Fantasy

Richtig Schluss machen: die 10 besten Arten von Schluss-Sätzen in Fantasy-Büchern

Richtig Schluss machen: die 10 besten Arten von Schluss-Sätzen in Fantasy-Büchern

BUCH

 

Nicola Alter, 03.07.2017

Autoren verbringen eine recht lange Zeit damit, über den Eröffnungssatz ihres Romans zu brüten. Entsprechend genießen wir es als Leser, die ersten Sätze unseres Lieblingsbuchs zu zitieren. Das ist ja auch verständlich, weil so viel vom ersten Eindruck abhängt. Aber wie steht es mit Schlusssätzen? Was geschieht mit den letzten Worten, die eine Geschichte abschließen und dann im Kopf des Lesers nachhallen, nachdem das Buch bereits geschlossen ist?

Ich bin mal durch meine Regale gegangen und habe einige „Letzte Worte“ populärer Fantasy, Science Fiction und Dystopien untersucht und dabei herausgefunden, dass sie in 10 allgemeine Typen passen:

 

Zuerst aber ein Wort zum „Spoiler“

Der letzte Satz als solcher mag vielleicht noch nicht viel verraten (außer vielleicht, dass ein Happy End zu haben ist, wo man eines erwartet, oder dass in der Zukunft noch weitere Herausforderungen anstehen) und können entsprechend nicht viel verraten, an das man sich Monate später noch erinnert. Ich habe aber dennoch versucht, mich auf Sätze zu konzentrieren, die nicht zu viel verraten oder die aus Romanen stammen, die aufgrund ihres Erfolgs schon viele hier gelesen haben werden. NICHTSDESTOTROTZ, solltest du eines der hier gelisteten Bücher lesen wollen oder gerade im Begriff sein zu lesen, dann rate ich zur Vorsicht. Die zitierten Sätze befinden sich am Ende eines jeden Abschnitts, die Bücher, aus denen sie stammen, sind direkt darunter angegeben, falls du sie lieber überspringen möchtest.

1. Die Reise ist noch nicht vorbei

Die Andeutung einer weiterführenden oder anstehenden physischen Reise ist ein recht häufig vorkommendes Thema in letzten Sätzen, besonders in den ersten Büchern von geplanten Fantasy-Reihen. Der Sinn dahinter ist natürlich, den Leser daran zu erinnern, dass weitere Abenteuer im nächsten Buch aus sie warten und dass die Geschichte, wie auch die Reise, noch nicht ganz vorbei ist. Hier wäre das wohl berühmteste Beispiel:

Dann schulterten sie ihre Rucksäcke und nahmen die Suche auf nach einem Pfad, der sie über die grauen Berge des Emyn Muil und hinunter in das Land des Schattens bringen würde.

Der Herr der Ringe: Die Gefährten von J. R. R. Tolkien

2. Der Konflikt ist noch nicht geklärt

Diese Art der letzten Sätze erinnert den Leser daran, dass ein ungelöster Konflikt im Raum steht, oder dass in der Zukunft ein Konflikt entstehen könnte. Hier geht es wiederum häufig um die Fortsetzung einer Reihe oder darum, das Buch mit einem Gefühl von Kontinuität zu beenden: der Spaß geht weiter, auch wenn wir nicht dabei sind. Diese Sätze können sehr effektiv sein, aber sie können auch schnell ins Gebiet von Klischee oder Melodrama abdriften, wenn sie nicht gut umgesetzt sind (dabei erinnern sie dann an das „da! da! da!“ Klischee, das wir aus klassischen Kinofilmen kennen).

He’d drink to the whole sorry lot of them, but mostly, to the poor fools who didn’t know what trouble was coming. 

(„Er trank und hob sein Glas in Gedenken an sie alle, aber am meisten noch an diejenigen armen Schlucker, die nicht wussten, was für ein Ärger noch kommen würde.“)

Crooked Kingdom von Leigh Bardugo

3. Ein Ende mitten im Geschehen oder die überraschende Erkenntnis

Diese Art der letzten Sätze stehen meist im Zentrum der Handlung oder kurz nachdem wir eine große Erkenntnis erlangt haben. Sie lassen den Leser mit rasendem Puls und – wenn es ein erster Teil der Reihe ist – dem dringenden Wunsch nach mehr zurück. Auch wenn sie das Potential haben unbefriedigend zu sein, können sie einen doch auch bei guter Durchführung mit einem Hochgefühl zurücklassen. Hier werde ich lieber keine Beispiele zitieren, weil gute Beispiele zu viel verraten würden oder ohne ihren Kontext keinen Sinn ergeben. Aber ein paar Szenarien, wo sie vorkommen, kann ich nennen:

 

  • ein beliebter Charakter, der als verloren galt, kehrt unerwartet zurück
  • gerade wenn man glaubt, der Kampf sei vorbei, erscheint ein Feind und dreht den Kampf zu seinen Gunsten
  • zwei Kämpfer klopfen clevere Sprüche, während der Kampf andauert

4. Ein Charakter steht im Fokus

In Fantasy-Romanen mit einem herausstechenden, mitreißenden oder abstoßenden Charakter im Zentrum nutzen diesen manchmal als Fokus für den letzten Satz. Das funktioniert besonders gut für einen ersten Roman in einer Serie, da es nicht nur die Persönlichkeit noch mal unterstreicht, die wir im Roman so genossen haben, sondern auch, dass wir in den nächsten Büchern noch weitere Geschichten und Abenteuer dieser Person erleben werden.

Ich bin gewachsen und gereift, aber welches Ungeheuer auch immer in mir haust, es war immer ganz allein meins, meine Wahl, meine Verantwortung, mein Böses, meinetwegen. So bin ich eben, und wenn ihr Entschuldigungen wollt, so kommt und holt sie euch.

Prinz der Dunkelheit von Mark Lawrence

5. Du darfst die Braut jetzt küssen

Wie auch in vielen Filmen und bei Hochzeiten, enden viele Bücher mit einem Kuss der Liebenden. Wenn dies gut umgesetzt ist, dann kann es ein schönes romantisches Bild zum Schluss ergeben. Soweit zur Theorie, aber in dem unten angegeben Beispiel sollte man den gefährlichen Unterton nicht vergessen, der aufgrund des Vampirmotivs mitschwingt:

„Doch, es ist genug“, antwortete er lächelnd. „Genug für alle Zeiten.“ Und er beugte sich hinab, um abermals seine kalten Lippen an meine Kehle zu legen.

Biss zum Morgengrauen von Stephanie Meyer

6. Dummer Spruch

Manche Bücher versuchen zum Schluss dem Leser ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern und enden deswegen in einem Witz oder einem trockenen Kommentar auf die vorangegangenen Ereignisse. Meist entsteht der Humor durch das gemeinsame Verstehen einer Situation, oder durch den Kontrast der eigentlich banalen Aussage zum Höhepunkt der Handlungen. Es kann aber auch ein typisch witziger Spruch des Charakters sein, so wie hier:

Die ganze Schöpfung wartete darauf, daß Rincewind hineinfiel. Er nahm die Einladung an. Es blieb ihm auch gar nichts anderes übrig.

Die Farben der Magie von Terry Pratchett

7. Referenz an den Titel oder das Thema

Diese Sätze erinnern den Leser an das Thema des Buches oder den Titel, manchmal durch eine Verbindung zum Anfang der Geschichte. Wenn sie gut umgesetzt sind unterstreichen sie das Motiv des Buchs, erschaffen einen nostalgischen Moment des Zurückblickens oder geben dem Leser das Gefühl, an etwas Persönlichem teilzuhaben.

Es ist wie ein Spiel. Immer das gleiche. Fast ein bisschen langweilig nach über zwanzig Jahren. Aber es gibt viel schlimmere Spiele.

Die Tribute von Panem: Flammender Zorn von Suzanne Collins

(Abschluss der Panem-Trilogie)

8. Der Ritt in den Sonnenuntergang

Das Klischee des einsamen Ritts in den Sonnenuntergang existiert nicht umsonst. So enden eine Menge Filme - aber eben auch Romane (wobei der Sonnenuntergang optional ist). Der Charakter begibt sich auf eine Reise ins Ungewisse, in ein neues Abenteuer, ein neues Leben ... aber im Gegensatz zu Ende #1 haben wir hier das unbestimmte Gefühl, dass wir nicht dabei sein werden.

Die Galeone kämpfte sich durch den Sturm nach Süden, und hinter ihnen verglühte das letzte Flackern des Truglichts. Der schwächer werdende, flirrende Schein zog sich in die Dunkelheit zurück, bis er schließlich gänzlich erlosch und der Regen sich wie eine Wand über das Meer schob.

Die Lügen des Locke Lamora von Scott Lynch

9. Alles wird gut

Diese abschließenden Sätze stehen zumeist am Ende einer Reihe, wenn Charaktere schon eine Menge durchgemacht haben. Sie sind wahrscheinlich das, was einem „glücklich bis an ihr Lebensende“ am nähesten kommt und lassen uns wissen, dass es dem Charakter gut geht und dass er ein friedliches Leben genießen kann, dass keine weiteren Katastrophen auf ihn warten:

Die Narbe hatte Harry seit neunzehn Jahren nicht geschmerzt. Alles war gut.

Harry Potter und die Heiligtümer des Todes von J. K. Rowling

Doch diese Taktik können Autoren auch unterlaufen und uns auf die selbe Weise genau das Gegenteil vermitteln:

Aber nun war es gut, war alles gut, der Kampf beendet. Er hatte den Sieg über sich selbst errungen. Er liebte den Großen Bruder.

Neunzehnhundertvierundachtzig von George Orwell

10. Poetische oder weise Worte zum Schluss

Einige Bücher wählen als ihre letzten Worte etwas Weises, Schönes, Poetisches, Gedankenanregendes – sie fokussieren sich dabei auf ein Motiv oder eine Stimmung, die im Abschluss der Geschichte liegt.

Sie wog so schwer wie ein großer, vom Fluss glatt geschliffener Stein. Es war der geduldige, blumensichelnde Laut eines Mannes, der darauf wartet zu sterben.

Der Name des Windes von Patrick Rothfuss

Nun erst begannen sie das erste Kapitel der großen Geschichte, die noch keiner auf Erden gelesen hat, der Geschichte, die ewig weitergeht und in der jedes Kapitel besser ist als das vorangegangene.

Der letzte Kampf von C. S. Lewis

(Abschluss der Chroniken von Narnia)

Was macht also einen guten letzten Satz aus?

Ich denke, all die hier genannten letzten Sätze können sehr effektiv sein, und am Ende ist es dann auch der gesamte Abschluss der Geschichte als Ganzes, nicht nur die letzten Sätze, die dafür sorgen, dass man den nächsten Teil einer Reihe lesen möchte oder nicht. Dennoch habe ich, beim Durchsuchen meiner Sammlung nach guten letzten Sätzen (ich habe vielmehr angeschaut, als die hier genannten), ein paar Dinge bemerkt:

  • Unauffällige und einfache letzte Sätze funktionieren zumeist besser. Die abschließenden Worte haben Gewicht, weil Leser damit wissen, dass sie das Ende der Geschichte erreicht haben. Wenn die letzten Phrasen sich also zu sehr um Größe und Pomp bemühen, dann driften sie leicht ins Melodramatische ab. Wenn das Ende jedoch zu banal ist, oder sich zu abrupt anfühlt, dann kann alles Gefühl versacken.
  • Abschließende Sätze, die sich zu sehr auf Klischees verlassen, führen zu Augenrollen – dem folgende Beispiel kann man das aufgrund des Alters vielleicht noch verzeihen, aber mein Ding ist das dennoch nicht:

»Die Prophezeiungen werden eintreffen«, flüsterte die Aes Sedai. »Der Drache ist wiedergeboren worden.«

Das Auge der Welt von Robert Jordan

 

  • Ein häufig vorkommendes Motiv, wie etwa der Kuss oder der Ritt in den Sonnenuntergang funktionieren dann besonders gut, wenn sie sorgfältig geschrieben sind und sich nicht faul oder konventionell anfühlen.
  • Wenn die letzten Absätze eines Buches zu viele der oben genannten Typen (also Kuss + Ritt + zukünftiger Konflikt + Poesie) auf einmal abzurufen versuchen, dann kann das zu gewollt und zu viel wirken.
  • Ein guter letzter Satz kann jeglicher Wirkung und jeglichen Effekts beraubt werden, wenn er von einem unnötigen Ausrufezeichen beendet wird!

Meine liebsten Arten von letztem Satz sind die „dummen Sprüche“, die Anspielungen auf Titel oder Themen und natürlich die poetischen Worte – aber eigentlich mag ich alle letzten Sätze, so lange sie nur zur Geschichte passen und diese gut abrunden. 

Nicola Alter

Nicola Alter ist in Australien aufgewachsen und lebt derzeit in Deutschland. Sie hat Kreatives Schreiben und Film & Fernsehen studiert und als Produktionsassistentin, Bibliothekarin und Schreiblehrer an der University of Queensland gearbeitet. Derzeit widmet sie sich ganz der Fantasy – als Autorin und Langstreckenleserin. Folge ihr auf Twitter oder besuche ihren Blog: ThoughtsOnFantasy.com.