Mehr Phantastik

Der Trumpismus und die Fantastik

Screenshot aus dem Trailer zu "Captain America: Brave New World": Das Weiße Haus explodiert
© Marvel/Disney

Lars Schmeink, 30.04.2025

Universitäten und die Wissenschaft haben bereits unter dem faschistischen Kulturkampf der Trump-Regierung zu leiden. Doch wie sieht es mit der Kultur aus, in Hollywood und in der Buchbranche? Lars Schmeink sieht erste Anzeichen für Veränderungen.

Auf Etsy ist die Zahl der Merch-Artikel mit Aufdrucken wie „Make Atwood Fiction Again“ oder „Make Orwell Fiction Again“ klein, aber beachtenswert. Sie sind ein Zeichen einer widerständigen SF&F Szene, die noch in Trumps erster Amtszeit mal mit rebellischen Gesten, mal mit subtilem Witz die Machenschaften des Möchtegern-Diktators anprangerte. In seiner zweiten Amtszeit jedoch sind solche Acts of Resistance deutlich weniger präsent. Dabei scheint Trump Ernst zu machen und das Projekt-2025-Playbook auf dem Weg zum faschistoiden Diktator voll anzuwenden. Was aber bedeutet das für die Fantastik?

Ein schwarzes T-Shirt, darauf das ikonische Bild einer der Frauen aus "The Handmaids Tale" mit weißer Haube und roter Robe. In der Mitte steht "Make Atwood Fiction Again"

Nichts Gutes, wenn man sich anschaut, wie das aktuelle Weiße Haus gegen alles ankämpft, was nicht den fundamentalistisch-christlichen Werten ihrer MAGA-Basis entspricht. Da werden Bannlisten von Büchern, und sogar von Worten (wie „Frau“, „Toxizität“, „Gender“, „Race“) herausgegeben, Internetseiten eingestellt, Förderungen gestrichen. Universitäten werden mit Drohungen überzogen, ihre Forschung und Lehre an die gewünschte Ideologie anzupassen, oder ihre Förderung aus D.C. würde eliminiert. Es entsteht eine Frontlinie, die Unis wie Columbia oder Yale gerade aufgegeben haben, während Harvard sehr teuer seine Position verteidigt hat.

Im Kulturkontext dürfte dieser Kampf gerade erst begonnen haben. Glaubt man etablierten News-Outlets wie der Times, dann ist zumindest in Hollywoods Chefetage die „kollektive Kapitulation aus Angst“ vor politischen Repressalien längst in Gang. Und gerade in der Fantastik als einem Genre, das ideal für politische Kritik geeignet ist, scheinen sich schon erste Momente einer Ideologie-Verkehrung zu zeigen. Nicht mehr die Öffnung der Repräsentation von Minoritäten, sondern die Angst vor politischer Retaliation obsiegt in der ökonomischen Entscheidung.

Zwei Beispiele dafür, was hier gemeint ist

Zum einen wäre da Captain America (Marvel, Disney), der in der Serie The Falcon and the Winter Soldier als schwarzer Mann damit hadert, wegen der historischen Situation der Schwarzen in den USA überhaupt ein Captain America sein zu können. Die Verbrechen der US-Regierungen an den Schwarzen werden in der Serie an Captain Isaiah Bradley sinnbildlich gemacht. Bradley war Teil illegaler Experimente mit dem Supersoldier-Serum, wurde im Krieg missbraucht, danach jahrzehntelang zwecks Geheimhaltung gefangen gehalten und gefoltert. In der Serie fragt Bradley deutlich nach: wie kann Sam Wilson (The Falcon, später Captain America) als Schwarzer Mann, der im rassistischen System der USA aufgewachsen ist und die weiterhin vorhandene Diskriminierung Schwarzer sieht, freiwillig für die Regierung arbeiten und für sie ihre Feinde bekämpfen? Damit würde er einen Unrechtsstaat stützen. Und genau da, wo diese Kritik gerade anfängt, die Serie politisch so relevant zu machen, siegt dann doch die Stützung des Status Quo: die Macher*innen der Serie lassen Sam Wilson von moralischer Pflicht faseln, von der Notwendigkeit Amerika zu einen – eine Position, mit der die Demokraten seit Jahren gegen einen immer größeren Teil der MAGA-Republikaner durch Radikalisierung an Boden verlieren.

Das Sahnehäubchen des Verrats: Captain America bekämpft (und vernichtet) eine anti-nationalistische Bewegung, die für durch den Blip heimatlos gewordene Menschen und gegen nationalistischen Protektionismus kämpft. Schöner Einsatz für die Identifikationsfigur Amerikas, sich ausgerechnet gegen eine Gruppe zu stellen, die für „die müden, armen und gebeugten Massen“ (Ausspruch auf der Freiheitsstatue) einsteht. In seinem neuesten Groß-Event, Captain America: Brave New World lässt sich Wilson dann sogar auf die Arbeit für einen rechtskonservativen Hardliner ein - der verteidigt ein nationales Programm zur Sicherung des wertvollen Adamantiums-Rohstoffs und ist kurz davor eine Insel für die USA zu annektieren und scheut auch nicht vor dem Einsatz von Waffengewalt zurück, um nationale Interessen durchzusetzen. Im Zuge dessen wird Isaiah Bradley kurzerhand wiederum ohne Prozess oder Rechtsmittel eingesperrt und zum Terroristen erklärt – und Cap sitzt da und beschwichtigt: „Trust the system“. America, home of the delusional.

Murderbot

Zum anderen wäre da der aktuelle Trailer der Apple Plus Serie zu Martha Wells Murderbot-Reihe. Auch wenn noch nicht klar ist, welche Botschaft die Macher*innen der Serie im Sinn haben, so haben sie mit dem Casting von Alexander Skarsgåd schon mal eine Botschaft des Originals ausgelöscht. Denn in der Buchreihe ist Murderbot eine SecUnit ohne spezifisches Gender, die vornehmlich die Selbstbezeichnung „it“ wählt, gerade weil ihr die menschliche Bedeutungszuschreibung eines Genders widerstrebt. Hollywood hätte hier, wie etwa The Mary Sue argumentiert durchaus eine Handvoll guter Casting-Choices gehabt, die Gender deutlich fluider darstellen könnten, Beispiele reichen von Vico Ortiz über Eliot Page bis Ruby Rose. Ausgerechnet Alexander Skarsgåd in die Rolle zu setzen, der bislang vor allem für hypermaskuline Rollen (von True Blood über Tarzan bis hin zu The Northman) bekannt ist, kann zumindest als Absage an die non-binäre Repräsentation gelesen werden. Wie Skarsgåd die Rolle ausfüllt, und was die Autor*innen mit der Serie machen, bleibt abzuwarten.

Das ist Hollywood, und entsprechend ein Business, das mit sehr viel Geld arbeitet und sehr hohe Aufmerksamkeit genießt. Und die Produktionen sind hier meist zeitnah und aktuell. Die gute Nachricht im Bereich Print lautet daher: wir haben Zeit. Denn noch haben die großen Publisher wie Tor (mit Mutterkonzern MacMillan) oder Penguin Random House ihre Veröffentlichungspolitik nicht geändert und stehen weiter zu ihren Gleichstellungsinitiativen (meist unter dem Begriff „DEI“ also „diversity, equity & inclusion“), doch wie lange das noch möglich ist, ist unklar. Natürlich muss man dazu sagen, dass Universitäten oder auch Hollywood viel attraktivere Ziele im anti-intellektuellen Kampf sind und Publisher von Belletristik einfach viel längere Zeiträume haben. Doch die Zeichen stehen an der Wand, gerade auch, weil die Fantastik in den USA in den letzten zehn Jahren immer mehr zu einem Freiraum für DEI-Themen wurde und eigentlich fast alle große Preise an Autor*innen gingen, die sich aktiv für LGBTQ-Repräsentation einsetzen, den Umgang mit Race in den USA thematisieren oder anderweitig von MAGA als anti-patriotisch angesehen werden könnten.

Die Fantastik ist zu einer bunten, freien Enklave im Medienmarkt der USA geworden und damit zu einem Vorreiter für DEI. Dazu passt auch, dass nach den Versuchen der rechten Szeneanteile, die Preise für sich zu kapern (Stichwort: Sad Puppies), jetzt anscheinend große Investoren in den Markt drängen und mit Peter Thiel gerade ein MAGA-Trump-Supporter einen neuen Fantastik-Verlag namens Ark Press finanziert haben soll. (Hinweis: hier scheint es kaum endgültig bestätigte Informationen zu geben, aber Kommentare auf beiden Seiten des politischen Spektrums weisen darauf hin.) Wie genau sich also Trumps Feldzug gegen alles Intellektuelle, alles Freie, alles Offene auf der Welt weiterentwickelt, wird genau zu beobachten bleiben, denn die Fantastik als Konfliktfeld ist einfach zu interessant um dabei außen vor zu bleiben.

Lars Schmeink

Dr. Lars Schmeink ist freier Journalist und Medienwissenschaftler. Er ist Gründer der Gesellschaft für Fantastikforschung und hat an verschiedenen Universitäten zu Science Fiction und anderen Fantastikthemen geforscht, gelehrt und publiziert.