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Pen & Paper für Anfänger: Was sind eigentlich Rollenspiele?

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Marie Mönkemeyer, 08.06.2018

Selbst in fremde Welten eintauchen, Charaktere entwickeln, Abenteuer mitgestalten – bei Rollenspielen ist die einzige Grenze die eigene Fantasie. Hier findet ihr ein kleines Einmaleins, was Pen&Paper-Rollenspiele sind und eine Vorstellung einiger bekannter Rollenspielsysteme.

Rollenspiele an sich sind den allermeisten vertraut, Kinder spielen Räuber und Gendarm und im geschäftlichen Umfeld werden hin und wieder Übungsgespräche mit fiktiven Kunden ebenfalls als Rollenspiel bezeichnet.

Auch bei Pen&Paper-Rollenspielen, oft einfach nur Rollenspiele genannt, schlüpfen die Beteiligten in Rollen, die sie üblicherweise nicht innehaben (denn wer ist schon den ganzen Tag eine Jedi oder ein Zwergenkrieger), um eine Geschichte zu erleben. Meistens findet dies in einer Gruppe statt, sei es mit Freunden oder mit Menschen, die man zu diesem Zweck über das Internet oder auf einer Convention kennengelernt hat.

Üblicherweise übernimmt eine Person in der Gruppe die Rolle des Spielleiters, oder Meisters, die anderen schlüpfen in die Rollen ihrer Charaktere. Aufgabe des Spielleiters ist es, die bespielte Welt zu beschreiben, die Rollen von Freunden und Feinden der Spielercharaktere zu übernehmen und die gemeinsame Handlung voranzubringen.

Regeln helfen dabei, herauszufinden, ob die Handlungen der Spielercharaktere auch funktionieren. Denn das Ergebnis einiger Spieleraktionen wird mit Würfeln ermittelt, beispielsweise der Ausgang eines Kampfes. Dabei hat jeder Spielercharakter ein eigenes Werteset, das in einigen Zahlen die Fähigkeiten und Eigenschaften abbildet, die Zahlenwerte geben also an, wie stark oder klug die Figur beispielsweise ist, wie gut sie kämpfen kann oder wie viel sie über ein Thema weiß. Diese Werte können die Würfelergebnisse beeinflussen oder in Relation zur Schwierigkeit einer Aufgabe gestellt werden.

Dieses Werteset kann sich je nach gewähltem Regelsystem stark unterscheiden und in den allermeisten durch Erfahrungspunkte immer weiter verbessert werden, die Spielercharaktere werden also stärker, klüger und können sich gefährlicheren Gefahren stellen. Diese Werte wurden ursprünglich auf ein Blatt Papier geschrieben, daher auch die Bezeichnung  Pen&Paper, zu deutsch Stift und Papier, wobei in den letzten Jahren zunehmend digitale Möglichkeiten verwendet werden.

Keine Kostüme?

Aber braucht man nicht auch ein Kostüm?  Es gibt doch Leute, die man manchmal auf dem Weg zum Rollenspiel kostümiert am Bahnhof sehen kann. Die passende Antwort wäre ein entschiedenes Jein. Abgesehen davon, dass es zahlreiche Gründe gibt, warum kostümierte Menschen an Bahnhöfen zu sehen sind, Halloween, Karneval, Cosplay-Conventions, Buchmessen und so weiter, wird für Pen&Paper-Rollenspiel kein Kostüm benötigt.

Interaktion zwischen Spielercharakteren werden zwar in den meisten Runden direkt ausgespielt, in vielen sind auch Karten oder Skizzen des bespielten Ortes beliebt, doch die namensgebenden Stifte, Papier und Würfel sind ausreichend.

Es gibt jedoch auch eine Variante des Rollenspiels, bei der Spieler und Helfer des Spielleiters sich kostümieren und für eine Zeit, oft ein Wochenende, ganz in die bespielte Welt eintauchen. Dies wird als Live Action Role Playing, kurz LARP, bezeichnet und hat ähnlich viele Varianten wie sein Gegenstück am Spieltisch.

Verschiedene Regeln

Wie bereits erwähnt gibt es für LARP, vor allem aber für Pen&Paper-Rollenspiele, unterschiedliche Regelsysteme. Diese haben sich im Laufe der Zeit herausgebildet und sind oft für sehr unterschiedliche Settings gedacht und an diese angepasst (wer braucht in einer mittelalterlichen Fantasywelt schon Regeln für Raumschiffe), sollen verschiedene Ansprüche erfüllen und nutzen zudem unterschiedliche Würfel.

Für etliche dieser Regelsysteme gibt es zahlreiche Regel- und Hintergrundbücher sowie vorgefertigte Geschichten zum Nachspielen, sogenannte Abenteuer, zu kaufen. Andere Regel- oder Rollenspielsysteme kommen mit nur einigen, knappen Seiten aus.

Eines jedoch teilen sie alle, was sie auch von Computerspielen unterscheidet: die einzige Grenze des Möglichen ist die eigene Fantasie (und die Absprache in der Gruppe, was man denn nun spielt). Es gibt Rollenspiele in den verschiedensten Genres von klassischer Fantasy über Vampire bis zu Superhelden, Abenteuer im Weltraum, im Flugschiff oder im Schein einer Gaslaterne.

Besonders beliebte, weit verbreitete Systeme

„Dungeons and Dragons“

„Dungeons and Dragons“, kurz D&D, gilt als das älteste Pen&Paper-Rollenspiel der Welt und hat das Genre entscheidend geprägt. Es wurde von den US-Amerikanern Gary Gygax und Dave Arneson aus taktischen Simulationsspielen entwickelt, wobei die Spieler einen einzelnen Charakter anstelle eines Militärverbandes erhielten, auch ging es weniger um historische Schlachten, sondern um die gemeinsame Erkundung finsterer Verliese. Mittlerweile ist Dungeons and Dragons in der fünften Regeledition angekommen und hat auch unsere Vorstellung einer klassischen Fantasywelt entscheidend mitgeprägt: finstere Nekromanten, mächtige Artefakte, grausame Drachen und tiefe, mit Schätzen gefüllte Verliese, die nur darauf warten, erbeutet zu werden.

D&D wird nachgesagt, sich stark auf die Aspekte Monster metzeln und Schätze sammeln zu konzentrieren. Doch seit 1974 brechen Spieler nun schon in finstere Kerker auf und D&D hat seinen Niederschlag unter anderem in unzähligen Computerspielen gefunden.

„Das Schwarze Auge“

„Das Schwarze Auge“, oft kurz DSA genannt, war in den 1980ern der Versuch einiger Deutscher, an den damals großen Erfolg der amerikanischen Rollenspiele anzuknüpfen. Aventuria, wie das Fantasyrollenspiel ursprünglich heißen sollte, kam beim Spieleverlag Schmidt Spiele unter, bekam einen neuen Namen und war einige Jahre in jedem Kaufhaus erhältlich. Davon ist Das Schwarze Auge mittlerweile wieder weit entfernt, wird aber nicht ganz zu unrecht als das größte deutsche Rollenspiel bezeichnet. Wie auch Dungeons and Dragons ist von Das Schwarze Auge mittlerweile die fünfte Regeledition erhältlich.

Das Schwarze Auge steht mit seiner ausgedehnten Regeltiefe in dem Ruf, etwas zu kleinteilig zu sein und für alles eine komplizierte Regel zu haben. Es versucht jedoch, für jeden Spielgeschmack etwas zu bieten und vereint deswegen auf dem Kontinent zahlreiche Kulturen und Szenarien mit Anleihen in den verschiedensten irdischen Kulturen und Zeiten von Piraten über klassische Fantasy und Wikinger bis zu tausendundeiner Nacht und Dschungelabenteuern.

„Shadowrun“

„Shadowrun“ ist das dritte Rollenspiel in dieser Liste, das bereits in der fünften Regeledition auf dem Markt ist. Anders als die beiden vorherigen ist es jedoch nicht auf einer fantastischen Welt angesiedelt, sondern auf der Erde, wenn auch in einer nahen Zukunft. Das Spiel kombiniert dabei klassische Elemente der Cyberpunk-Science-Fiction – übermächtige Konzerne, technische Weiterentwicklungen und Cyborgs – mit Elementen der Fantasy wie Magie und mehreren nicht-menschlichen Rassen wie Orks oder Zwergen.

Anders als in vielen Rollenspielen klassischerer Fantasyprägung werden bei Shadowrun weniger typische Helden gespielt, die Spielercharaktere sind eher entbehrliche Söldner und andere Personen für heikle und oft auch illegale Aufträge. Wer in den Schatten läuft, rettet seltener die Welt. Aufgrund der zahlreichen Gefahren dieses Settings und der technischen wie magischen Möglichkeiten hat Shadowrun etwas den Ruf bekommen, oft ausgiebige Planungen und wilde Feuergefechte zu beinhalten.

 „Vampire: Die Maskerade“

„Vampire: Die Maskerade“ machte bei seiner Ersterscheinung Anfang der Neunziger so ziemlich alles anders als andere Rollenspiele und eroberte sich damit eine Reihe treuer Fans. Es ging plötzlich nicht mehr darum, in Kerkern nach Schätzen zu suchen und Monster zu erschlagen, stattdessen waren die Spielercharaktere Vampire, die um Macht mit- und gegeneinander stritten. Dafür rückte soziale Interaktion ins Zentrum der Regeln. Auch die Würfel wurden im Spiel um Macht unwichtig, Vampire ist eines der ersten sogenannten Storytellingsysteme.

Nach den Vampiren in Gegenwart und Vergangenheit folgten in der als Welt der Dunkelheit bezeichneten Spielwelt, eine alternative Erde, zahlreiche weitere Settings, bei denen üblicherweise übernatürliche Wesen von Werwölfen über Zauberer bis Mumien gespielt werden.

Die Welt der Dunkelheit machte auch sonst vieles anders, die ersten Cover wurden nur von einfachen, grafischen Elementen geziert und nicht wie damals üblich von bunten Bildern. Anders als die anderen, hier vorgestellten Systeme hat sie es außerdem nicht geschafft, weiter als bis zur zweiten Regeledition zu kommen. Da zudem ein Teil der Bücher nie ins Deutsche übersetzt wurde und Spieler so die englischen nutzten, wird häufig auch von der World of Darkness gesprochen. Da sich die zweite Regeledition von den Fans eher verhalten aufgenommen wurde, hat man die erste Edition neu aufgelegt.

 

Und sonst noch?

Daneben gibt es unzählige weitere Rollenspielsysteme, die von einfachen, gut zugänglichen Regeln bis zu anspruchsvoller Mathematik und von naheliegenden Settings wie Mittelerde bis zu eher schrägen Spielorten wie einem Gemüsebeet variieren. Dabei lassen sich viele Spielmöglichkeiten innerhalb und abseits klassischer, ans Mittelalter angelehnter Fantasy finden. Es gibt Rollenspiele in der Welt von H.P. Lovecraft, auf Westeros und in Equestria, bei der Sternenflotte, auf einem Battlestar, der Serenity und bei den Rebellen.

Außerdem gibt es eine Reihe Regelsysteme, die nicht an eine spezifische Welt oder ein bestimmtes Setting gebunden sind, sogenannte Universalsysteme. Letztlich ist für jeden Geschmack etwas zu finden, die einzige Grenze ist immer die Fantasie.

Marie Mönkemeyer

Marie Mönkemeyer wuchs in der norddeutschen Tiefebene in einem Haus voller Lesestoff auf. Die studierte Archäologin und Historikerin betrachtet Bücher als eine Art Grundnahrungsmittel und kann guten Erzählungen kaum widerstehen. Bereits seit sie schreiben kann, bringt sie einen Teil der Geschichten, die in ihrem Kopf herumschwirren zu Papier. Mittlerweile lebt sie im Rhein-Main-Gebiet, wo sie sich als freie Autorin, Lektorin und Übersetzerin vergangenen Zeiten und fantastischen Abenteuern widmet.

2017 erschien mit „Kurs Südmeer“ ihr erster Roman in der Welt von „Das Schwarze Auge“, für das sie seit 2011 Texte verschiedenster Art verfasst.