorstellen, die zwar teilweise schon mehr als zwanzig Jahre auf dem Buckel haben, dafür aber vollständig vorliegen, keine zehn Bände umfassen – und trotzdem klasse unterhalten:

 

 

Das Geheimnis der Großen Schwerter von Tad Williams


Der Drachenbeinthron und seine Nachfolgebände gelten heute als moderne Klassiker der High Fantasy. Zu Recht, denn auch wenn Tad Williams zu Beginn etwas braucht, um im Fahrt zu kommen, erzählt Das Geheimnis der Großen Schwerter die epische Geschichte eines jungen Küchenjungen, der sich einer großen Gruppe Rebellen anschließt, um gegen die dunklen Mächte des andersweltlichen Sturmkönigs zu Felde zu ziehen. In den sengenden Wüsten, den undurchdringlichen Wäldern und den schneeüberzogenen Frostmarken von Williams High-Fantasy-Welt Osten Ard leben neben Menschen auch Trolle, die elbenhaften Sithi und Eisdrachen. Der Titel der Reihe spielt auf die drei sagenumwobenen Schwerter an, die Simon und seine Gefährten finden müssen, um den Sturmkönig aufzuhalten.

George R. R. Martin gibt zu, dass die Reihe eine der Inspirationen für Das Lied von Eis und Feuer war. Wenn ihr den Vierteiler noch nicht gelesen habt, solltet ihr das schleunigst nachholen. Nicht nur, weil euch sonst wirklich etwas entgeht, sondern auch, weil Williams endlich, über 20 Jahre nach Erscheinen des letzten Bandes, an einer Fortsetzung schreibt. Der erste von mehreren Bänden ist für 2017 angekündigt.

 

 

Das Buch der Worte von J. V. Jones


Etwas weniger ambitioniert, dafür zugänglicher ist J. V. Jones Das Buch der Worte-Trilogie, die mit Melliandra beginnt. Zu den wichtigsten Figuren des Dreiteilers zählen der Bäckersjunge Jack, der von dem magischen Erbe, das in ihm erwacht, völlig überrumpelt wird; die junge Adelige Melliandra, die vor ihrer anberaumten Vermählung mit einem unheimlichen Prinzen aus der heimischen Burg flieht, und der junge Ritter Tawl, der sich auf eine Quest begibt, um eine geheimnisvolle Prophezeiung zu enträtseln. Palastintrigen, schwarze Magie und politische Ränkespiele stehen im Mittelpunkt von Jones Erstlingswerk. Kriegsschlachten werden nur am Rand erwähnt und nicht detailverliebt ausgeschmückt, dafür konzentriert sich die Autorin auf das Zwischenmenschliche. Das mag mitunter weniger episch wirken als bei Tolkien und Williams, dafür beweist Jones sehr viel Einfühlungsvermögen für ihre Figuren und hält die Balance zwischen abenteuerlichen Kämpfen, humorvollen Intermezzi und aufkeimenden Gefühlen.   

 

 

Die Pandemia-Saga von Dave Duncan


So bunt wie die Titelbilder der deutschen Erstausgabe ist auch die Geschichte selbst, die der produktive Autor Dave Duncan (u. a. Des Königs Dolche) in der vier Bände umfassenden Pandemia-Saga erzählt. Im Mittelpunkt steht Rap, Stallbursche des kleinen Königreichs Krasnengar, und dessen Prinzessin Inos, einem rechten Wildfang, die nach dem Willen ihrer Tante zu einer sittsamen Dame erzogen werden soll. Beide werden in ein lebensgefährliches, übernatürliches Ränkespiel hineingezogen, in dem es um weit mehr geht als um die Herrschaft über ein unbedeutendes Königreich. Denn Magie kann in diesem Zyklus jeder wirken, der eines der geheimnisvollen Worte der Macht kennt – und weil Rap im Besitz eines dieser Worte ist, werden er und Inos gleich von mehreren zwielichtigen Gestalten gejagt. Sie begegnen Kobolden, Elben, überqueren das Meer der Leiden und stranden gar in der Stadt der Götter. Das mag mitunter leichte Kost sein, aber dafür gelingt es Duncan, für abenteuerliches, buntes Kopfkino beim Leser zu sorgen.

 

 

Die Legende vom Weitseher von Robin Hobb


Bereits eine Spur düsterer als die anderen hier vorgestellten Sagas ist Robin Hobbs vielgerühmte Trilogie Die Legende vom Weitseher. Fitz, die Hauptfigur (nicht nur) dieser Reihe, kann einem wirklich leidtun: Als Bastard eines Prinzen geboren, wächst der kleine Fitz ungeliebt am königlichen Hof auf. Als sich in ihm die magische Kraft der Weitseher bemerkbar macht, lässt sein Großvater ihn heimlich zum Meuchelmörder ausbilden. Sein Kampf um ein bisschen eigenes Glück und inneren Frieden wird immer wieder bedroht von den Intrigen und Machtkämpfen bei Hof, in die er unweigerlich hineingezogen wird. Robin Hobb wurde mit der Legende vom Weitseher in den 90er Jahren zu einem der wenigen weiblichen Shooting Stars der High Fantasy, die Fans und Kritiker gleichermaßen begeisterte. Wer sich für charakterorientierte High Fantasy interessiert, sollte unbedingt in den ersten Band der Trilogie hineinlesen. Hierzulande wurde er sowohl unter dem Titel Der Adept des Assassinen, als auch später unter dem Titel Der Weitseher veröffentlicht. 

 

 

Die Belgariad-Saga von David Eddings


Bereits Anfang der 80er Jahre erstveröffentlicht, muss sich David Eddings Bestseller-Saga Die Belgariad-Saga inzwischen oft den Vorwurf gefallen lassen, zu seicht zu sein und zu flache Charaktere zu haben. Ein Urteil, dem ich mich nicht anschließen kann, denn wenn man sie im Kontext ihrer Entstehungszeit betrachtet, dann macht sie wahnsinnig viel Spaß. Erzählt wird die Geschichte des einfachen Bauernjungen Garion, der sich – unterstützt von der unvermeidlichen Gruppe treuer Gefährten – mit den Häschern eines dunklen Gottes ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefert auf der Quest nach dem Auge Aldurs: einem magischen Juwel, das seinem Besitzer unvorstellbare Macht verleiht. In Kind der Prophezeiung und den vier anderen Teilen der Saga bereisen wir an der Seite von Garion zauberhafte Landstriche und begegnen faszinierenden Figuren, allen voran die spitzzüngige, pragmatische Zauberin Polgara, eine wunderbar starke Frauenfigur. Die Belgariad-Saga mag einige Schwächen aufweisen, insgesamt ist sie aber trotzdem ein extrem unterhaltsames Fantasy-Garn, an dem vor allem Genre-Einsteiger ihre wahre Freude haben.

 


Man sieht: So schwarz, wie manch einer die Zukunft der Jugenddystopie-Heldinnen malt, ist sie gar nicht. Wie schon Aschenputtel haben die überwiegende Anzahl der Heldinnen der „Adels-Dystopien“ mehr drauf, als man ihnen auf den ersten Blick zutraut. Und auch, wenn sie während ihres Kampfes gegen tyrannische Verhältnisse vielleicht ihr Herz verlieren, so geht es ihnen in erster Linie nie um die große Liebe, sondern um Selbstbestimmung, der Schutz der Schwachen und um Freiheit. Das macht sie zu wahren Heldinnen.

Christian Handel

Christian Handel bloggt seit 2007 auf seiner Website www.fantasy-news.com über phantastische Themen und liebt Stoffe über starke Frauen, märchen- und mythenhafte Motive und queere Themen. Im Oktober erschien im Drachenmond Verlag die von ihm herausgegebene Kurzgeschichtensammlung "Hinter Dornenhecken und Zauberspiegeln" Die Liebe zur Phantastik haben ihm vermutlich die Brüder Grimm, Hans Christian Andersen & Co. bereits in frühester Kindheit eingeimpft. Zum eingefleischter Urban Fantasy-Fan hat ihn Joss Whedon mit der TV-Serie "Buffy the Vampire Slayer" gemacht. Er arbeitet als Gutachter für unterschiedliche Verlage und moderiert seit 2012 Lesungen und Autorenveranstaltungen. http://www.fantasy-news.com