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Fünf Horrorbücher, die euch bibbern lassen

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BUCH

 

Björn Bischoff, 24.07.2019

Nur laue Sommernächte locken Monster an? Von wegen! Zahlreiche Horror-Romane spielen in eisigen Gefilden. Wir präsentieren euch fünf Geschichten, die jeden Leser bibbern lassen.

H.P. Lovecraft – An den Bergen des Wahnsinns

Seine vielleicht beste Geschichte schrieb H.P. Lovecraft mit »An den Bergen des Wahnsinns«, die er bereits 1936 veröffentlichte – und damit einen Klassiker der Horrorliteratur lieferte. Und die Vorlage zu einem Film, der niemals entstehen wird. Denn Regisseur Guillermo del Toro würde sich zwar gerne an eine Umsetzung machen, allerdings verhindern es die widrigen Umstände. Wer sich nun nicht mit den wenigen Skizzen und Modellen zufriedengeben mag, die so im Netz herumgeistern, dem bleibt weiterhin das Original. Im opulenten Stil des amerikanischen Autors geht es ohne Umwege in die Antarktis. Der Erzähler mag seine Leser wieder einmal warnen, schließlich plane die Menschheit gerade neue Expeditionen dorthin, aber: Dort lauere auch das Ende jener Menschheit. Von eisigen Weiten und getöteten Schlittenhunde wird berichtet, aber auch von alten Ruinen und hässlichen Albino-Pinguinen. Lovecraft verstand es, einen perfekten Spannungsbogen zu konstruieren und den Text unglaublich dicht und packend zu schreiben. »Ich war erleichtert, als die Spiegelung sich aufzulösen begann, obwohl während dieses Vorgangs die alptraumhaften Türme und Kegel vorübergehend verzerrte Formen annahmen, die sogar noch scheußlicher waren«, berichtet der Erzähler an einer frühen Stelle des Buchs. Und damit ist klar, dass es hier nur eine Richtung geht: hinab. Denn der Wahnsinn in den Abgründen dieser feindlichen Landschaft zieht zwangsläufig in die Tiefe. Wem der Plot übrigens verdächtig bekannt vorkommt, möge sich nicht wundern. Jeff VanderMeer hat sich für seinen Roman »Auslöschung« mehr als deutlich von diesem Buch inspirieren lassen. Eiseskälte bietet aber nur dieses Werk von Lovecraft. 

Ein Bild der Albino-Pinguine findet ihr hier: www.twitter.com/CarsonDrewit/

    Edgar Allan Poe – Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym

    Und der nächste Klassiker auf dieser Liste: Edgar Allan Poes »Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym« blieb der einzige Roman des US-Autors. Als Sechzehnjähriger verschlägt es jenen Pym auf ein Walfangschiff. Was sich wie der Beginn eines Abenteuerromans liest, wird mit jeder Seite mehr und mehr ein Albtraum von halluzinogener Kraft. Denn nicht nur haut sich die Besatzung die Köpfe ein, sondern ein Sturm zerlegt das Schiff. Nachdem Pym und andere Mitglieder der Crew sich dort dem Überlebenskampf stellen, Kannibalismus inklusive, schaut ein Segler vorbei, der die Überlebenden aufgreift. Mit diesem Schiff geht es dann zur Robbenjagd auf riesige Eisfelder nahe des Südpols. Und so wie Poe davon schrieb, laden Wetter und Landschaft hier nicht gerade zum Verweilen ein: »Die Kälte war entsetzlich; von Nord und Ost kamen beständig Hagelschauer. In dieser Richtung sahen wir riesenhafte Eisberge, und der ganze Osthorizont schien mit Eis zugebaut, das in Staffeln massig aufstieg.« Herzlich Willkommen in dieser kalten Hölle von 1838. Die Vorlage für seinen Roman fand Poe in einem Zeitungsbericht über den Untergang des Schiffs Ariel in einem Sturm. Passend. Denn sein Verleger hatte Poe gerade darauf hingewiesen, dass sich Romane aktuell sehr gut verkaufen würden. Zwar gilt Poe heute weiterhin als einer der besten Autoren von schaurigen Kurzgeschichten, doch mit seinem Pym schuf Poe sich ein eigenes kleines Meisterwerk, das zahlreiche andere Schriftsteller bis heute beeinflusst. Von Stephen King bis Jorge Luis Borges.

    Robert McCammon – Baal

    Mit Stephen Kings »The Shining« erschien ein Jahr zuvor ebenfalls ein winterlicher Albtraum, doch 1978 veröffentlichte Robert McCammon mit »Baal« sein Debüt – und entführte die Leser in die eisige Landschaft Grönlands. Bis heute gehört McCammon zu den eher unbekannteren Autoren des Booms der Horrorliteratur in den späten Siebzigern und Achtzigern des 20. Jahrhunderts. Allerdings steht er in der erzählerischen Kraft keinem anderen Autoren dieser Zeit nach. Im Gegenteil. In dem Roman kommt die Saat des Bösen, der titelgebende Dämon Baal, auf diese Welt und formt schnell einen Kult um sich herum. Schließlich kann sich der Dämon alles erlauben und übernimmt die Kontrolle über seine Anhänger. Ein Trupp will Baal stoppen, alles läuft auf den großen und finalen Kampf in Grönland hinaus, bei dem die unwirtlichen Bedingungen ebenfalls ihren Teil zur Atmosphäre beitragen. Zugegeben: McCammons hat in der Konstruktion des Romans gerade zu Beginn die eine oder andere Unsauberkeit drin, aber zum Ende hin verdichtet sich alles. Seine Beschreibungen der Kälte, die Beiläufigkeit, der Schamanismus, die Eskimos, all das macht dieses Buch auf den letzten Seiten zu einem unglaublichen Pageturner. McCammon steckte damals in seinem Job fest, in einem Warenhaus brachte er die Druckfahnen der Anzeigen zu den verschiedenen Abteilungsleitern. Sein wütender, erster Roman sei dieses Buch, schreibt er im Nachwort, eine Geschichte, »die den Leser an den Rand des Armageddon führt«. Eisigkeit und Horror dringen selten so tief ins Mark wie auf den abschließenden fünfzig Seiten dieses Buchs. Und ja, da kann McCammon es durchaus mit King aufnehmen.

    Bracken MacLeod – Im finsteren Eis

    Ein Versorgungsfrachter bleibt im Eis des nördlichen Polarmeers hängen. Ohne Aussicht auf Rettung. Denn die Funkgeräte scheinen alle gestört, keine Nachricht geht mehr raus, keine Nachricht kommt mehr rein. Die Vorräte reichen nur noch für ein paar Tage, und die Stimmung an Bord ist ebenfalls alles andere als gut. Denn Noah hat nicht nur mit dem Tod seiner Frau zu kämpfen, sondern ebenfalls mit seinem Schwiegervater, der auf der Arctic Promise als Kapitän arbeitet – und Noah seine Arbeit dort als Hilfsarbeiter zur Hölle macht. Trotzdem müssen nun alle Männer in dieser Situation zusammenarbeiten. Denn die ersten Halluzinationen scheinen als Symptome einer merkwürdigen Krankheit um sich zu greifen. Und in der Ferne zeichnen sich die Umrisse eines anderen Schiffs ab. Die kleine Hoffnung, dort Hilfe zu finden, treibt die Männer auf das Eis. Mit ungeahnten Folgen. Denn MacLeods Roman »Im finsteren Eis« von 2016 spielt nicht nur mit offensichtlichen Vorlagen wie Carpenters »The Thing«, sondern greift ebenfalls den existenziellen Horror auf, der sich bei Albert Camus findet. Was sich jetzt hochgegriffen liest, aber MacLeod ist durch und durch ein Unterhaltungsautor, der hier ein wenig mit einem philosophischen Konzept spielt, es aber auch komplett dem Plot unterwirft. Ziemlich schnörkellos führt er weiter und weiter in das Eis dieses Romans. Und wenn Noah dann noch in das dunkle Wasser tauchen muss, zieht sich so ziemlich alles zusammen – diese beklemmende Vorstellung, diese Dunkelheit, diese Hilflosigkeit. Ein Roman wie ein gefrorenes Stück Dunkelheit. 

    Ein Interview mit dem Autor: 

    John Ajvide Lindqvist – So finster die Nacht

    Die schönste Liebesgeschichte der Horrorliteratur, ein Buch zwischen Coming-Of-Age-, Krimi- und Vampirroman. Und eben doch so viel mehr. John Ajvide Lindqvists »So finster die Nacht« spielt in einem Vorort von Stockholm und erzählt die Geschichte von Oskar und Eli. Und einem Ritualmörder, der seinen Opfern das Blut aus dem Körper abtropfen lässt. Zuerst bekommt nur Oskar etwas davon mit, Eli bleibt auf den ersten Seiten eine mysteriöse Erscheinung aus der Nachbarschaft. Die mit einem merkwürdigen Mann in einer Wohnung lebt, dessen Fenster stets verhangen sind. Lindqvist lüftet Stück für Stück das Geheimnis seines Buchs und enthüllt die Charaktere. Eli ist nämlich ein Vampir. Und liebt Oskar. Der muss sich in diesem Roman von 2004 noch nebenbei mit seinen Klassenkameraden abfinden, die ihn mobben, doch mit Eli findet er jemanden, mit dem er gerne gemeinsam einsam ist. Für die passende Atmosphäre in Blakeberg sorgen Schnee und Eis, allein die kalten Nächte, in denen sich Oskar und Eli treffen, beschreibt der schwedische Autor so perfekt, so genau, so sensibel. Auf manchen Seiten wirkt das alles wie ein Jugendbuch, doch ein paar Momente später zieht dann wieder der Horror ein, sterben Menschen. Lindqvist bewies hier, dass er ein viel, viel feineres Gespür für seine Figuren als viele andere Autoren hat, dass es über Herzlichkeit, Freundschaft, Liebe und Empathie schreiben kann – ohne Peinlichkeiten. Das erkannten übrigens auch zwei Regisseure, die den Stoff jeweils verfilmten. Dass sich in dieser einsamen, dunklen und kalten Umgebung so etwas wie die Verbindung zwischen Oskar und Eli entwickeln kann, gibt einem den Glauben an das Gute und Schöne zurück.