Fantasy

Die fünf besten abgeschlossenen Fantasy-Zyklen

Die fünf besten abgeschlossenen Fantasy-Zyklen

Henning Mützlitz, 12.11.2018

Epische Fantasy braucht es Platz. Selten einmal wird eine fiktive Welt in einem einzelnen Roman gerettet, um sich als ernstzunehmende/r Autor/in im Genre zu behaupten, sollte es zumindest eine Trilogie sein. Oder gleich eine ganze Reihe, ein Zyklus, der sich unter Umständen über viele Jahre, vielleicht sogar Jahrhunderte und mehrere Generationen von Helden erstreckt.

Im Folgenden stelle ich einige Reihen vor, die für mich zu den besten und wichtigsten abgeschlossenen Reihen epischer Fantasy gehören – die Auswahl ist dabei durchaus und bewusst persönlicher Natur und erhebt keinen Anspruch auf Exklusivität. Aktuelle Vertreter wie G. R. R. Martin, Patrick Rothfuss oder Scott Lynch dürfen sich bei den im Folgenden genannten Kolleg/innen gerne eine Scheibe abschneiden und sich vielleicht in einigen Jahr(zehnt)en einreihen, wenn sie ihre in der Luft hängenden Zyklen abgeschlossen haben.

Die „Midkemia-Saga“ von Raymond Feist

Eine Fantasy-Saga, auf die all die oben genannten Kriterien zutreffen, sind die Romane um die Welt Midkemia des kalifornischen Autors Raymond Feist. 1982 erschien mit Magician (dt. Der Lehrling des Magiers) der Auftakt zu einem Mammutwerk, das im Original in der Hauptlinie zwanzig Romane sowie zehn weitere in Nebenzyklen oder Einzelgeschichten umfasst. Feist übernahm seinen Weltentwurf von seiner Rollenspielgruppe aus den 1970ern, die mit der Welt ein eigenes „Dungeons & Dragons“-Setting entworfen hatte, und etablierte sich mit „Magician“ als Fantasy-Bestsellerautor.

Die Saga gerierte sich zunächst als klassische Coming-of-Age-Geschichte des jungen Magiers Pug innerhalb eines genretypischen Settings nebst Elfen, Zwergen und Goblins, legte aber bereits durch die Anlage der magische Spalte zwischen den Welten Midkemia und Kelewan den Grundstein für die spätere Emanzipation vom Genre. Mit Silverthorn und A Darkness at Sethanon wurde die erste Riftwar-Trilogie (in Deutschland als Teil der sechsbändigen Midkemia-Saga erschienen) bis 1986 abgeschlossen, und in der Folge machte sich Feist auf, neue Kontinente, Planeten und Dimensionen in seinem Kosmos zu erkunden, bis der Kampf gegen die Mächte der Finsternis in der Chaoswar-Saga 2013 ihren Abschluss fand. 31 irdische Jahre und einige Jahrhunderte auf Midkemia waren bis zum letzten Roman Magician's End vergangen.

Die letzten fünf Romane wurden leider noch nicht auf Deutsch veröffentlicht, nachdem man den im angelsächsischen Raum nach wie vor sehr populären Feist bei Blanvalet mittels einer merkwürdigen und zeitlich gegenüber dem Original extrem verzögerten Publikationspolitik in den Nullerjahren im deutschen Fantasymarkt torpediert hatte. Mittlerweile sind die bislang übersetzten Ausgaben allerdings größtenteils wieder als Taschenbuch verfügbar.

Zusätzlich zur Romanreihe erschienen ein Midkemia-Atlas bzw. Reiseführer, eine Comicreihe bei Marvel sowie zwei Computerspiele in den 90ern. Daneben hat Feist unlängst die Rechte an der ersten Trilogie an ein Produktionsstudio verkauft, um eine TV-Serie zu realisieren.

Der „Weitseher-Zyklus“ von Robin Hobb

Mit Robin Hobb haben wir ein prominentes Beispiel einer Autorin, die sich ein männliches Pseudonym zugelegt hat bzw. zulegen musste, um im Markt der epischen Fantasy zu reüssieren. Dabei wäre es eigentlich gar nicht nötig gewesen, denn als Megan Lindholm hat Margaret Astrid Lindholm Ogden bereits seit den 1970ern Kurzgeschichten und Romane in der Phantastik veröffentlicht – sie blieb allerdings weitgehend unter dem Radar des Massenmarkts. Für einen großen Publikumserfolg standen die Chancen als vermeintlich männlicher Autor nach Ansicht des Verlags deutlich größer, und so entschied man bei HarperCollins, Robin Hobb (angelehnt an Robin Hood) als Debütanten in die epische Fantasy einsteigen zu lassen.

Genau genommen umfasst der oben genannte Begriff „Weitseher-Zyklus“ im Deutschen nur die ersten drei Bücher aus Robin Hobbs Romanreihe um das „Realm of the Elderlings“, allerdings ist mir keine deutsche Entsprechung für die Gesamtreihe bekannt, also dient der Titel der bekannten Auftakttrilogie hier als Aufhänger. Robin Hobb veröffentlichte den ersten Band der kürzlich als „Die Chronik der Weitseher“ wiederveröffentlichten Trilogie „Assassin's Apprentice“ im Jahr 1995. Aus der Ego-Perspektive folgt man darin dem Leben des Jungen Fitz, der als königlicher Bastard zum Meuchelmörder ausgebildet wird und künftig das Reich der „Sechs Provinzen“ vor Feinden schützen soll. Dabei gerät er bereits in jungen Jahren tief in die Intrigen und Machtspiele des Königreichs und steht immer wieder vor der Frage, ob und wann der Mord von Menschen angesichts der Staatsräson oder eines größeren Wohls gerechtfertigt ist. Hobb wurde dafür als Vertreterin einer neuen, ernsthafteren und erwachseneren Form der Fantasy gepriesen, die zeitgenössische Autor/innen maßgeblich beeinflusste.

Robin Hobb veröffentlichte 17 Romane innerhalb ihrer „Elderlings“-Welt, von denen sich neun um Fitz und den geheimnisvollen Narren drehen, allerdings wurden die letzten fünf bislang nicht übersetzt. Im Rahmen der aktuellen Neuausgabe bei Penhaligon soll dies allerdings bald geschehen, so dass in absehbarer Zeit auch der letzte Band um Fitz, den Assassinen, (im Original „Assassin's Fate“) hierzulande erscheinen sollte.

Die „Belgariad-Saga“ von David Eddings

An sich handelt es sich dabei mit der „Belgariad“- und der „Malloreon-Saga“ um zwei Reihen, die aufeinander aufbauen. Der 2007 verstorbene David Eddings legte von 1982-84 mit der „Belgariad-Saga“ eine archetypische Reihe vor, wie man sie hinsichtlich ihres Grundentwurfs (jugendlicher Protagonist mit magischer Befähigung wird aufgrund einer alten Prophezeiung den dunklen Herrscher vernichten), heute allenfalls aus dem klischeehaften Fantasy-Baukasten zaubern würde. Eddings arbeitet dabei die Stationen der klassischen Heldenreise ab, und am Ende wird der ehemalige Bauernjunge Garion als Belgarion zum König gekrönt.

Aus heutiger Sicht mäßig spannend, hat man so etwas doch schon tausend Mal gelesen - vor drei Jahrzehnten war das Konzept allerdings noch nicht derart ausgelutscht und im Zweifelsfall gehört Eddings zu jenen, auf die man sich bezieht, wenn man an diese Art von Fantasy-Geschichten denkt. Eddings' große Stärke waren vor allem seine Figuren: Die Konstellation aus jungen, unerfahrenen Protagonisten, eigenwilligen Mentoren wie Tante Polgara und dem Gandalf-Abziehbild Belgarath sowie einer Handvoll sympathischer Sidekicks, die durchaus auch für humoristische Elemente sorgen, machte den besonderen Reiz und Lesespaß der beiden fünfbändigen Reihen aus. Daneben bot Eddings mit zwei dicken fiktiven Autobiographien von Polgara und Belgarath sowie dem Welt- und Hintergrundband „Riva-Kodex“ einen enormen Mehrwert über die beiden Romanzyklen hinaus.

Etwas abweichend von den sehr genretypischen „Belgariad“- und „Malloreon“-Sagen legte Eddings mit der „Elenium“- und der „Tamuli-Saga“ in den 90ern noch zwei Trilogien vor, die im Gegensatz zum jugendlichen „Kind der Prophezeiung“ ältere Ritter in den Vordergrund stellt, was für erfahrenere Fantasy-Leser/innen aus heutiger Perspektive vielleicht interessanter sein dürfte – auch hier fühlt man sich in der Gemeinschaft der Haupt- und Nebenfiguren stets wie unter einer Gruppe Kumpels, mit denen man auszieht, um das Böse zu besiegen.

„Das Rad der Zeit“ von Robert Jordan

Natürlich darf das Magnum Opus von Robert Jordan hier nicht fehlen. Die Geschichte um Rand al'Thor, den Wiedergeborenen Drachen, wurde von Brandon Sanderson vollendet, nachdem Robert Jordan im Jahr 2007 vor der Beendigung seiner Saga verstorben war. Fraglos stellt es eine Fantasy-Saga von Weltgeltung dar, und die in der Einleitung genannten Kriterien treffen auf „Das Rad der Zeit“ genau zu, allerdings habe ich durchaus mit mir gerungen, ob ich es in die engere Auswahl aufnehmen soll.

Das Problem von „Das Rad der Zeit“ ist schlichtweg der schiere Umfang: Es umfasst 14 ziemlich dicke Originalbände mit schlappen 12.000 Seiten, die in der deutschen Erstausgabe bei Heyne und Piper auf 37 Taschenbücher aufgesplittet wurden. Mittlerweile liegt auch eine 14-bändige deutsche Paperbackausgabe vor – ihr könnt euch vorstellen, was das für Ziegelsteine sind ...

Klar, epische Fantasy soll ja wie eingangs erwähnt ausschweifend sein, doch Jordan pflegt einen derart ausschweifenden, auf jedwede Einzelheit seiner Welt und Protagonisten eingehenden Stil, der nicht nur das Volumen der Reihe unglaublich aufbläst, sondern auch dem Spannungsbogen mitunter alles andere als zuträglich ist. Viele Fans liebten ihn aber gerade dafür und saugten jedes Detail seines fiktiven Weltentwurfs auf, und ist man erst einmal in Jordans Weltenschöpfung eingetaucht und hat seine vielen Figuren (wie z.B. Nynaeve oder Thom Merrilin) liebgewonnen, kann man sich seinen Zauber nur schwerlich entziehen. Durchhalten wird also belohnt.

Dabei war die Reihe vom Autor ursprünglich nur auf drei, von Tor Books wohlweislich auf sechs Bände angelegt worden. Von Anfang an pushte man „Das Rad der Zeit“ massiv in den Markt, und die ersten beiden Bände, die 1990 erschienen, erwiesen sich als extrem erfolgreichso dass Jordan bald den Freibrief besaß, die Reihe in der epischen Breite zu erzählen, die er sich erträumt hatte. Mit Band 12 sollte eigentlich alles enden, doch Brandon Sanderson sah sich nach Jordans Tod bei dem enormen Umfang des Materials, das er für die Fertigstellung zu bearbeiten hatte, gezwungen, zwei weitere Bände dranzuhängen.

Auch hier erschienen Computerspiele, Comics und ein Weltenband, der wahrscheinlich unabdingbar ist, um die über 23 Jahre ausdifferenzierte Welt zu erfassen. Die Geschichte um den Wiedergeborenen Drachen soll bei Amazon zudem bald als Serie umgesetzt werden.

Die „Hexer-Saga“ von Andrzej Sapkowski

Hexer Geralt von Riva  ist ein Hexer, ein genetisch verbesserter Mensch, der gegen Bezahlung Monster tötet und spätestens im Jahr 2015 zu einer popkulturellen Ikone aufgestiegen, nachdem das Computer-Rollenspiel „Witcher 3“ Kritiker und Publikum maßlos begeisterte. Das Spiel basiert auf der von 1994-99 entstandenen „Hexer-Saga“ des polnischen Autors Andrzej Sapkowski, die im Zuge des globalen Erfolgs des Games ebenfalls internationale Berühmtheit erlangte.

Genau genommen könnte man die Romanreihe auch als „Hexerin-“ oder „Ciri-Saga“ bezeichnen, denn sie dreht sich in erster Linie um das Schicksal der Prinzessin Cirilla Fiona Elen Riannon von Cintra. Als „Kind der Älteren Blutes“ trägt sie enorme magische Fähigkeiten in sich, die sich Elfen, Magier, Könige und Kaiser zu Nutze machen wollen. Geralt fungiert als eine Art Vaterfigur für die früh verwaiste Ciri und versucht, ihr inmitten von Krieg und Tod, Intrigen und Pogromen beizustehen. Mit Geralt und Ciri sowie seinen weiteren Figuren wie der Magierin Yennefer oder dem Barden Rittersporn hat Sapkowski ikonische Charaktere geschaffen, an denen man sich reiben kann, die nicht allen sympathische sein dürften, mitunter als Antihelden bezeichnet werden, sich aber wohltuend von vielen stereotypen Helden genretypischer Veröffentlichungen abheben.

Sapkowski hat in seiner Pentalogie, für die er in zwei Kurzgeschichtenbänden zuvor die Grundlagen legte, ein Konglomerat aus klassischen High-Fantasy-Komponenten, angereichert mit Elementen der ost- und nordeuropäischen Sagenwelt und Allegorien auf den Zweiten Weltkrieg zu einem düsteren und brutalen Zyklus verwoben. Vertreter jedweder Spezies zeichnen sich hier vor allem durch ihre schlechten Eigenschaften aus, und man erschrickt immer wieder vor den irdischen Parallelen, die Sapkowski in seiner Welt aufgreift.

Auch Hexer Geralt wird sich bald auf den Fernsehschirmen einfinden. Netflix wird den „Witcher“ mit „Superman“ Henry Cavill in der Hauptrolle voraussichtlich Ende 2019 zeigen.

 

Und der Rest?

Und wo sind die anderen Zyklen, die hier auftauchen müssten? Da fehlen doch so viele! Natürlich könnte man auch Le Guins „Erdsee“ nennen, man hätte Tad Williams aufnehmen können (aber eigentlich ist „Osten Ard“ ja doch noch nicht abgeschlossen ...), ganz zu schweigen von David Gemmells „Drenai“- oder der „Drachenprinz-Saga“ von Melanie Rawn. Sind sie aber nicht, denn wie gesagt: Das Ganze war eine überaus persönliche Auswahl.

Jetzt seid ihr dran: Welche abgeschlossenen Fantasy-Reihen wären in eurer persönlichen Liste denn ganz vorne dabei?

Henning Mützlitz

Henning Mützlitz durchwandert bereits seit seiner Kindheit phantastische Welten, bis er beschloss, seine eigenen zu erschaffen. Seit einem Redaktionsvolontariat ist er als freier Journalist und Schriftsteller tätig. Er ist unter anderem stellv. Chefredakteur des Genre-Magazins Geek!, in dem er sich mit verschiedenen Formen der Phantastik in Wort und Bild beschäftigt. Daneben schreibt er phantastische und historische Romane.

www.henning-muetzlitz.de
Facebook: www.facebook.com/Henning.Muetzlitz/
Twitter: www.twitter.com/hMuetzlitz