Fantasy

Fünf Science-Fiction-Bücher mit Vampiren

Fünf Science-Fiction-Bücher mit Vampiren

Markus Mäurer, 10.12.2019

Vampire im Weltall. Aliens als Vampire. Aliens vs. Vampire. Die Science-Fiction-Literatur hat so ziemlich alles im Angebot, was man sich vorstellen kann. Hier sind fünf Romane, die Vampire in ein SF-Setting versetzen.

Genregrenzend sind fließend, und viele Werke lassen sich nicht genau einordnen. Ist Ridley Scotts Alien jetzt Science Fiction, Horror oder beides? Um sich auf phantastische Stoffe einzulassen, gehört für die Leserin, die Zuschauer ein gewisses Maß an Suspension of Disbelief dazu, die Fähigkeit, sich auf Prämissen einzulassen, die nicht in unserer Realität verankert sind. Z. B. dass Vampire seit Jahrhunderten im Verborgenen leben und sich von menschlichem Blut ernähren. Doch das hat seine Grenzen. Die vor allem dann überschritten werden, je stärker etablierte Genrekonventionen gebrochen werden. Wenn man z. B.  Science Fiction mit Fantasy mischt, wird es schwierig. Es kann funktionieren, wie z. B. in Shadowrun, aber die Meisten tun sich damit eher schwer. Auch Vampire in ein Science-Fiction-Szenario zu versetzen, ist ein heikles Unterfangen, da hier zwei Genres miteinander gemischt werden, die in den Köpfen vieler nur beding kompatibel sind. Da muss man sich schon eine besondere Ausgangslage einfallen lassen.

Im Film gab es diese Genremischung vor allem im B-Movie-Bereich. Mario Bavas Planet der Vampire von 1965 sei da zu erwähnen, wobei es sich bei den Angreifern um parasitäre außerirdische Wesen handelt, die man nur mit Vampiren assoziiert, weil der menschliche Geist immer ein bekanntes Vergleichsbeispiel benötigt (und weil es für den deutschen Verleih ein schmissiger Titel war). Ähnliche vampirartige, also Lebenskraft aussaugende Wesen, gab es auch in Tobe Hoopers Lifeforce von 1985, den es ohne Alien vermutlich nicht gegeben hätte. Der basiert auf dem Roman The Space Vampires von Colin Wilson aus dem Jahr 1976.

Richtige Vampire, basierend auf den alten Volkslegenden, die auch Bram Stoker zu seinem Roman Dracula inspirierten, gibt es in SF-Filmen und Serien ansonsten nur in postapokalyptischen Szenarien wie in Van HelsingDaybreakers, Vampire Nation oder in V-Wars. In Buchform sieht das anders aus, da trauen sich die AutorInnen durchaus mehr.

Blindflug von Peter Watts (Blindsight, übers. Sara Riffel)

Blindflug ist ein Hard-SF-Roman, dem es gelingt, Vampire auf wissenschaftliche Weise als evolutionäre Anomalie zu erklären. Sie sind Raubtiere, denen es gelungen ist, ihre Instinkte so weit zu unterdrücken, dass sie sich halbwegs in die Gesellschaft integrieren können. Der Vampir in diesem Roman wurde aufgrund seiner genetischen Besonderheiten als Raumschiffkapitän für eine Erstkontaktmission ausgewählt. Mythen, wie die Angst der Vampire vor Kreuzen werden mit einer genetisch bedingten Schwäche gegenüber rechter Winkel begründet. In erster Linie ist Blindflug ein faszinierender Erstkontaktroman, da es Watts gelingt, wirklich fremdartige Außerirdische zu beschreiben, in dem die Vampirkomponente aber glaubhaft und sinnvoll integriert wird.

Der Widerstand von David Weber (Out of the Dark, übers. Ralph Sander)

Auch in David Webers Der Widerstand kommt es zu einem Erstkontakt mit Außerirdischen, und zwar in Form einer Alieninvasion durch die technologisch überlegenen und sehr gewaltätigen  Shongari, die im Jahr 2010 im Auftrag einer intergalaktischen Hegemonie verhindern sollen, dass die Menschheit zu einer ähnlich bedrohlich Macht aufsteigt. Es folgt ein erbitterter Krieg, der die Erde an den Rande der Zerstörung bringt, bis - wartet, gleich kommts (Spoiler ahead) - Graf Dracula auf den Plan tritt und die Faxen dicke hatte, da er nicht weiter zusehen möchte, wie seine Nahrungsquelle vernichtet wird. Das hört sich so bekloppt an, dass es irgendwie schon wieder eine faszinierende Idee ist, die aber viele Leser Webers, die von ihm sonst geradlinige Military-SF (Honor Harrington) gewöhnt sind, nicht so recht mitgehen konnten.

Vampire Earth - Tag der Finsternis von E. E. Knight (Way of the Wolf, übers.Regina Winter)

Hier sind es wiederum die außerirdischen Invasoren, die den Menschen das Blut aussaugen möchten. Das ist übrigens keine neue Idee, schon Edmond Hamilton erschuf in Captain Future außerirdische Tentakelwesen, die sich von einer Flüssigkeit ernähren, die dem menschlichen Blut nahekommt. Die entpuppten sich dann aber als ganz umgänglich, nach dem Future ihnen aus einer Misere half. In Vampire Earth haben die Invasoren die Menschheit im Jahr 2065 fast vollständig vernichtet und machen Jagd auf die letzten Überlebenden. Wobei der Vampir-Aspekt hier, trotz des Titels, eher nebensächlich ist. Tag der Finsternis ist der Auftakt zu einer elfbändigen Reihe, von der aber nur sechs auf Deutsch erschienen sind.

Ich bin Legende von Richard Matheson (I Am Legend, übers. Ralf Schmitz)

Einer der großen Klassiker der postapokalytpischen SF-Literatur, vor allem auch durch die 1971er Verfilmung Der Omega Mann mit Charlton Heston und die Neuverfilmung I am Legend mit Will Smith. Der Roman von Richard Matheson ist von 1954, spielt ab dem Jahr 1976 im Los Angeles einer Welt, in der die Menschheit durch eine von Moskitos übertragene Seuche nahezu ausgerottet wurde, und nur Robert überlebt zu haben scheint. Der hat sich in seinem Haus verbarrikadiert und muss sich gegen wiederauferstandene Vampire zur Wehr setzen, anders als in den Verfilmungen tatsächlich klassisch mit Holzpflöcken und Knoblauch. Robert versucht der Vampirseuche auf den Grund zu gehen und erfährt, dass es "lebende" und "tote" Vampire gibt. Matheson übernimmt zwar klassische Vampirmotive, entwickelt sie aber zu etwas Neuem, sucht einen wissenschaftlichen Ansatz und baut eine interessante neue Gesellschaftsstruktur auf, in der der Mensch das unerklärliche Monster ist.

The Fledgling von Octavia Butler

Auch hier gehören die "Vampire" einer anderen Spezies an, die von menschlichem Blut lebt und ihnen physisch überlegen ist. Da die Ina aber auch von ihnen abhängig sind, gehen sie mit den Menschen eine Symbiose ein. Die Hauptfigur Shori lebt im Körper eines zehnjährigen afroamerikanischen Mädchens, das mit dem Arbeiter Wright in einer Symbiose steht. Butler wählte einen sanfteren Ansatz, was die Vampir angeht, die keine Perversion menschlichen Lebens sind, sondern eine koexistierende Spezies, der am Wohlergehen der Menschheit gelegen ist und die natürlich als Allegorie auf real existierenden Rassismus dienen. Ein vielschichtiger Roman, der deutlich weniger düster daherkommt als zum Beispiel Butlers Parable-Serie. Meines Wissens nach ist das Buch nie auf Deutsch erschienen.

Markus Mäurer

Der ehemalige Sozialpädagoge und Absolvent der Nord- und Lateinamerikastudien an der FU Berlin, der seit seiner Kindheit zwischen hohen Bücherstapeln vergraben den Kopf in fremde Welten steckt, verfasst seit über zehn Jahren Rezensionen für Fantasyguide.de, ist ebenso lange im Science-Fiction- und Fantasy-Fandom unterwegs (Nickname: Pogopuschel) und arbeitet seit einigen Jahren als Übersetzer phantastischer Literatur. http://lesenswelt.de/