Fantasy

Zwischen großem Kino und B-Movie: Der Tag des Falken

Zwischen großem Kino und B-Movie: Der Tag des Falken
Bernd Perplies
22.07.2019

Man nehme (angeblich) eine altfranzösische Sage aus dem 14. Jahrhundert. Den Regisseur von Superman und Das Omen. Den Kameramann von Apocalypse Now. Die Musiker von Alan Parsons Project. Den jungen Burschen, der ein Jahr später als Ferris blau machen sollte. Einen niederländischen Replikanten. Und die schönste Frau des Kinos jener Tage. Wenn daraus kein Kultfilm wird ... weiß ich auch nicht weiter.

Tatsächlich wurde Der Tag des Falken daraus, eine ebenso magische wie tragische Liebesgeschichte vor mittelalterlicher Kulisse, die 1985 in die Kinos kam und dort abstürzte wie ein Vogel, der von einem Armbrustbolzen getroffen wird. (Das passiert im Film übrigens wirklich, auch wenn der Treffer nicht besonders weh getan haben kann, denn einen Tag nachdem die Wunde versorgt wurde tanzt besagter Vogel in Gestalt von Michelle Pfeiffer in einer Scheune bereits wieder fröhlich den Trotto).

Dass der Film nur mit sehr mäßiger Begeisterung angenommen wurde, dürfte für Donner eine Enttäuschung gewesen sein. Denn er war ein echtes Herzensprojekt seines Regisseurs. Mehrere Jahre soll er versucht haben, den Stoff finanziert zu bekommen. Erst wäre beinahe in England gedreht worden, später in der Tschechoslowakei. Schließlich landete man mit Geld von Warner und Fox in Italien, wo die Kameras unter anderem in der Ruine der Rocca Calascio, der Burg von Torrechiara und dem Castell’Arquato aufgestellt wurden. Die Provinz L’Aquila schaffte es sogar namentlich in den Film, denn der Bischof von Aquila, dargestellt von einem wunderbar fiesen John Wood, ist der Bösewicht in der Geschichte.

Die erzählt zunächst von dem kleinen Dieb Philippe Gaston, genannt „die Maus“ (Matthew Broderick), dem es gelingt, aus dem Kerker der Stadt Aquila zu entkommen, etwas, das noch nie zuvor jemandem geglückt ist. Damit sich dieser Präzedenzfall nicht herumspricht, jagt der Bischof dem Jungen seine Soldaten hinterher, doch als diese ihn schon beinahe geschnappt haben, wird Gaston von einem mysteriösen schwarzen Ritter (Rutger Hauer) gerettet, der von einem Falken begleitet wird. Okay, eigentlich einem Habicht, denn im englischen Original heißt der Film „Ladyhawke“ und nicht „Ladyfalcon“. Und ganz genau genommen ist ein Rotschwanzbussard auf der Leinwand zu sehen, aber wir wollen es mit der Ornithologie nicht zu weit treiben.

Nun, jedenfalls hat Ritter Rutger, hier Etienne Navarre – aber alle, sogar seine Geliebte, nennen ihn nur Navarre –, ein Problem. Einst war er der Chef der Bischofsgarde und er verliebte sich in die Tochter des Grafen von Anjou, Isabeau d’Anjou (Michelle Pfeiffer, wunderhübsch wie immer, aber ohne nennenswerte Rolle). In die war zu dem Zeitpunkt aber so ungefähr jeder Mann im zeugungsfähigen Alter verschossen, darunter auch der Bischof selbst. Weil Isabeau aber dessen zartfühlende Briefpost abwies und stattdessen nur eisblaue Augen für die eisblauen Augen Navarres hatte, verfluchte der Gottesmann die beiden. So lange es Tag und Nacht gibt, soll Navarre jede Nacht zum Wolf werden, Isabeau an jedem Tag zum Falken. Nie sollen sie zusammen sein, außer in der Sekunde des Sonnenaufgangs. Weil Navarre darüber nach zwei Jahren ziemlich frustriert ist, will er nach Aquila zurück, um dem Bischof das Familienschwert in die Brust zu rammen. Das ändert an seiner Lage zwar grundsätzlich nichts, fühlt sich aber zumindest einen Moment lang gut an. Denkt Navarre.

Viel mehr Handlung hat der Film eigentlich nicht. Man könnte ihn frei nach dem Hobbit auch „Hin und wieder zurück“ nennen. Gaston flüchtet aus Aquila, trifft die beiden verfluchten Liebenden, am Wendepunkt (der Handlung und der Reise) macht man bei einem alten Bekannten von Navarre und Isabeau Halt und dann geht’s zurück zum Anfangsort der Reise. Das alles begleitet von der für den Film ebenso prägenden wie unpassenden Elektromusik des Alan Parsons Project – oder immerhin zweier ihrer Mitglieder, Andrew Powell und Alan Parson himself.

Das klingt irgendwie ziemlich nach B-Movie und ungeachtet der bekannten Namen, die Teil des Projekts waren, tänzelt Der Tag des Falken auch die ganze Zeit an dieser unscharfen Grenze zwischen großem Kino und Billigproduktion herum. Und doch ... irgendwie hat der Film etwas. Etwas, das im Laufe der Zeit dafür gesorgt hat, dass man ihn einfach kennt, wenn man nur ein wenig genre-affin ist. Ich möchte jetzt nicht das schwere Geschütz ausfahren und ihn einen „Klassiker“ nennen. Aber auf einer Liste zehn nennenswerter Fantasy-Filme der 1980er wäre Der Tag des Falken gewiss vertreten.

Das ist zum einen sicherlich den Schauspielern geschuldet. Matthew Broderick, der es erstaunlicherweise geschafft hat, im Vorspann an erster Stelle genannt zu werden, ist mit seinem Gaston weit mehr als nur der lustige Sidekick von Hauers und Pfeiffers Liebenden. Tatsächlich hält er mit seinem schlitzohrigen Humor und seiner sympathischen Natur den Film zusammen und den Zuschauer bei der Stange. Rutger Hauer wirkt dagegen etwas schwerfällig, sowohl im Kampfesrausch als auch in seinen sonstigen Emotionen. Andererseits ist es Rutger Hauer! Welcher Genre-Fan mag nicht Rutger Hauer? Der Mann kämmt sich die Haare mit einer Drahtbürste! (Okay, anderer Film – den sollte ich mir auch mal wieder ansehen ...) Und Michelle Pfeiffer hat einfach eine Ausstrahlung, der man sich schwer entziehen kann, selbst wenn ihr das Drehbuch nicht viel Raum zur Entfaltung bietet. „[...] selbst wenn der Falke sie vertritt, meint man, sie wäre im Bild“, schwärmte seinerzeit Vincent Canby von der New York Times, immerhin einer der bedeutendsten Filmkritiker jener Tag. Wer wäre ich, ihm zu widersprechen?

Zum anderen schwingt in allem eine Art tiefer Poesie mit. Die Liebesgeschichte zwischen Navarre und Isabeau ist traurig und wundervoll zugleich und wird von Kameramann Vittorio Storaro, übrigens einem der namhafteren Vertreter seiner Zunft, immer wieder in magischen Bildern gemalt. Wenn sich, erhellt von den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne und kurz nachdem sich Navarre vom Wolf zum Mann verwandelt hat, die Hände der Liebenden regelrecht glühend beinahe berühren, bevor die Verwandlung Isabeaus zum Falken die Geste unvollendet unterbricht, ist das ein Moment, der über manchen Makel hinwegsehen lässt. In diesem Augenblick passt sogar die Musikuntermalung.

Bernd Perplies

Bernd Perplies, geboren 1977 in Wiesbaden, studierte Film- und Literaturwissenschaft in Mainz. Parallel zu einer Anstellung beim Deutschen Filminstitut (DIF) in Frankfurt am Main, wandte er sich nach dem Studium dem professionellen Schreiben zu. Heute ist er als Schriftsteller, Übersetzer und Journalist tätig. Er ist Redakteur der Website Ringbote.de sowie des "Corona Magazine" und gehört zum Übersetzungsteam der "Star Trek"-Romane von Cross Cult. Im August 2008 kam sein Debütroman "Tarean - Sohn des Fluchbringers" auf den Markt, weitere Werke folgten."Drachengasse 13" ist sein erstes Kinderbuch. Bernd Perplies lebt in der Nähe von Stuttgart, zusammen mit etwa 1000 Büchern und einer einzelnen tapferen Grünpflanze. Mehr über ihn erfahrt ihr auf: www.bernd-perplies.de