Fantasy

Die 15 besten nichtamerikanischen Fantasyfilme aller Zeiten

Die 15 besten nichtamerikanischen Fantasyfilme aller Zeiten
© Studio Canal

Markus Mäurer, 26.10.2018

Vor ein paar Wochen veröffentlichte Thilo Nemitz hier eine Liste mit den 15 besten Fantasyfilmen aller Zeiten. Nachdem ich auf Facebook frech anmerkte, dass es sich doch um eine sehr amerikanische Liste handele, erhielt ich prompt die Herausforderung, eine Liste mit den 15 besten nichtamerikanischen Fantasyfilmen zu erstellen. Well, challenge accepted!

Hätte man mich nach der Liste gefragt, die Thilo erstellt hat, hätte ich vermutlich zwischen Filmen unterschieden, die in unserer modernen Welt spielen, wie Harry Potter oder The Shape of Water und solchen, die auf eine Sekundärwelt spielen, wie Herr der Ringe, oder unsere zumindest weitgehend verfremden, wie Conan der Barbar. Und Der Hobbit wäre als verunglückte Adaption sicher nicht auf meiner Liste gelandet. Aber so werde ich mich an die Kriterien von Thilo Nemitz halten, allerdings einen animierten Filme, also einen Anime, mit reinnehmen, um zu zeigen, dass sich nicht wenige Meisterwerke dieses Genre nicht vor Realfilmen verstecken brauchen (und im Prinzip genügend Material für eine eigene Liste böten, und wir lieben solche Listen doch alle - vor allem weil sich so trefflich über sie streiten lässt).

"Also, hier nun die Filme, die größtenteils eher in die Richtung 'Klassische Fantasy' gehen und dieses bestimmte 'Fantasy-Bauchgefühl' auslösen. Sie sind manchmal heldenhaft, oft märchenhaft und immer magisch. Sie sind die Evergreens, die sich für immer in der Popkultur verankert haben", heißt es bei Thilo. Ob sich jetzt alle Filme meiner Liste für immer in der Popkultur verankert haben, darüber lässt sich sicher streiten, ein wichtiger und einflussreicher Bestandteil der Filmgeschichte sind Werke wie Die Nibelungen oder Der Himmel über Berlin aber allemal. Hier also die - meiner Meinung nach - besten nichtamerikanischen Fantasyfilme aller Zeiten (nicht mit Platzierungen, sondern in chronologischer Reihenfolge):

"Die Nibelungen 1" (Deutschland 1924)

Es heißt ja, die besten Fantasyfilme ALLER Zeiten, und das nehme ich wörtlich, womit sich Fritz Langs Die Nibelungen 1 von 1924 als erster großer Fantasyfilme der Filmgeschichte, in dem sogar ein beweglicher Drache vorkommt, natürlich umgehend qualifiziert hat. Auch wenn er nach heutigen Sehgewohnheiten nur noch etwas für Cineasten und Filmhistoriker sein mag. Die Nibelungensaga um Siegfried, Kriemhild, Hagen von Tronje und den Drachen ist wohl die große deutsche Fantasysaga, die unzählige Male adaptiert wurde, von Wagners Oper über Romane von Wolfgang Hohlbein bis zu Uli Edels TV-Film von 2004.

"Das siebente Siegel" (Schweden 1957)

Von den Kreuzzügen gezeichnet, kehrt Ritter Antonius in das von der Pest heimgesuchte Schweden zurück und fordert den Tod zu einer Partie Schach heraus. Mit einer Atmosphäre, die von possenreißend bis zu apokalyptisch reicht, diskutiert Ingmar Bergman moderne Themen in mittelalterlicher, religiöser Symbolik und zeigt, was Fantasy auch sein kann und ist.

"Valerie und die Woche voller Wunder" (Tschechoslowakei 1970)

Dieser tschechoslowakische Film wird auf Wikipedia als Horror-Märchenfilm bezeichnet, doch ich habe ihn eher als düsteren Fantasyfilm empfunden. Nachdem der jungen Valerie die Ohrringe geklaut werden, wacht sie am nächsten Tag in einer phantastisch surreal anmutenden Welt auf, in der eine Schaustellertruppe mit Vampiren und Dämonen Einzug in das beschauliche Städtchen hält. Ein vielschichtiger und psychologisch ausgefeilter Film über das langsame sexuelle Erwachen eines Mädchens, das in die Pubertät kommt, der zeigt, wie man eigentlich ganz normale Vorgänge aus unserem Leben mit phantastischen Elementen eindrucksvoll und symbolhaft erzählen kann. Und ein Film, der zeigt, dass sich hinter der phantastischen Oberfläche oft viel mehr verbirgt, wenn man sich traut, genau hinzuschauen.

"Die Ritter der Kokosnuß" (Großbritannien 1975)

Monty Phythons urkomische Version der Artus-Sage mit einigen phantastischen Elementen, wie dem berühmten Killerkaninchen, verrückten Zauberern, Hexen und afrikanischen Brieftauben. Die Szene mit den Mönchen, die sich die Bücher vor den Kopp hauen, scheint eine Parodie auf Das siebente Siegel zu sein. Die Sprüche der deutschen Synchro ("dann Kratz dich doch mal", "Ich habe den Sachsen das Angeln beigebracht, seitdem heißen sie Angelsachsen") waren bei uns auf dem Schulhof und im Studentenwohnheim über viele Jahre Kult.

"Die Brüder Löwenherz" (Schweden 1977)

Es gibt wohl keinen Kinderfilm, der einen solch tiefen Eindruck bei mir als Kind hinterlassen hat, wie diese Verfilmung des gleichnamigen Romans von Astrid Lindgren. Die Szene, in der Jonathan mit Karl während des Feuers aus dem Fenster springt, hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Tod und Trauer sind Themen, die in phantastischen Kinderfilmen des 20. Jahrhunderts eher selten vorkommen (ein aktuelles Beispiel wäre Die Brücke nach Therabetia), insofern ist der schwedische Film aus dem Jahr 1977 ein ebenso mutiges Unterfangen wie das Buch von Lindgren. Die Kindheit gilt als ein geschützter Ort, an dem Kinder vor den Schrecken und Bürden des erwachsenen Lebens behütet werden, doch Tod und Trauer machen nicht halt vor Kindern, und Bücher und Filme, die diese Themen auf fantasievolle Weise verarbeiten, können ihnen helfen, sich mit zukünftigen Todesfällen und der damit einhergehenden Trauer besser auseinanderzusetzen. Dem Film um die beiden Brüder, die nach dem Tod im Kirchblütental landen und dort einige Herausforderungen zu meistern haben, gelingt dies spielend.

"Time Bandits" (Großbritannien 1981)

Regisseur Terry Gilliam ist zwar gebürtiger Amerikaner, besitzt seit 1968 aber auch die britische Staatsbürgerschaft, wodurch der Film eine ganz und gar britische Produktion (von Handmade Film, jener Produktionsfirma, die aus der Finanzierung des Films Das Leben des Brian durch den Beatle George Harrison entstanden ist). Der elfjährige Kevin staunt nicht schlecht, als zunächst ein Ritter samt Pferd aus seinem Kleiderschrank stürmt, dann sogar sechs Zwerge, die ihn auf ein haarsträubendes Abenteuer durch Raum und Zeit mitnehmen, wo sie auf Napoleon, Robin Hood und König Agamemnon treffen, und auch Gott eine gewisse Rolle spielt. Time Bandits ist wohl der beste Monty-Python-Film ohne die britischen Pythons an Bord (wobei John Cleese und Michael Palin durchaus mit von der Partie sind). Ein humorvolles, augenzwinkerndes phantastisches Abenteuer, das jedes Kinderherz höher schlagen lässt. Durch den eigenen Kleiderschrank auf abenteuerliche Zeitreisen gehen, während die Eltern schlafen, ist ja wohl der Kindheitstraum vieler gewesen. Spätestens nach Sichtung dieses Films.

"Nausicaä aus dem Tal der Winde" (Japan 1982)

Nausicaä aus dem Tal der Winde, der erste gemeinsame Spielfilm von Hayao Miyazaki und Isao Takahata, ermöglichte es den beiden, das heute berühmte Studio Ghibli zu gründen, mit dem Miyazaki weitere Fantasymeisterwerke wie Prinzessin Mononoke und Chihiros Reise ins Zauberland produzierte. Nausicaä spielt (wie auch einige Klassiker der Fantasyliteratur, siehe Shannara von Terry Brooks) in einer postapokalyptischen Zukunft in der es Schwertmeister, Königreiche, Prinzessinnen, giftige Pilzwälder, Monster und Luftschiffe gibt. Naturschutz und starke, selbstbestimmte Frauen/Mädchen als Hauptfiguren, zwei Themen, die auch die späteren Filme von Miyazaki prägen sollten, werden hier schon auf phantastische Weise verarbeitet.

"Zeit der Wölfe" (Großbritannien 1984)

Wie auch in Valerie und die Woche voller Wunder geht es in Zeit der Wölfe von Neil Jordan um ein dreizehnjähriges Mädchen, das sich in eine düstere Traumwelt träumt, die in diesem Fall von Wölfen und Werwölfen bevölkert ist. Auch hier stehen die phantastischen Elemente als Allegorien für komplexe psychologische Prozesse und Ängste (des Erwachsenwerdens). Ein weiterer Film, der vor allem von seiner dichten Atmosphäre lebt, aber auch eindrucksvolle Spezialeffekte zu bieten hat und eine so reichhaltige Metaebene, das man sicher mehr als eine Sichtung benötigt, um alles mitzubekommen. Die Kurzgeschichtenvorlage stammt von der Feministin Angela Carter.

"Momo" (Deutschland/Italien 1986)

Im Vergleich zu Die unendliche Geschichte die in meinen Augen gelungenere Michael-Ende-Verfilmung. Über das Waisenmädchen Momo, das gegen die grauen Männer von der Zeitsparkasse bestehen muss, die den Menschen ihre Zeit rauben wollen. Ein Film, der die Zeit anhält, Entschleunigung im phantastischen Gewand sozusagen, aber auch ein Plädoyer gegen Effizenz- und Kosten/Nutzen-Wahn. Da kommt man doch ins Grübeln, wie "grau" man mit den Jahren selbst geworden ist. Die grauen Männer jedenfalls haben mich als Kind ungeheuer gegruselt - ob da auch meine prinzipielle Abneigungen gegen Anzüge herkommt?

"Der Himmel über Berlin" (Deutschland 1987)

Über einen Engel, der wieder Mensch sein möchte, nicht länger zusehen und den Gedanken der Sterblichen lauschen, sondern sie umarmen und küssen; aber auch ein melancholisch-poetisches Porträt über Berlin kurz vor der Wende und das Menschsein zu allen Zeiten. Ganz ohne Spezialeffekte, nur mit ausgezeichneter Kameraarbeit aus Engelsperspektive, herausragenden Darstellern und einer dichten Atmosphäre. Für manche zu geschwätzig, zu handlungsarm, für viele ein Meisterwerk.

"A Chinese Ghost Story" (Hongkong 1987)

Zahlreiche Martials-Arts-Filme aus China (Wuxia) und Hong-Kong (bis 1997 britische Kronkolonie) enthalten phantastische Elemente, die über die Aufhebung der Schwerkraft hinausgehen. Die chinesische Mythologie ist voll von Geistern und übernatürlichen Wesen. An nicht wenigen dieser Filme ist Tsui Hark beteiligt, ob als Regisseur wie bei Zu Warriors - Die Legende der Schwertkrieger oder den drei bisherigen Dectective Dee-Filmen, aber auch als Produzent, wie bei dem Klassiker A Chinese Ghost Story von Ching Siu-Tung. Man könnte den Film auch als historische Gruselkomödie bezeichnen, doch der Umgang mit phantastischen Wesen wie Geistern, Dämonen und dem Totenreich macht ihn zu einem Fantasyfilm, der durch seinen Erfolg das westliche Bild des chinesischen Kinos stark geprägt hat. Die beiden Fortsetzungen sind auch sehenswert, das Remake von 2011 kann zwar bessere Effekte aufweisen, kommt aber ohne den Charme und die Atmosphäre des Originals daher.

"Wächter der Nacht" (Russland 2005)

Die Romanvorlage von Sergij Lukianenko sorgte um die Jahrtausendwende für eine Renaissance der russischen Phantastik in Deutschland. Die Verfilmung von 2005 durch Timur Bekmambetow gelang (vor allem optisch) so gut, dass er danach Filme wie Wanted mit Angelina Jolie und Abraham Lincoln Vampirjäger drehen durfte. In Wächter der Nacht geht es um Hexen und Vampire, den Kampf zwischen Licht und Finsternis, eingebettet in das heutige Russland. Für das russische Kino ein Meilenstein, was das Niveau der Produktion und der Spezialeffekte angeht, aber auch für die Zuschauer ein unterhaltsames Vergnügen.

"Trollhunter" (Norwegen 2010)

Eine augenzwinkernde Mockumentary über ein studentisches Filmteam, das zunächst nur einem mutmaßlichen illegalen Bärenjäger auf die Schliche kommen möchte, dann aber unerwartet Einblicke in den Wahrheitsgehalt nordischer Mythen und Märchen erhält. Found Footage, aber mit wunderschönen Bildern der norwegischen Fjord- und Berglandschaft, mit äußerst trockenem Humor, auf schmalem Grat zwischen Satire und Ernsthaftigkeit (wobei Satiren ja eigentlich immer ernst sind). Der Stil ist sicher nicht jedermanns und -fraus Sache, aber wer sich darauf einlässt, erhält einen originellen und unter der Oberfläche komplexen Ansatz im Umgang mit klassischen Märchenmotiven.

"Das brandneue Testament" (Belgien 2015)

"Gott existiert, er lebt in Brüssel" - ein Misanthrop, der nicht nur seine Frau schikaniert, sondern am Computer sitzend den Menschen das Leben aus reinem Vergnügen schlecht macht, so dass Marmeladenbrote immer mit der bestrichenen Seite unten landen und das Telefon stets klingelt, wenn man gerade in der Badewanne sitzt. Ein herzloser Bürokrat, der nur Freude empfindet, wenn es den Menschen dank ihm schlechter geht. Doch seine Tochter hat die Nase davon voll, schickt allen Menschen ihr Todesdatum und büxt aus dem göttlichen Heim aus. Ein urkomischer Film, der trotz aller Albernheiten aber auch eine Menge Tiefgang und Scharfsinn besitzt.

"Das Märchen der Märchen" (Italien 2015)

Das Märchen der Märchen basiert auf der neapolitanischen Märchensammlung Pentameron und erzählt in Episoden drei mehr oder weniger unabhängige Geschichten mit äußerst düsterem Touch. Mit internationaler Topbesetzung (Salma Hayek, Vincent Cassel und John C. Reilly), stimmungsvollen Kulissen und einem mehr als finsteren Erzählton wirft der Film einen phantastischen Blick auf menschliche Abgründe und schafft es stellenweise trotzdem an humorvolle Klassiker wie Die Brautprinzessin zu erinnern.

Wie man sieht, unterscheiden sich die Filme auf dieser Liste in Machart und Untergenre stark von denen auf der Bestenliste von Thilo. Gut gemachte High Fantasy, Sword Sorcery und ähnliche Sekundärweltfantasy findet man außerhalb Hollywoods äußerst selten. Italienische Conan-Trittbrettfahrer wie Ator - Herr des Feuers, GorDie Barbaren oder Duell der Besten (der qualitativ durchaus heraussticht) oder Harryhausen-Kopien wie Vampire gegen Herakles besitzen zwar einen trashigen Unterhaltungsfaktor, können aber nicht guten Gewissens auf einer Bestenliste genannt werden.

Markus Mäurer

Der ehemalige Sozialpädagoge und Absolvent der Nord- und Lateinamerikastudien an der FU Berlin, der seit seiner Kindheit zwischen hohen Bücherstapeln vergraben den Kopf in fremde Welten steckt, verfasst seit über zehn Jahren Rezensionen für Fantasyguide.de, ist ebenso lange im Science-Fiction- und Fantasy-Fandom unterwegs (Nickname: Pogopuschel) und arbeitet seit einigen Jahren als Übersetzer phantastischer Literatur. http://lesenswelt.de/