In Sekundärweltfantasy á la Der Herr der Ringe kommen Vampire eher selten vor. Sie sind vor allem in Horrorgeschichten aus unserer Welt oder in der Urban Fantasy anzutreffen. Doch es gibt sie, die High Fantasy oder Grimdark mit den Blutsaugern. Markus Mäurer stellt uns fünf entsprechende Bücher vor.
Sheridan Le Fanus Carmilla, Bram Stokers Dracula, Anne Rice Interview mit einem Vampir, Elizabeth Kostovas Der Historiker (mein Lieblingsvampirroman) oder Stephanie Meyers Twillight, der Mythos über Vampire begleitet uns in der Literatur schon seit mehr als hundert Jahren, und im Volksglauben schon seit vielen Jahrhunderten. Doch das ist ein anderer Artikel, den hat Alessandra Reß mit Alles, was du über Vampire wissen musst, bereits geschrieben, wo sie auch auf die Urban Fantasy eingeht, in der Vampire oft eine wichtige Rolle spielen.
Ich stelle heute fünf Fantasybücher vor, die in einer Sekundärwelt - also einer anderer als der unseren – spielen, und in denen Vampire vorkommen. Orks, Elfen, Zwerge, Goblins und Trolle, das sind oft die gängigen Wesen, die Sekundärwelten in unterschiedlichen Variationen bevölkern. Erstaunlicherweise tauchen jene Wesen, die die Mythen und Sagen unserer Welt seit dem 19. Jahrhundert dominieren, also neben Werwölfen eben die Vampire, dort eher selten auf. Als würde das die Immersion der fremden Welt stören. Doch es kann funktionieren.
Das Reich der Vampire | Jay Kristoff
Eine Welt, in der die Sonne nie wieder richtig scheint; in der die Vampire mittels blutiger Kriege langsam die Oberhand gewinnen und eine eigene Monarchie bilden; und in der die letzte Hoffnung der Menschheit auf dem desillusionierten Silberwächter Gabriel liegt. Der wiederum seine Lebensgeschichte kurz vor der drohenden Exekution einem vampirischen Historiker erzählt. Zum Glück nicht in chronologischer Reihenfolge, zwar beginnt er mit seiner Ausbildung zum Vampirjäger beim Orden der Silberwächter (hartgesottene Kampfmönche), springt aber zwischendurch zu wichtigen Ereignissen (wie der Suche nach dem Gral) Jahre in die Zukunft und bringt so Abwechslung in seine Erzählung, statt die x-te Origingeschichte über Jugendliche, die zu Killern ausgebildet werden, zu erzählen.
Das Ganze spielt in einer düsteren, brutalen Grimdark-Welt, die der unseren ähnelt, mit einer ans Christentum angelehnten Religion und einer von Frankreich inspirierten Kultur. Vampire tauchen durchaus in Sekundärwelt-Fantasy-Romanen auf, aber selten so dominant. Ästhetisch erinnern Jay Kristoffs Buch sowie das Artwork von Bon Orthwick ein wenig an die Netflix-Serie Castlevania oder den Anime Vampire Hunter D.
Dt. Übersetzung von Kirsten Borchardt
Der fünfte Elefant | Terry Pratchett
Vampire treten in den Scheibenweltromanen von Terry Pratchett – ebenso wie Zombies, Werwölfe oder Golems – immer wieder mal auf, doch in Der fünfte Elefant verschlägt es Hauptmann Sam Mumm ins Herz der Finsternis: nach Überwald. Eigentlich ist er als Botschafter Ankh-Morporks in diplomatischer Mission unterwegs, gerät aber schnell in eine Kriminalermittlung und einen Konflikt zwischen Vampiren, Werwölfen und Zwergen.
Pratchett nimmt so einige Vampirklischees auf die Schippe: so sind sie nicht nur Blutsauger mit spitzen Zähnen, die sich in Fledermäuse verwandeln können (also die Vampire, nicht die Zähne), sondern tragen auch am liebsten Abendgarderobe, genau wie ein gewisser von Christopher Lee dargestellter Beißer. Sie sind auch nicht alle die blutrünstigen Monster, vielmehr haben sie sich längst zivilisiert und versuchen ihren Blutdurst durch andere Suchtmittel zu ersetzen oder bedienen sich bei Tieren. Eine wichtige Rolle spielt die Vampirin Lady Margalotta, die so etwas wie Lord Vetinaris Mentorin war.
Auch im Hexenroman Ruhig Blut geht es vor allem um das Vampirsein, das bekommt es dort nämlich mit Oma Wetterwachs zu tun, und wie das ausgeht, können sich erfahrene Scheibenweltleser*innen sicher denken. Und in Klonk! tritt mit Sally die erste Vampirin der Wache bei.
Dt. Übersetzung von Andreas Brandhorst
Die Fahrt der Shadowmoon | Sean McMullan
Die Fahrt der Shadowmoon ist der Auftakt zur Sean McMullans Mondwelten-Serie, die im Deutschen aus sechs Bänden besteht (und dort nicht abgeschlossen wurde), im englischen Original aus vier. Zum Kauf verführt hatte mich das deutsche Coverartwork, das an die damals enorm populären ersten beiden Fluch der Karibik-Filme angelehnt war und einen völlig falschen Eindruck vom Buch vermittelt („Stellen Sie sich vor, Johnny Depp wäre ein Elf. Und ‚Fluch der Karibik‘ aus der Feder von J. R. R. Tolkien“, schrieb der Verlag). Zwar ist die titelgebende Shadowmoon ein Schiff (ein kleiner Schoner, der zum U-Boot werden kann) und es geht auch auf hohe See, doch Piraten kommen keine vor und das Schiff spielt nur eine untergeordnete Rolle. Dafür aber einer der interessantesten Vampire der Fantasyliteratur.
Eigentlich geht es um einen größenwahnsinnigen Kaiser, der die Welt mit einer verheerenden Waffe namens Silbertod vernichten will. Und zu der Gruppe aus Held*innen, die das verhindern wollen, gehört neben dem Kapitän der Shadowmoon auch der 700 Jahre alte Vampir Laron, der im Körper eines 14-Jährigen steckt und ursprünglich aus unserer Welt stammt, was einige interessante und originelle Elemente in diese eigentlich klassische Fantasygeschichte bringt.
Dt. Übersetzung von Christian Jentzsch