BUCH
Peter Osteried, 28.05.2019
Was wäre, wenn das Dritte Reich den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätte? Wenn es Hitler nie gegeben hätte? Viele lesenswerte Romane beschreiben solch alternative Versionen unserer Historie. Ein Überblick von Peter Osteried.
Es gibt zwei Romane, die allen anderen voranstehen, wenn es um das Thema einer alternativen Historie des Zweiten Weltkriegs geht: Philip K. Dicks DAS ORAKEL VOM BERGE und Robert Harris‘ VATERLAND. Dick war im Grunde der erste, der dieses Thema aufgriff, ein anderer Autor fragte sich aber schon in der Frühzeit des Dritten Reiches, wie die USA wohl aussähen würden, wenn es dort einen Verführer wie Adolf Hitler gegeben hätte.
Die Rede ist von Sinclair Lewis‘ DAS IST BEI UNS NICHT MÖGLICH. Ein Buch, das 1935 in den USA erschien, und damals für Furore sorgte, ist heute aktueller denn je, auch wenn der Schreibstil und die Erzählweise etwas antiquiert anmuten. Denn Lewis erzählt davon, wie inmitten einer Zeit der Unzufriedenheit ein begnadeter Redner und Populist die Vorwahlen gewinnt, zum Präsidentschaftskandidaten wird und das Land dann auf eine Weise umkrempelt, wie die Amerikaner das nie für möglich gehalten hätten.
Sinlcair verlagert in die USA, was seine Frau Dorothy, eine in Berlin lebende Auslandskorrespondentin, in Deutschland gesehen hat. Zu einem frühen Zeitpunkt zeichnet er das Bild einer Nation, deren Werte verraten werden und deren Abkehr von der Demokratie mit donnerndem Applaus begrüßt wird.
Was den Roman so faszinierend macht, ist die Zeit seiner Entstehung – Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs –, aber auch seine immense Aktualität, wenn man den Protagonisten und Schaumschläger Buzz Windrip mit Donald Trump vergleicht. Wohl auch deswegen wurde der Roman im Jahr 2017 erstmals in deutscher Sprache publiziert.
Mit einem ähnlichem Thema befasste sich 2004 Philip Roth in VERSCHWÖRUNG GEGEN AMERIKA, in dem im Jahr 1940 der Nazi-Sympathisant Charles Lindbergh zum US-Präsidenten wird und das Land in ein Bündnis mit dem Dritten Reich führt, was auch Auswirkungen auf das Leben der Juden in den USA hat.
Schwer liegt die Heuschrecke
Eines der beeindruckendsten Werke zum Thema ist Phillip K. Dicks DAS ORAKEL VOM BERGE, das erstmals im Jahr 1962 publiziert wurde. Er lässt seine Geschichte zur damaligen Gegenwart spielen. In einer Welt, in der Nazis und Japaner den Zweiten Weltkrieg gewonnen und die USA besetzt haben. Widerstand gibt es, er zeichnet sich am Ehesten aber durch ein Buch im Buch aus, das von den Nazis verboten wurde, aber doch die Runde macht. Es erzählt von einer Welt, in der die Achsenmächte den Krieg verloren haben. Aber es ist eine andere Welt als die unsere, da sich der Zweite Weltkrieg dort anders auflöste – mit Großbritannien anstelle der USA als neue Supermacht.
Der Roman verzichtet auf Action, sondern ist eine philosophisch-intellektuelle Betrachtung des Einflusses der Unwirklichkeit auf die Wirklichkeit. Oder anders gesagt: Auf eine innere Wahrheit, die spürbar sein mag, aber nicht mit dem korreliert, wie die Welt aussieht.
Dick hat ein vielschichtiges Buch geschrieben, das auch heute noch nichts von seinem Reiz verloren hat. 1963 wurde es mit dem Hugo Award ausgezeichnet.