Science Fiction

James Tiptree Jr. – das Pseudonym als Befreiungstechnologie

Alice B. Sheldon/James Tiptree Jr.

Aiki Mira, 05.01.2024

Für Frankie!

Aiki Mira – Science-Fiction-Autorx von Romanen wie Neongrau – oder aktuell Neurobiest – nutzt selbst ein Pseudonym und fragt sich: Kann ein Pseudonym mehr sein als nur ein Name? Am Beispiel von James Tiptree Jr. und der Novelle The Girl Who Was Plugged In zeigt Aiki Mira das utopische Potential des Pseudonyms und wie wir uns damit befreien können.

James Tiptree Jr. oder Alice B. Sheldon?

Bereits zu Lebzeiten wird James Tiptree Jr. dafür gefeiert zugleich feministisch und anders männlich zu schreiben. Von Anfang an ist klar: James Tiptree Jr. ist ein Pseudonym. Es wird spekuliert, ob sich dahinter ein CIA-Agent versteckt. Dass es sich bei Tiptree um einen Mann handelt – daran wird kaum gezweifelt. Sowohl der Herausgeber Robert Silverberg als auch die feministische Autorin Joanna Russ können sich nicht vorstellen, dass eine Frau auf diese Art schreiben kann – bis Fans im Jahr 1976 genau das herausfinden: Hinter dem Pseudonym James Tiptree Jr. steht die Autorin Alice B. Sheldon.

Aus ihrem Tagebuch wissen wir, dass Sheldon mit ihrem Körper und Gender haderte:

„Wie ich es hasse, eine Frau zu sein. […] Ich stecke in diesem verkehrten, zweitklassigen Körper fest; meinem Leben.“ (Phillips: S.631)

Für ihr männliches Pseudonym richtete sie ein eigenes Bankkonto und eine eigene Postadresse ein. Als „Tip“ schloss sie enge Brieffreundschaften, beteiligte sich an aktuellen feministischen Diskursen – wurde zugleich eine öffentliche und private Persönlichkeit. Um das queere Leben anzuerkennen, das Sheldon bis zur gewaltsamen Enttarnung geführt hat, scheint es mir angemessen von Tiptree/Sheldon zu sprechen.

Heute haben wir Begriffe wie trans, genderqueer oder nichtbinär für Personen, die sich nicht oder nicht ausschließlich weiblich und/oder männlich verstehen.

Welche Pronomen hätte Tiptree/Sheldon benutzt? Sie oder er? Oder ein nichtbinäres they?

Da ich das nicht weiß, werde ich bei Tiptree/Sheldon auf Pronomen verzichten.

The Girl who was plugged in: Autorx plugged in

Die preisgekrönte Novelle von James Tiptree Jr. aus dem Jahr 1973 The Girl who was plugged in (dt. Das ein- und ausgeschaltete Mädchen, in Liebe ist der Plan) wird gern als Metapher für Tiptree/Sheldons Identität gelesen. In der Geschichte steuert die als monströs beschriebene Frau Burke einen künstlichen, normschönen Mädchen-Körper namens Delphi. Aufgabe und Funktion von Delphi beschränken sich darauf, Werbung für Produkte machen zu müssen, ohne dass es nach Werbung aussieht – eine sehr frühe Idee der Influencer*in.  

Die Geschichte beinhaltet alle Themen des Cyberpunks, noch bevor es den Begriff Cyberpunk überhaupt gibt: Kapitalismus, Konzerne, Körper-Entgrenzung und Cyber-Tech. Es wird angenommen, dass die Story den Cyberpunk von William Gibson mitgeprägt hat. Der Autor Samuel R. Delany versteht die feministische Science-Fiction der 1970er – zu der auch James Tiptree Jr. gehörte – sogar als die Mutter des Cyberpunks (vgl. Delany 1994: S.177).

Dem späteren Cyberpunk weit voraus thematisiert The Girl who was plugged in bereits den Medienkapitalismus. Im Gegensatz zum Cyberpunk der 1980er wird das Verschmelzen mit Tech jedoch nicht romantisiert und der Körper nicht unsichtbar gemacht. In Tiptrees feministischer Science-Fiction wird die Körper-Tech-Verschmelzung zur Niederlage und damit feministisch kritisierbar und hinterfragbar. Obendrein wird in der Figur Burke ein abjekter, intersektionaler Körper artikuliert.

Über Delphi nimmt Burke die Rolle der Influencer*in ein, erhält dadurch Zugang zum öffentlichen gesellschaftlichen Leben und beginnt eine Liebesbeziehung mit Paul, der sich in den normschönen Körper von Delphi verliebt – ohne zu ahnen, dass dieser von Burke gesteuert wird. Am Ende wird Burke enttarnt und von Paul umgebracht, der glaubt dadurch Delphi zu retten.

Es ist nicht überraschend, dass die Story als eine Metapher für Tiptree/Sheldons Identität gelesen wird. Eine solche Interpretation setzt das männliche Pseudonym mit einem idealisierten Körper gleich. Alice B. Sheldon – eine fünfundsechzigjährige Frau, die Science-Fiction schreibt – wird dagegen als gesellschaftlich inakzeptabel verstanden und in die Nähe des Monströs-Abjekten gerückt.

Oder anders ausgedrückt: Das private unzulängliche Ich Alice B. Sheldon (Burke) steuert die gesellschaftlich akzeptierte Persönlichkeit James Tiptree Jr. (Delphi).

Mir drängt sich eine andere Lesart auf.

Eine von Cyborgs und Transidentitäten.

Cyborgs und Transidentitäten

In der Geschichte Utopie27 lasse ich die asexuelle Figur Lu VR-Tech nutzen, um in den Körper einer Drohne zu schlüpfen. Dadurch entsteht eine neue Form der Transidentität: Lu identifiziert sich stärker mit Maschinen, als damit, ein Mensch zu sein. Die zugewiesene Mensch-Identität legt Lu schließlich ab, um Drohne zu werden. Doch Transformation wird für Lu wortwörtlich ein Schritt ins Ungewisse.

Wie Technologie und Transidentität zusammenhängen, verdeutlicht der Begriff Cyborg.

Donna Haraway zeigt in ihrem Cyborg Manifest, dass Cyborgs Binaritäten transzendieren können. Als Mischwesen aus Technologie und Mensch lassen sie die Grenzen zwischen Natur, Mensch und Maschine kollabieren. Angelegt als hybride Körper sind Cyborgs immer auch Transidentitäten.  

Kann die Körper-Tech-Verschmelzung Burke/Delphi als Transidentität verstanden werden?

Auf dem ersten Blick sieht es so aus, als ob Burke den künstlichen Körper Delphi steuert. Um jedoch als Einheit zu funktionieren, sind beide aufeinander angewiesen. Am Ende wird der tote Mensch Burke als „cybersystem“ beschrieben. In Delphi wiederum bleiben Echos von Burke zurück und sie spricht nach Burkes Tod mit deren „ghost-voice“ (Geisterstimme).  

Doch weder innerhalb der Geschichte noch in der Art wie die Geschichte rezipiert wurde, wird Burke/Delphi als Transperson gelesen. Die Unfähigkeit Transidentität zu erkennen, führt in der Geschichte dazu, dass Paul am Ende Burke tötet und damit auch einen Teil von Burke/Delphi.

Delphis Körper wird mit einer neuen Person verschmolzen, aber an der Sichtweise auf diesen neuen Cyborg hat sich nichts geändert: das Transidentitäre bleibt der Gesellschaft weiterhin verborgen. Uns Lesenden wird durch Tiptree/Sheldons Text die Möglichkeit gegeben mehr wahrzunehmen: im unlebbar gemachten Transkörper bleiben Glitches zurück – die Geisterstimme eines ungelebten Lebens.

Reduzieren wir Burke/Delphi auf Burke oder Tiptree/Sheldon auf Sheldon entgehen uns, genau wie dem männlichen Erzähler, wichtige Teile queeren Lebens.

Das Pseudonym als Drag Performance

Über den eigenen Körper schreibt Alice B. Sheldon:

„Ich passe nicht zu meinem Äußeren. Ich lebe in meinem Körper und in meiner gesellschaftlichen Rolle wie in einem fremden Artefakt. Das mich zu einem Lebensstil verpflichtet, der nicht meiner ist; könnte ich irgendwie das Innere nach außen kehren, es integrieren.“ (Phillips: S.632).

Der normschöne Körper von Delphi kann als ein Konstrukt – ein Artefakt – verstanden werden, das gesellschaftliche Erwartungen erfüllt. Sheldon sehnt sich nach etwas anderem, nämlich danach das Innere nach außen zu kehren und gesellschaftlich zu integrieren. Die als monströs-abjekt beschriebene Burke, deren Körper vor der Gesellschaft versteckt und in einer Kabine eingeschlossen wird, kann als dieses Innere interpretiert werden.

In meiner Lesart repräsentiert folglich der als monströs und abjekt wahrgenommene Körper, den queeren, anderen Teil von Alice B. Sheldon, den sie vor der Gesellschaft verstecken muss, aber nach außen kehren und integrieren möchte. In der Geschichte The Girl who was plugged in gelingt das nicht. Der abjekte Körper wird in der Transidentität Burke/Delphi zwar integriert, bleibt aber unsichtbar.

In der Transidentität Tiptree/Sheldon wird der abjekte, monströsen Teil dagegen endlich sichtbar und gesellschaftlich integriert – in Gestalt von James Tiptree Jr. sogar lebbar gemacht!

Unter James Tiptree Jr. zu veröffentlichen, ermöglicht Tiptree/Sheldon nicht nur queer zu leben, sondern auch queer zu schreiben. In The Girl who was plugged nutzt Tiptree/Sheldon eine männliche Erzählstimme, um Männlichkeit zu durchque(e)ren: sich männliche Identität anzueignen, auszuleben, aber auch zu dekonstruieren, neu zu erfinden.

Wie bei einer Drag Performance kann dadurch Gender-Identität zugleich konstruiert und dekonstruieret werden. Im männlichen Erzähler kann Tiptree/Sheldon Formen von Männlichkeit ausleben, zugleich aber die Lücken dieser Erzählperspektive demonstrieren. Eine kaum aushaltbare Leseerfahrung: das Innenleben von Burke/Delphi wird uns Lesenden nähergebracht, wir entwickeln dadurch Empathie für Burke/Delphi, sind aber zugleich der gesellschaftlichen Gewalt ausgeliefert, die von der Erzählstimme verkörpert wird. Eine Stimme, die auf Grund ihres Sexismus weder Empathie für Burke/Delphi entwickelt, noch deren komplexe Transidentität wahrnimmt. Wir Lesende werden gezwungen dieser Stimme zu zuhören, können der von ihr ausgeübten Gewalt genauso wenig entkommen wie Burke/Delphi.

Zugleich wird die männliche Stimme von Tiptree/Sheldon entmächtigt: weder der Erzähler noch Paul bekommen Burke/Delphi zu fassen. Beide sehen und hören nicht, was wir sehen und hören: dass es sich um einen widerspenstigen Körper, einen Transkörper handelt, der mehr als nur ein kapitalistisches Werkzeug sein will.

Die Gewalt der Gesellschaft wird hypersichtbar gemacht und dekonstruiert. Daraus (re)konstruiert Tiptree/Sheldon wiederum Texte, die neu und verstörend sind, sowie eine eigene queere Identität, Tiptree/Sheldon nennt diese Identität „magische Männlichkeit“ (Phillips: S. 631). 

Auch bei einer Drag Performance werden gesellschaftliche Strukturen exponiert und in Form von queerer Identität neu angeeignet: Die Gewalt der Binarität wird hypersichtbar gemacht – dekonstruiert – und als queere Identität – als Drag Queen oder Drag King – neu (re)konstruiert.

Wege in die Utopie

In der Geschichte Utopie27 lasse ich Lu mittels Virtualität an einen utopischen Ort gelangen: ein Ort, an dem die Mensch-Maschine Binarität überwunden werden kann. Ein Ort, an dem Lu endlich Mensch/Drohne sein kann. Der Gebrauch eines Pseudonyms kann ein Weg sein, um zu einem utopischen Ort zu gelangen, an dem Geschlechterunterschiede weder trennend noch mit Machtungleichgewichten behaftet sind und Mann-Frau-Binariäten überwunden werden. Ein Ort, an dem wir Grenzen auflösen: zwischen Mensch und Maschine, zwischen Geburt und Herstellung, zwischen Leben und Tod, zwischen Materialität und Virtualität. Was daraus entsteht ist queer, komplex und widersprüchlich im besten Sinne.

Dieses utopische Potential scheint mir in Burke/Delphi und in Tiptree/Sheldon bereits angelegt. Die zurückbleibende Geisterstimme zeigt, dass die Transidentität Burke/Delphi mehr sein will – und sein kann! – als ein geistloses Marketinginstrument. Auch das genderqueere öffentliche und private Leben als James Tiptree Jr. verweist auf ein utopisches Moment von gelebter Transidentität.

Doch weder Tiptree/Sheldon noch Burke/Delphi überleben die gesellschaftliche Gewalt, die sich durch die übergriffige Enttarnung ein Stück ihrer Identität nimmt. Weder Tiptree/Sheldon noch Burke/Delphi erhalten ein coming out (of the closet). Burke stirbt wortwörtlich in einer Art Schrank und im Tagebuch von Tiptree/Sheldon heißt es „Tiptrees Tod“ (Phillips: S. 631). Das Potential der ungelebten Leben bleibt in den Echos von Burke und in den Texten von James Tiptree Jr. bis heute lesbar.

Das kann uns inspirieren, queere Identität zu leben und zu schreiben – uns das Pseudonym widerspenstig anzueignen. Heute können wir die Leben führen, die von der Geisterstimme in The Girl who was plugged in nur angedeutet werden. Als Autorx Aiki Mira kann ich meine nichtbinäre Identität klar benennen. Auch wenn ich nicht immer auf ein Gegenüber treffe, das nichtbinäre Identität wahr-nimmt oder wirklich-werden lassen möchte. Das Pseudonym bleibt bis heute ein wichtiges Instrument, um queere Identität sichtbar und öffentlich zu machen – eine Befreiungstechnologie.

Das Pseudonym als Befreiungstechnologie

Wenn ich Science-Fiction schreibe, erfinde ich gern neue Tech. Science-Fiction lädt dazu ein, sich neu und anders mit Technologie auseinanderzusetzen. Das Pseudonym verstehe ich als eine Technologie, die wie jede andere Tech vorgedachte Praktiken beinhaltet. Wir können das Pseudonym aber auch anders und neu gebrauchen – also widerspenstig aneignen.

So wie das Cybersystem Delphi in The Girl who was plugged in existiert auch das Pseudonym in vorgedachten Praktiken, die als kapitalistisch und antifeministisch verstanden werden können. Gerade in Literaturgenres, die monolithisch als männlich oder weiblich wahrgenommen werden – die Science-Fiction gilt immer noch als vorwiegend männliches Genre – können Autor*innen sich für ebenso monolithische Pseudonyme entscheiden, um sich an eine Marktlogik anzupassen.

Über alle Genres hinweg gilt noch immer: männlich gelesene Autor*innen werden häufiger gelesen, rezensiert und mit Preisen ausgezeichnet. Das Pseudonym kann als Instrument verstanden werden, um Ungleichheiten auszugleichen – für alle anderen marginalisierten Identitäten ändert sich dadurch nichts, sie bleiben weiterhin benachteiligt. So genutzt entspricht das Pseudonym dem idealisierten Körper mit Namen Delphi. Es gibt jedoch auch andere Möglichkeiten das Pseudonym zu nutzen. James Tiptree Jr. hat uns das vorgemacht.

Gerade genderqueere Autor*innen können das Pseudonym als Befreiungstechnologie nutzen und dadurch dessen emanzipatorisches Potential freischalten. Sie können sich selbstbestimmt und frei außerhalb der patriarchalischen Namensordnung benennen. Das ermöglicht nicht nur einen neuen Namen, sondern auch unter einem neuen, anderen Gender zu schreiben, aufzutreten und Beziehungen zu knüpfen. So genutzt, eröffnet uns das Pseudonym neue Räume zum queeren Leben und zum queeren Schreiben.    

Ein Pseudonym ist künstlich, konstruiert – ein Künstler*innenname. Aber nicht weniger wirklich als ein bürgerlicher Name. Ein explizites Pseudonym wie James Tiptree Jr. exponiert vielmehr die Künstlichkeit der Namensgebung. Denn auch ein bürgerlicher Name ist nicht natürlich, sondern wird uns innerhalb gesellschaftlicher Konstrukte gegeben.

In Teilen ist das Pseudonym unabhängig von solchen Strukturen. Es muss nicht gegendert sein oder dem Nachnamen der Mutter oder des Vaters entsprechen. Das Pseudonym als Befreiungstechnologie befreit uns aus Strukturen, die unsere queere Identität unsichtbar und unlebbar machen – wir können wirklich werden.

Das Pseudonym als Wirklichkeitsname   

Das Pseudonym kann mehr sein als ein Name, ich nenne das Wirklichkeitsname:

*ein Name, der uns erlaubt, unsere Gender-Identität zu veröffentlichen – zu leben.

*ein Name, der uns erlaubt, für uns selbst zu sprechen und wie ein Glitch „Risse im sozialen und kulturellen Algorithmus [zu] erzeugen“ (Russell:S.133).

Mit dem Pseudonym können wir queere Identitäten in die Wirklichkeit träumen – wir können endlich wirklich werden. James Tiptree Jr. ist für mich ein Wirklichkeitsname. Aiki Mira auch.

Das Pseudonym als Wirklichkeitsname läuft nicht vor etwas weg, sondern auf etwas zu. Auf eine körperliche Wahrheit, die sich bei mir auch im Schreiben äußert:

*In Figuren, die queere Identitäten leben.

*In Geschichten, die zukünftige Queerness erforschen und dafür nach neuen narrativen Strategien und einer neuen Sprache suchen.

*In einem Stil, der auf allen Ebenen zu entgrenzen versucht, genauso flüssig sein will wie mein Gender.

Damit verbunden können gesellschaftliche Konstrukte gesprengt und queere Identität gelebt werden. Das Pseudonym verweist damit auf einen queerfeministischen und politischen Akt, der queere Identität wirklich macht.

Sich einen neuen Namen geben, ist für Transidentitäten genauso essentiell wie das Ablegen alter Identitäten und Namen. Hier wird von deadnaming gesprochen, eine Form von gesellschaftlicher Gewalt, wenn der neue Name vom Gegenüber nicht genutzt, sondern stattdessen auf den abgelegten Namen (dead name) beharrt wird.

Um die eigene queere Identität als wirklich zu erleben, sind wir auf ein Gegenüber angewiesen, das uns bei unserem wirklichen Namen ruft.

In dem wir uns das Pseudonym eigenwillig und kreativ aneignen, um uns von gesellschaftlichen Zwängen zu befreien oder dagegen zu rebellieren, werden wir selbst zu Cyberpunks – subversiven Identitäten, die sich Tech widerspenstig aneignen. Die ursprüngliche Funktion des Pseudonyms wird auf den Kopf gestellt: Statt einem Verbergen von Identität wird das Pseudonym zu einem Zeigen und Sichtbarmachen von Identität.

Fazit: Gerade für Autor*innen, deren Gender-Identität – fluide, trans, nichtbinär – als Glitch im System existiert – kann das Pseudonym zum Wirklichkeitsnamen umfunktioniert werden, der eine Befreiung aus gesellschaftlichen Normen ermöglicht und das Leben und Schreiben von queerer Identität endlich Wirklichkeit werden lässt. 

Wer noch ausführlicher, andere oder persönlichere Aspekte zum Thema lesen möchte:

Im März 2024 erscheint (ab jetzt vorbestellbar) Aiki Mira: Von Monstern, Cyborgs und Cyberpunks. In: Bettina Schulte (Hrsg.): Heute ist ein guter Tag, das Patriarchat abzuschaffen. Hirzel Verlag, Stuttgart.

Quellen:

Delany, Samuel R. (1994): Some Real Mothers…The SF Real Eye Interview. In: Delany, Samuel R.: Silent Interviews. On Language, Race, Sex, Science Fiction, and Some Comics. S.164-185. Wesleyan University Press, New England.

Haraway, Donna (1995): Ein Manifest für Cyborgs. Feminismus im Streit mit den Technowissenschaften. In: Haraway, Donna: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt a. M. und New York. S. 33-72.

Mira, Aiki (2021): Utopie27. In: Bendick/Mira/Franke (Hrsg.): Am Anfang war das Bild. Hirnkost Verlag, Berlin. S.269-288.

Phillips, Julie (2013): James Tiptree Jr.. Das Doppelleben der Alice B. Sheldon. Septime Verlag, Wien.

Russell, Legacy (2021): Glitch Feminismus. Merve Verlag, Leipzig.

Tiptree, James Jr. (2021): The Girl who was plugged in. In: Tiptree, James Jr.: Warm Worlds and Otherwise. Penguin Random House, Dublin. S.93-144.

Aiki Mira

Aiki Mira lebt in Hamburg und in der Science-Fiction.  Neben Romanen, Kurzgeschichten und Essays verfasste Aiki Mira das Queer*SF Manifest,  das z.B. auf Tor Online erschien.  Kurzgeschichten von Aiki Mira wurden mehrfach ausgezeichnet u.a. mit dem Deutschen-Science-Fiction-Preis. 
 
2023 gewann Aiki Mira mit dem Roman Neongrau den Kurd-Laßwitz-Preis und erhielt von der European Science Fiction Society den Chrysalis Award. 
 
Der aktuelle Roman von Aiki Mira heißt Neurobiest.
 

Unsere aktuellen Titel