Science Fiction

Radikale Lösungen – Wie der Science-Fiction-Film das Problem der Überbevölkerung angeht

Radikale Lösungen – Wie der Science-Fiction-Film das Problem der Überbevölkerung angeht
© OpenClipart-Vectors, HynoArt / pixabay

Peter Osteried, 17.10.2017

Gerade kam „What happened to Monday“ in die Kinos, ein Science-Fiction-Film, in dem es um eine denkbar radikale Variante der Ein-Kind-Politik geht. Grund genug, sich einmal zu fragen, wie das Problem der Überbevölkerung sonst so in der Science Fiction behandelt worden ist. Vorsicht Spoiler: Es gibt kaum Happy Ends.  

Der Wissenschaftler in Jack Arnolds Tarantula (1955) erklärte für den Grund seiner Forschung an riesenhaften Tieren, dass die Weltbevölkerung ernährt werden muss: „Schon heute gibt es zwei Milliarden Menschen auf der Welt. 1975 sind es drei Milliarden. Und das neue Jahrtausend beginnt mit drei Milliarden und 625 Millionen.“

Das klang dramatisch, aber der gute Doktor hat sich da doch sehr verschätzt. Zur Jahrtausendwende waren es bereits sechs Milliarden, heute sind es 7,5 Milliarden Menschen, im Jahr 2100 werden es einer Prognose zufolge schon mehr als elf Milliarden Menschen sein. Das Problem der Überbevölkerung – und das daraus resultierende Problem der Ressourcenknappheit – beschäftigte in der filmischen Science Fiction vor allem in den 1970er Jahren. Arnolds Riesenspinnenfilm aus den 1950er Jahren ist da ein früher Ausreißer, der das Thema aber auch nur als Aufhänger nimmt, ohne sich besonders damit auseinanderzusetzen.

Die 1970er waren jedoch das Jahrzehnt nicht nur der dystopischen, sondern auch der sozialkritisch geprägten Science Fiction.

Der bekannteste Film ist hier sicherlich Jahr 2022 … Die überleben wollen (1973) mit Charlton Heston, doch schon im Jahr zuvor versuchten sich die Briten an einem ähnlichen Stoff: Z.P.G – Zero Population Growth (1972).

Es ward (k)ein Kind geboren

Die nahe Zukunft: Die Welt ist überbevölkert, die Luft ohne Gasmaske kaum noch atembar, Tiere gibt es nicht mehr und Nahrung wird in Pastenform verabreicht. Eine radikale Lösung ist notwendig, weswegen ein Edikt verabschiedet wird, das es für einen Zeitraum von 30 Jahren verbietet, Kinder zu bekommen. Um der Sehnsucht nach Kindern aber entsprechen zu können, werden Roboter-Babys angeboten. Und wenn das nicht reicht: Die Strafe auf eine Verletzung dieses Vermehrungsverbots ist der Tod.

Ein Ehepaar will sich dem aber nicht beugen und bekommt ein Baby, von dem das Nachbars-Ehepaar aber auch erfährt, weswegen man fordert, das Kind zu teilen.

Es kommt, wie es kommen muss. Konflikte brechen auf, das Kind wird entdeckt, und das Ehepaar muss mit seinem Nachwuchs fliehen, während ein wütender Mob auf der Suche nach ihnen ist.

Der Film illustriert beeindruckend die Ängste vor einer Welt, die dem Raubbau zum Opfer gefallen ist, aber auch vor einer Entwicklung, die hin zum Künstlichen geht. Insbesondere ist das bemerkenswert, da es die frühen 1970er Jahre waren, in denen Fertigessen, aber auch Plastikprodukte ihren Siegeszug antraten. Man kann den Film auch als Reaktion darauf verstehen, als eine Sehnsucht nach der guten alten Zeit, als alles noch „echt“ war, während die Gegenwart und die nahende Zukunft in ihrer Wirkungsweise immer weniger authentisch zu werden drohen – und das bis hin zu einem Roboterkind, das nur ein schwacher Ersatz für ein echtes ist.

Z.P.G – Zero Population Growth (deutsche Alternativtitel sind Die Erde stirbt – ZPG und Geburten verboten) zeigt auch, dass derart radikale Lösungen nur innerhalb eines totalitären Systems möglich sind, dem eine Entmenschlichung vorangegangen ist, ohne die Derartiges gar nicht möglich wäre.

Faszinierend ist der relativ obskure Film auch dahingehend, dass er im Grunde als so etwas wie ein Prequel zu Flucht ins 23. Jahrhundert (1976) funktioniert, auch wenn beide Stoffe nicht miteinander verbunden sind. Das Baby am Ende von Z.P.G. könnte aber durchaus zur Peter-Ustinov-Figur in der Verfilmung des Romans von William F. Nolan werden. Es ist leicht vorstellbar, wie aus der Welt des einen Films die des anderen wurde.

In Flucht ins 23. Jahrhundert leben die Menschen in einem abgeschlossenen Habitat. Überbevölkerung ist darum ein inhärentes Problem, da der Platz und die Ressourcen endlich sind. Die Lösung ist darum einfach: Wird man 30 Jahre alt, muss man sterben. Ein Kristall in der Handfläche, eine Art Lebensuhr, leuchtet auf, wenn der Tag gekommen ist. Man hat sich dann zur Vernichtung zu begeben. Flieht man, wird man von den so genannten Sandmännern gejagt. Doch einer von diesen Jägern will mit 30 Jahren nicht sterben und flieht.

Der Unterschied zu Z.P.G. liegt auf der Hand. Das System hier ist nicht restriktiv, das Leben ist im Grunde schön, inklusive einer ganz speziellen Form der freien Liebe. Aber der Preis ist das freiwillige Sterben, um Platz für die nächste Generation zu schaffen. Das System funktioniert so lange, wie die Menschen dem freiwillig folgen, aber es würde kollabieren, wenn niemand mehr an die Notwendigkeit dieses Verfahrens glauben würde. Damit geht eine Schicksalsergebenheit einher, die fast schon an Schlachtvieh erinnert. Man lebt solange gut, bis man es eben nicht mehr tut.

Der Kampf um jeden Zentimeter

Der große Klassiker ist Jahr 2022 … Die überleben wollen (1973), der wie kein anderer Film eindrucksvoll und bedrückend zeigt, wie sich Überbevölkerung darstellen kann. Die Menschen sind einfach überall, auf den Straßen, in den Hausgängen, in den letzten kleinen Unterschlupfen. Eine besonders beeindruckende Szene ist, als Charlton Hestons Figur eine Treppe hochgeht und dabei über Dutzende Menschen hinwegsteigen muss, die hier ihr Leben fristen.

Heston ist Detective Thorn. Er lebt in einer Welt, die vom Treibhauseffekt, aber auch der Überbevölkerung aus den Angeln gehoben wurde. Nun muss er den Mord am CEO einer großen Firma aufklären, kommt dabei aber einem Komplott auf die Schliche, dessen Aufdeckung die Grundfeste dieser Gesellschaft nicht nur erschüttern, sondern zerschlagen würde.

Der Film erzählt auch von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Den Reichen, die in luxuriösen Appartements und Häusern wohnen, und den Armen, die Schulter an Schulter auf der Straße hausen. Irgendwo dazwischen ist Heston, der als Polizist etwas bessergestellt ist.

Angesichts der immensen Überbevölkerung – alleine in New York leben 40 Millionen Menschen – ist die Ernährung ein Problem. Darum wurde Soylent Grün erfunden, doch am Ende zeigt sich, was die Hauptzutat dieses Nahrungsmittels ist: Menschen. Das ist das große Geheimnis, das Thorn aufdeckt: „Soylent Grün ist Menschenfleisch.“

So schreit er es, als ihm bewusst wird, dass sie alle Kannibalen geworden sind. Dass sich die Armen selbst verzehren, damit die Reichen reicher werden können. Es ist ein geschlossener Kreislauf, der noch dadurch befeuert wird, dass es Selbstmordzentren gibt, zu denen Menschen gehen können, die des Lebens, die dieser Existenz überdrüssig geworden sind. Diesen Ausweg nimmt auch Thorns bester Freund Sol Roth.

Der Film zeigt wohl die radikalste Form der „Problemlösung“, indem der Mensch zur Teil der Nahrungskette gemacht wird. Ähnliches gibt es bei Snowpiercer (2013), in dem die letzten Überlebenden einer Eiszeit in einem langen Zug, dem Schneekreuzer, sitzen – vorne die Reichen, hinten die Armen. Überbevölkerung ist auch hier ein Problem, wird aber gelöst, indem Aufstände der Armen provoziert werden, wodurch sich die „Herde“ ausdünnen lässt. 

 

Ewig 25 Jahre alt

Andrew Niccols In Time (2011) erzählt von einer nahen Zukunft, in der der Mensch ab dem 25. Lebensjahr nicht mehr altert, aber genetisch so verändert wurde, dass er nur noch ein Jahr lebt, wenn er nicht zusätzliche Lebenszeit kauft. Das ist den Reichen vorbehalten, die damit ewige Jugend genießen. Zugleich ist sichergestellt, dass die Armen nicht allzu alt werden, so dass Überbevölkerung erst gar nicht entstehen kann.

Hier ist es kein totalitäres System, das dahintersteckt, sondern ein klares Kastensystem, das die Idee des einen Prozent auf die Spitze treibt.

Das Thema ist gerade wieder aktueller denn je, steht doch Tommy Wirkolas What happened to Monday? in den Startlöchern. Auch hier hat die Überbevölkerung ein Maß erreicht, das alles Leben auf der Erde bedroht. Darum verhängt die Regierung den Erlass, dass jede Familie nur noch ein Kind haben darf. Werden mehr geboren, so werden diese Kinder in Cryostase-Kammern eingefroren, bis man sie dereinst wiedererweckt, wenn die Bevölkerung zurückgegangen ist.

Für Terrence Settman ist das ein Problem, denn seine Tochter hatte Siebenlinge, die er nicht aufgeben will. Er erzieht die sieben eineiigen Schwestern so, dass jede von ihnen an einem Tag der Woche das Haus verlassen und das Leben von Karen Settman leben darf. Entsprechend benennt er seine Töchter nach den Wochentagen, aber alles gerät aus dem Ruder, als Monday nicht mehr zurückkehrt.

Was sich in der Folge entspinnt, ist ein Thriller-Plot mit allerhand Action-Einlagen und Überraschungen, interessanter ist aber der Unterbau des Films, erinnert die Ein-Kind-Politik doch an China, wo es sie auch gab, um der Überbevölkerung Herr zu werden. Wie bei Jahr 2022 … Die überleben wollen gibt es auch bei What happened to Monday? am Ende eine Überraschung. Einerseits in Hinblick auf Monday, vor allem aber auf das System, in dem die Menschen leben.

Wer nicht wissen will, wie der Film endet, sollte diesen Absatz überspringen. Und nein, aus den Kindern wird nicht Futter für die übrigen Massen. Vielmehr sind die Cryostase-Kammern nicht das, was sie vorgeben zu sein. (Schon weil es unmöglich wäre, Millionen solcher Kammern zu errichten, mit Strom zu versorgen und zu lagern.) Stattdessen setzt das System auf Wirtschaftlichkeit. Diese Kammern sind Hochöfen, die Menschen spurlos verschwinden lassen. Eine Radikallösung, die die von Glenn Close gespielte Politikerin am Ende auch verteidigt, da nur so das Überleben der Spezies gesichert werden kann. Aber das ist natürlich ein inhumaner Schritt, der von der Bevölkerung nicht getragen wird. Die Amoralität des Regimes hat sich hier noch nicht auf das Volk übertragen, ein Systemwechsel findet statt. Aber das Problem bleibt bestehen, so dass die im Grunde interessanteste Frage des Films am Ende offenbleibt: Wie mag die Welt in weiteren 50 Jahren aussehen?

Das ist die eigentliche Frage. Eine, die auch die anderen Dystopien nicht zu beantworten bereit sind. Das haben sie mit der Realität, mit der Gegenwart, gemein, in der Lösungsansätze auch nicht vorhanden sind. Ein schwacher Trost ist, dass aber zumindest keine Ideen wie die in den Filmen gezeigten ausgebrütet werden – soweit man weiß, und für den Moment.