Fantasy

Fünf Fantasy-Bücher, die in keine Schublade passen

Banner Fünf Fantasy-Bücher, die in keine Schublade passen

BUCH

 

Lisa-Marie Reuter, 11.05.2021

In Büchern wie im wahren Leben passt nicht immer alles in vorgefertigte Kisten. Und manchmal sind das genau die schönsten Erlebnisse: die auf der Grenze. Unsere Autorin Lisa-Marie Reuter (“Exit this City”) stellt fünf Crossgenre-Titel vor, die sie begeistert haben.

Das Lied der Wächter | Thomas Erle

Der 16-jährige Felix hat seine Eltern nie kennengelernt. Sie gelten als vermisst, seitdem ein Atomunfall den Schwarzwald zur unbewohnbaren Sperrzone gemacht hat. Um sie zu finden, dringt Felix auf eigene Faust in das streng abgeriegelte Gebiet ein. Was er dort vorfindet, ist jedoch bei weitem kein verstrahltes Niemandsland. Eine unsichtbare Macht hat sich wie ein Gespinst im Schwarzwald ausgebreitet und lähmt alle, die in ihren Einflussbereich geraten. Auf seinem Weg durch die Wildnis und apokalyptisch verlassene Ortschaften kommt Felix der Ursache der geheimen Kraft Schritt für Schritt näher.

Thomas Erle mischt Abenteuer mit Mystery und Regio-Schauplätze mit Endzeit-Flair. Wer dem Rätsel der fremden Macht auf den Grund gehen will, muss Geduld mitbringen. Über drei Bände erkundet Felix beinah jeden Winkel des Schwarzwalds. Das ist stimmungsvoll beschrieben und bietet Platz für spannende Gedankenspiele, entfaltet seinen ganzen Reiz aber wohl vor allem für Leser*innen, die die beschriebenen Orte auch selbst kennen. Fantasyfans kommen mit der Auflösung womöglich nicht ganz auf ihre Kosten.

The Diviners. Aller Anfang ist böse | Libba Bray

Im New York der 1920er Jahre geht ein Serienkiller um, der übernatürliche Kräfte zu haben scheint. Als die Polizei den Leiter des Museums für Amerikanisches Volkstum, Aberglauben und Okkultismus um Hilfe bittet, ergreift dessen Nichte Evie die Chance, sich an den Ermittlungen zu beteiligen. Denn Evie hat die Gabe, Gegenständen die intimsten Geheimnisse ihrer Besitzer zu entlocken. Aber was für sie bisher ein harmloser Partytrick war, führt sie nun in die tiefsten Abgründe eines monströsen Falls.

Im Zentrum von The Diviners steht ein Ensemble spannender Figuren, die allesamt ein übersinnliches Geheimnis hüten. Horror- und Fantasyelemente bringen extra Pepp in die 700 Seiten starke Thriller-Handlung. Das 20er-Jahre-Setting kommt so düster und opulent daher wie in Babylon Berlin und verleiht dem Fantasyschmöker eine ganz eigene Atmosphäre. Auch wenn der Fall am Ende gelöst wird, bleiben viele Fragen rund um die Hauptfiguren offen. Wer die auf vier Bände angelegte Reihe bis zum Ende lesen will, muss nach der Hälfte allerdings auf Englisch umsteigen, da nur Band 1 und 2 ins Deutsche übersetzt wurden.

Hollow Kingdom. Das Jahr der Krähe | Kira Jane Buxton

Die zahme Krähe S.T. lebt zusammen mit seinem Menschen Big Jim und dem Bloodhound Dennis in Seattle. Als die Zombie-Apokalypse ausbricht und die menschliche Zivilisation kollabiert, verliert S.T. auf einen Schlag alles, was ihm lieb und teuer ist (Cheetos, Fernsehen und gemeinsame Autospritztouren mit Big Jim). In einer Stadt, die plötzlich von lebenden Leichen und Raubtieren aus der Wildnis heimgesucht wird, ist der Menschenkenner S.T. der einzige, der den alleingelassenen Haustieren helfen kann.

Hollow Kingdom lebt von S.T.s schnodderiger Erzählstimme und von den durchgeknallten tierischen Helden. Die Reise durch eine Stadt ohne Menschen hält unserer technologieverliebten Welt gekonnt den Spiegel vor. In Kira Jane Buxtons Roman liegen Tragik und Komik nah beieinander – Splatter-Horror trifft Nature Writing. Obendrauf gibt’s eine ordentliche Portion Eichhörnchen-Bashing.

Hyde | Antje Wagner

Eine verschlossene junge Frau mit tiefen Narben. Ein vergangenes Trauma, das sich Bruchstück für Bruchstück zusammensetzt. Ein Haus im Wald, das Schmerz zu spüren scheint wie ein Lebewesen.

In Hyde beschreibt Antje Wagner den Weg der Protagonistin Katrina ins dunkle Tal ihrer Seele und wieder zurück. Die Geschichte entfaltet sich auf verschiedenen Zeitebenen und entwickelt dadurch einen ebenso stillen wie starken Sog. Coming-of-Age und Mystery bilden das Fundament des Romans. Das Fantasyelement wird zunächst sanft eingestreut, trägt aber entscheidend zur überraschenden Auflösung bei.

Ich bin kein Serienkiller | Dan Wells

John Cleaver ist kein Serienkiller – aber er wäre gern einer. Damit es nicht so weit kommt, geht er brav zur Therapie (Diagnose: Soziopathie) und lebt seine Faszination für Tote im familieneigenen Bestattungsunternehmen aus. Er hat seine Dämonen im Griff – bis zu dem Tag, als ein echter Serienkiller in seiner Heimatstadt umgeht. Denn als John den Spuren des Killers folgt, bekommt er es plötzlich mit erschreckend realen Dämonen zu tun.

Was als konventioneller Thriller mit unkonventioneller Hauptfigur beginnt, mausert sich in der zweiten Hälfte zu einem rasanten Dark-Fantasy-Spektakel. John Cleaver ist ein Antiheld mit Tiefgang, der in den insgesamt sechs Bänden der Reihe eine mitreißende Entwicklung durchmacht. Die Serienkiller-Romane lassen sich mindestens genauso gut wegsuchten wie eine Netflix-Serie.