Fantasy

Fünf Fantasy-Bücher mit Vampiren

Fünf Fantasy-Bücher mit Vampiren
Markus Mäurer, 06.07.2022
 

In Sekundärweltfantasy á la Der Herr der Ringe kommen Vampire eher selten vor. Sie sind vor allem in Horrorgeschichten aus unserer Welt oder in der Urban Fantasy anzutreffen. Doch es gibt sie, die High Fantasy oder Grimdark mit den Blutsaugern. Markus Mäurer stellt uns fünf entsprechende Bücher vor.

Sheridan Le Fanus Carmilla, Bram Stokers Dracula, Anne Rice Interview mit einem Vampir, Elizabeth Kostovas Der Historiker (mein Lieblingsvampirroman) oder Stephanie Meyers Twillight, der Mythos über Vampire begleitet uns in der Literatur schon seit mehr als hundert Jahren, und im Volksglauben schon seit vielen Jahrhunderten. Doch das ist ein anderer Artikel, den hat Alessandra Reß mit Alles, was du über Vampire wissen musst, bereits geschrieben, wo sie auch auf die Urban Fantasy eingeht, in der Vampire oft eine wichtige Rolle spielen.

Ich stelle heute fünf Fantasybücher vor, die in einer Sekundärwelt - also einer anderer als der unseren – spielen, und in denen Vampire vorkommen. Orks, Elfen, Zwerge, Goblins und Trolle, das sind oft die gängigen Wesen, die Sekundärwelten in unterschiedlichen Variationen bevölkern. Erstaunlicherweise tauchen jene Wesen, die die Mythen und Sagen unserer Welt seit dem 19. Jahrhundert dominieren, also neben Werwölfen eben die Vampire, dort eher selten auf. Als würde das die Immersion der fremden Welt stören. Doch es kann funktionieren.

Das Reich der Vampire | Jay Kristoff

Eine Welt, in der die Sonne nie wieder richtig scheint; in der die Vampire mittels blutiger Kriege langsam die Oberhand gewinnen und eine eigene Monarchie bilden; und in der die letzte Hoffnung der Menschheit auf dem desillusionierten Silberwächter Gabriel liegt. Der wiederum seine Lebensgeschichte kurz vor der drohenden Exekution einem vampirischen Historiker erzählt. Zum Glück nicht in chronologischer Reihenfolge, zwar beginnt er mit seiner Ausbildung zum Vampirjäger beim Orden der Silberwächter (hartgesottene Kampfmönche), springt aber zwischendurch zu wichtigen Ereignissen (wie der Suche nach dem Gral) Jahre in die Zukunft und bringt so Abwechslung in seine Erzählung, statt die x-te Origingeschichte über Jugendliche, die zu Killern ausgebildet werden, zu erzählen.

Das Ganze spielt in einer düsteren, brutalen Grimdark-Welt, die der unseren ähnelt, mit einer ans Christentum angelehnten Religion und einer von Frankreich inspirierten Kultur. Vampire tauchen durchaus in Sekundärwelt-Fantasy-Romanen auf, aber selten so dominant. Ästhetisch erinnern Jay Kristoffs Buch sowie das Artwork von Bon Orthwick ein wenig an die Netflix-Serie Castlevania oder den Anime Vampire Hunter D.

Dt. Übersetzung von Kirsten Borchardt

Der fünfte Elefant | Terry Pratchett

Vampire treten in den Scheibenweltromanen von Terry Pratchett – ebenso wie Zombies, Werwölfe oder Golems – immer wieder mal auf, doch in Der fünfte Elefant verschlägt es Hauptmann Sam Mumm ins Herz der Finsternis: nach Überwald. Eigentlich ist er als Botschafter Ankh-Morporks in diplomatischer Mission unterwegs, gerät aber schnell in eine Kriminalermittlung und einen Konflikt zwischen Vampiren, Werwölfen und Zwergen.

Pratchett nimmt so einige Vampirklischees auf die Schippe: so sind sie nicht nur Blutsauger mit spitzen Zähnen, die sich in Fledermäuse verwandeln können (also die Vampire, nicht die Zähne), sondern tragen auch am liebsten Abendgarderobe, genau wie ein gewisser von Christopher Lee dargestellter Beißer. Sie sind auch nicht alle die blutrünstigen Monster, vielmehr haben sie sich längst zivilisiert und versuchen ihren Blutdurst durch andere Suchtmittel zu ersetzen oder bedienen sich bei Tieren. Eine wichtige Rolle spielt die Vampirin Lady Margalotta, die so etwas wie Lord Vetinaris Mentorin war.

Auch im Hexenroman Ruhig Blut geht es vor allem um das Vampirsein, das bekommt es dort nämlich mit Oma Wetterwachs zu tun, und wie das ausgeht, können sich erfahrene Scheibenweltleser*innen sicher denken. Und in Klonk! tritt mit Sally die erste Vampirin der Wache bei.

Dt. Übersetzung von Andreas Brandhorst

Die Fahrt der Shadowmoon | Sean McMullan

Die Fahrt der Shadowmoon ist der Auftakt zur Sean McMullans Mondwelten-Serie, die im Deutschen aus sechs Bänden besteht (und dort nicht abgeschlossen wurde), im englischen Original aus vier. Zum Kauf verführt hatte mich das deutsche Coverartwork, das an die damals enorm populären ersten beiden Fluch der Karibik-Filme angelehnt war und einen völlig falschen Eindruck vom Buch vermittelt („Stellen Sie sich vor, Johnny Depp wäre ein Elf. Und ‚Fluch der Karibik‘ aus der Feder von J. R. R. Tolkien“, schrieb der Verlag). Zwar ist die titelgebende Shadowmoon ein Schiff (ein kleiner Schoner, der zum U-Boot werden kann) und es geht auch auf hohe See, doch Piraten kommen keine vor und das Schiff spielt nur eine untergeordnete Rolle. Dafür aber einer der interessantesten Vampire der Fantasyliteratur.

Eigentlich geht es um einen größenwahnsinnigen Kaiser, der die Welt mit einer verheerenden Waffe namens Silbertod vernichten will. Und zu der Gruppe aus Held*innen, die das verhindern wollen, gehört neben dem Kapitän der Shadowmoon auch der 700 Jahre alte Vampir Laron, der im Körper eines 14-Jährigen steckt und ursprünglich aus unserer Welt stammt, was einige interessante und originelle Elemente in diese eigentlich klassische Fantasygeschichte bringt.

Dt. Übersetzung von Christian Jentzsch

Die Narbe/Leviathan (The Scar) | China Miéville

Nach den Ereignissen aus Perdito Street Station hat die Linguistin Bellis Schneewein New Crobuzon per Schiff fluchtartig verlassen und landet durch einen Piratenüberfall (hier gibt es sie wirklich) auf der riesigen schwimmenden Stadt Armada, die aus tausenden von zusammengeschlossenen Schiffen besteht. Bellis wird zur Tätigkeit als Bibliothekarin in der Sammlung aus gestohlenen Büchern gezwungen, wo sie ein geheimnisvolles Buch entdeckt und New Crobuzon vor einer großen Gefahr warnen muss.

Die Narbe – das englische Original The Scar wurde im Deutschen auf zwei Bände aufgeteilt – ist einer von drei Bas-Lag-Romanen, die völlig unabhängig voneinander gelesen werden können. Sie werden oft dem Genre des New Weird zugezählt, und es kann durchaus behauptet werden, dass Miéville diesem zu einer neuen Renaissance verholfen hat. Es handelt sich eindeutig um eine Sekundärwelt, die von der Struktur her sehr modern daherkommt, in der es aber auch Magie und magische Wesen gibt, und vor allem ganz viele nicht-menschliche in den bizarrsten Ausführungen. Es gibt Elektrizität und einige modernere zivilisatorische Errungenschaften, aber alles so originell und eigenständig erschaffen, dass es sich nur schwer einordnen lässt. Die Vampire in dieser Welt werden (im Original) Ab-Dead genannt und sind den unseren nicht unähnlich. Sonnenlicht bringt sie allerdings nur sehr langsam um, und die eigentlichen Vampire, denen es nach Blut dürstet (nicht zu verwechseln mit dem Moskito-Volk), werden unter den Ab-Dead als Junkies und Ausgestoßene betrachtet. In Die Narbe stellen die Ab-Dead eine wichtige politische Kraft auf Armada, allen voran der Schurke Der Brucolac.

Die Narbe ist eine opulente Wundertüte voller bizarrer Phantastereien, intellektuell fordernd und stilistisch sehr anspruchsvoll verfasst.

Dt. Übersetzung von Eva Bauche-Eppers

Drei Viertel tot | Max Gladstone

Drei Viertel tot spielt in einer Welt, die der von Miévilles Bas-Lag nicht unähnlich ist. Eindeutig eine Fantasywelt mit Magie und phantastischen Wesen, aber von der Gesellschaftsstruktur sehr modern. Hauptfigur Tara arbeitet für eine nekromantische Anwaltsfirma. Gerichtsverhandlungen werden mittels Magie ausgetragen. Tara muss den verlöschten Gott Kos wiederbeleben und gerät in eine große Verschwörung. Währenddessen die zweite Hauptfigur Justiz einen Mordfall aufklären muss, was dem ganzen Buch den Charakter eines Krimis verleiht.

Vampire spielen hier ehrlich gesagt keine so große Rolle, aber sie kommen vor. Und ich kann mir einfach keine Gelegenheit entgehen lassen, dieses tolle Buch zu empfehlen. Gladstone hat hier eine fantasievolle und höchst originelle Welt erschaffen, die sich in keine Kategorie pressen lässt. Und eine Geschichte, die von Anfang bis Ende gut durchkonzipiert eine faszinierende Idee verfolgt. Drei Viertel tot ist der Auftakt zu sogenannten Craft-Sequence bzw. der Kunstwirker-Chronik, deren Romane aber unabhängig voneinander gelesen werden könne.

Dt. Übersetzung von Helga Parmiter

Auch erwähnenswert

In Karl Edward Wagners Kane-Geschichten taucht der Magier einmal selbst als Vampir auf, einmal wird er von einer Art Vampirin gefangen genommen, die seine Lebensenergie trinken will, was bei einem Wesen, das zur Unsterblichkeit verdammt ist, keine gute Idee ist. In den Romanen zum Fantasyrollenspiel Dungeons und Dragons gibt es mit Ravenloft eine ganze Reihe, in der Vampire im Mittelpunkt stehen.

Das waren jetzt fünf Romane von Männern, die ich hier präsentiert habe, was einfach daran liegt, dass ich keinen passenden Titel von einer Frau im Regal stehen bzw. gelesen habe. Die Dhampir-Reihe von Barb J. C. Hendee könnte unter diese Kategorie fallen.

Markus Mäurer

Der ehemalige Sozialpädagoge und Absolvent der Nord- und Lateinamerikastudien an der FU Berlin, der seit seiner Kindheit zwischen hohen Bücherstapeln vergraben den Kopf in fremde Welten steckt, verfasst seit über zehn Jahren Rezensionen für Fantasyguide.de, ist ebenso lange im Science-Fiction- und Fantasy-Fandom unterwegs (Nickname: Pogopuschel) und arbeitet seit einigen Jahren als Übersetzer phantastischer Literatur. www.lesenswelt.de/