Fantasy

Alles über Phönixe in der Fantasy

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© Mysticartdesgin/pixabay

BUCH

Alessandra Reß, 04.02.2022

Als Symbol taucht der Phönix sehr gerne in der Fantasy auf, und manchmal wird auch eine Figur nach ihm benannt. Die Beispiele, in denen er selber Figur sein darf, sind ungleich rarer. Oder doch nicht? Schauen wir einmal genauer hin …

Wie ein Phönix aus der Asche: Mit diesem Spruch hat es der Phönix bis in die Alltagssprache gebracht. Dabei gehört er in der Fantasyliteratur eher zu den Underdogs. Klar, die meisten wissen grob, was sich hinter dem Begriff verbirgt und mit Fawkes aus der Harry Potter-Saga hat die Gegenwartsfantasy auch einen Promi-Phönix zu bieten. Dennoch ist er weniger präsent als z. B. Drachen oder Einhörner, wenngleich er immer wieder als Sinnbild für Unsterblichkeit, Wiedergeburt oder den Kreislauf des Lebens herhalten darf.

Fêng Huang, Benu und Phönix – alles dasselbe?

Aber von vorne.

In unserer heutigen Vorstellung des Phönix vermischen sich oft drei Figuren bzw. Fabelwesen aus verschiedenen Kulturkreisen: der chinesische Feuervogel Fêng Huang, der altägyptische Benu und schließlich der griechisch-arabische Phönix.

Das Fabelwesen Fêng Huang ist ein Symbol des Glücks und der Barmherzigkeit und ein gutes Omen, weshalb es nicht während negativen Ereignissen in Erscheinung tritt. Es ähnelt einem fünffarbigen Pfau oder Fasan, gilt als Wächter des südlichen Teils des chinesischen Kaiser-Palasts und vereint sowohl einen männlichen (fêng) als auch einen weiblichen (huang) Teil; zuweilen wird er daher auch zweiköpfig dargestellt. Wiedergeboren wird der Fêng Huang zwar nicht, doch hat er mit eintausend Jahren eine beträchtliche Lebensspanne.

Der mit der Sonne assoziierte Benu hingegen ist ein altägyptischer Totengott in Gestalt eines Reihers oder Falken. Ihm wird nachgesagt, er verbrenne in der Morgenröte, werde aber in seiner Asche wiedergeboren. Hier findet sich bereits eine starke Ähnlichkeit zum Phönix, dessen (eher mit dem arabischen Raum verknüpfter) Mythos wohl in direkter Anlehnung an Benu entstand – beide haben mit „der erstgeborene Sohn“ oder „der Wiedergeborene“ auch dieselbe Wortbedeutung.

Inspiriert durch eine Beschreibung Herodots widmeten sich verschiedene hellenistische Autoren dem Phönix, dem etwa durch Lactantius nachgesagt wurde, in einem Hain zu leben und diesen alle eintausend Jahre zu verlassen, um auf einer Palme (gr. phoinix) im phönizischen Heliopolis zu nisten. Beim Nisten fängt der Phönix Feuer, doch entsteht aus seiner Asche ein neuer Vogel, wobei manchmal noch eine Zwischenexistenz in Form eines Wurms eingelegt wird. Die genauen Details variieren je nach Dichter: Beispielsweise sagt Plinius der Ältere dem Phönix eine Lebensphase von nur gut fünfhundert Jahren nach, während Solinus ihm sogar fast 13.000 Jahre zugesteht.

In späteren Darstellungen wurden dem Phönix zusätzlich heilende Fähigkeiten zugeschrieben und er wurde zu einem Symbol für Unsterblichkeit, im Christentum auch für Auferstehung. Sein Motiv findet sich in zahlreichen Sagen und Märchen wieder, etwa in dem von Aschenputtel bzw. Cinderella, welche sich gewissermaßen ebenfalls aus der Asche entfaltet.

 

 

Wiederaufbau und Widerstand unter dem Segen des Phönix

Bis heute ist der Phönix vor allem mit diesem Symbolcharakter behaftet, gerade auch in der Phantastik. Beispielsweise taucht er in vielen Ruined-Earth-Settings wie Harold Meads Der strahlende Phönix oder M. K. Wrens Phoenix Legacy-Romanen schon im Titel auf, um die Idee des Wiederaufbaus zu versinnbildlichen. Ebenso eignet er sich als Widerstandssymbol in dystopisch angehauchten Romanen wie Dirk B. Granzows Raubzug des Phoenix oder Michael Peinkofers Phönix-Trilogie. Außerdem tragen Hauptfiguren, etwa aus Nnedi Okorafors Das Buch des Phönix oder Shannon Mayers The Nix Series, den Feuervogel gerne in ihrem Namen, um ihr Schicksal oder ihre Vergangenheit zu versinnbildlichen. Im Universum rund um Conan, den Cimmerier, ist der Phönix wiederum das Symbol der mit dem Christentum assoziierten Gottheit Mitra, und in Isa Theobalds Tintenphönix steht er u. a. für das Auf und Ab des menschlichen Lebens. Westliche und östliche Symboliken verbinden hingegen Cindy Pons Silver Phoenix-Romane.

Phönixe als Teil der Fantasyfauna

Es gibt aber durchaus auch Titel, in denen der Phönix ungleich dinglicher auftritt: In Settings, die reich an fantastischer Flora und Fauna sind, ist er oft selbstverständlicher Teil des Bestiariums – insbesondere gilt das für Fantasygames wie Age of MythologyFinal Fantasy oder Age of Wonders. Eingangs schon erwähnt wurde zudem Fawkes, der Phönix aus Harry Potter, dem u. a. heilende Fähigkeiten zugeschrieben werden. Ebenso rankt sich eine der Geschichten aus Catherynne M. Valentes In the Cities of Coin and Spice, eine Fantasy-Variante der Geschichten aus 1001 Nacht, um die Federn eines Phönixes. Eine etwas düsterere Interpretation des Phönixes findet sich wiederum in Aimée Carters Jugendbuch Der Fluch des Phönix, wo die Figur als Wächter über die Anderwelt die beiden Hauptfiguren in ihrem Reich gefangen hält. Und den ersten Phönix der modernen Fantasyliteratur? Den finden wir in E. Nesbits Feuervogel und Zauberteppich von 1904.

Gelegentlich verschwimmen in der Fantasy auch Phönixe mit Drachen – vielleicht bedingt durch die Assoziation mit dem Feuerelement oder durch die Partnerschaft, die zwischen Fêng Huang und Lóng, dem chinesischen Drachen, besteht. Ein Romanbeispiel dafür ist Nina Blazons Fayra, eine Portal-Fantasy-Geschichte, deren gleichnamige Heldin von Phönixdrachen abstammt.

Phönixe mit Hand und Fuß

Fayra ist zugleich auch ein Beispiel für einen Phönix in humanoider Gestalt. Solche finden sich auch in Ann-Kathrin Karschnicks teslapunkigen Phoenix-Romanen sowie in Romantasy-Titeln wie Julia Zieschangs Feuerphönix oder Marlena Anders‘ Ein Himmel aus Lavendel.

Alles über Phönixe in der FantasyDer Phönix hat also in der Fantasy – und vereinzelt auch in anderen phantastischen Subgenres – durchaus seine Auftritte, wobei er sich recht vielseitig zeigt. Die ganze Bandbreite des phantastischen Phönix-Daseins zeigt die Anthologie The P-Files: Die Phönix-Akten aus dem Talawah Verlag, die sich ganz den Facetten des Feuervogels widmet. Will man all das auf einen Kern herunterbrechen, so bleibt vor allem eines: der Phönix als Symbol für Widerstandsfähigkeit und Wiedergeburt.

Alessandra Reß

Alessandra Reß wurde 1989 im Westerwald geboren, wo sie auch aufgewachsen ist. Nach Ende ihres Studiums der Kulturwissenschaft arbeitete sie mehrere Jahre als Redakteurin, ehe sie in den E-Learning-Bereich gewechselt ist.

Seit 2012 hat sie mehrere Romane, Novellen und Kurzgeschichten veröffentlicht, zudem ist sie seit mehr als 15 Jahren für verschiedene Fanzines tätig und betreibt in ihrer Freizeit den Blog „FragmentAnsichten“. Ihre Werke waren u. a. für den Deutschen Phantastik Preis und den SERAPH nominiert.

Mehr unter: https://fragmentansichten.com/