FILM
The Rant of Skywalker – Storytelling aus der Nostalgiekonserve
Welches Familien-Event findet jüngst meist gegen Jahresende statt? Richtig, Star Wars! Und diesmal war es sogar der Abschluss einer Saga. „Der Aufstieg Skywalkers“ hat alles, was ein Star Wars-Film haben muss. Und das ist das Problem. Wir werfen einen Blick darauf, warum das Zusammenmischen bereits da gewesener Einzelelemente noch lange keinen guten Film ergibt.
„Star Wars“ tendiert dazu, Gemüter zu spalten, so auch der neuste, neunte Teil der Saga und elfte Film des Franchises, der die Geschichte der Skywalker-Familie abschließt. Das hat Tradition: Während die Prequels vor 20 Jahren viele alte Fans enttäuschten, als sie mit einem ungewohnten Intrigenplot daherkamen und dabei die Charakterentwicklung auf der Strecke ließen, konnten sie nichtsdestotrotz viele neue, junge Fans für „Star Wars“ begeistern.
Aus Sand gebaut – die Sequel-Trilogie
2015 kam „Das Erwachen der Macht“ – Episode VII – in die Kinos und schaffte es, mit interessanten Charakteren, aber auch einem gerüttelt Maß Nostalgie viele Fans der Originaltrilogie wieder auf den Sternenzerstörer zu holen. Gleichzeit warf Regisseur JJ Abrams einige ungeklärte Geheimnisse mit dem „Mystery-Box“-Storytelling auf, für das er bekannt ist, wie Zuschauer*innen der Serie „Lost“ vielleicht schon wissen. Woher stammt der Oberste Anführer Snoke? Wer sind Reys Eltern? Fragen dieser Art hielten das Publikum am Haken.
Dann kam „Die letzten Jedi“ – Episode VIII – von Regisseur Rian Johnson und die gewaltige Erschütterung der Macht war im ganzen Fandom zu spüren. Johnson kappte einige der Mysterienfäden radikal und entmystifizierte Helden der Originaltrilogie, um sich mit Fragen zu beschäftigen, mit denen sich „Star Wars“ noch nie zuvor beschäftigt hatte. Wem steht die Macht zu? Muss Heldentum im Blut liegen? Wer profitiert vom Krieg? Zerstören wir, was wir hassen, oder retten wir, was wir lieben?
Viele feierten „Die letzten Jedi“ als einen der besten Filme der Reihe. Andere konnten die Demontage ihrer Helden nicht verzeihen. Zudem kam es neben vernünftig vorgebrachter Kritik im Nachklang von Episode VIII mit seinen zahlreichen bestimmenden Frauenfiguren zu einer Flut an sexistischen und rassistischen Hasskommentaren im Netz. Woran es nun genau lag, bleibt im Dunkeln, aber am Ende erwuchs aus „Die letzten Jedi“ eine neunte Episode, die möglichst wenig wehtun und es möglichst vielen Leuten recht machen sollte.
Aber sehen wir uns „Der Aufstieg Skywalkers“ genauer an. Wieder führte JJ Abrams Regie und schrieb das Drehbuch, musste also seine eigenen Mysteryboxen nun tatsächlich auflösen – und wie er das handhabte, machte deutlich klar, dass Lucasfilm kein Gesamtkonzept für die Sequel-Trilogie hatte (warum auch, es handelt sich ja auch nur um ein vier-Milliarden-Dollar-Franchise). Dazu wurden aber in „Die letzten Jedi“ entwickelte Themen und Motive einfach ignoriert oder sogar zurückgedreht, als hole sich Abrams von Johnson die Sandkastenförmchen zurück.
Alles zurück auf Null
… oder eher auf Sieben – denn der dritte Teil der Trilogie lässt sich bis auf wenige Ausnahmen schauen, als hätte es „Die letzten Jedi“ nie gegeben. Wenig aus diesem Film hat noch Relevanz oder Bedeutung. Beispiele?
Rey verbringt den dritten Film in Folge damit, sich Gedanken über die Familie zu machen, die sie verließ, als sie ein Kind war. Wo die Szene in der Spiegelhöhle in „Die letzten Jedi“ kristallklar macht, dass Rey vor allen Dingen sie selbst ist, eine Niemand, die aus eigener Kraft zu einer Jemand wird, ist sie nun – tada! – Rey Palpatine.
Das macht auch das Thema, dass die Macht allen gehört, wieder zunichte. Es gibt einige wenige mächtige Familiendynastien, die offenbar zum Beispiel erblich bedingt Blitze schleudern können. Das Thema mit Palpatine als bösartigem Großvater ist einfach nur eine Wiederauflage des Vader-Luke-Themas.
Eine der Kernfiguren von „Die letzten Jedi“ ist Rose Tico, deren Schauspielerin Kelly Marie Tran von rassistischen Hatern aus den Social Media gemobbt wurde. Tran führte eine komplette Pressetour mit Abrams’ Team durch und ist im finalen Film 1:16 Min. lang zu sehen. Ihr Charakter brachte ganz neue Themen in die Star-Wars-Saga: Rose durchblickt, wer vom Krieg profitiert und sprach damit brandaktuelle Themen im Gewand einer Weltraumsaga an. Sie verkörperte wie kein anderer Charakter die Seele des Widerstands und war eine würdige, jüngere Nachfolgerin von Leia. Sie begriff, was Finn sowohl als Sturmtruppler als auch als Kämpfer des Widerstands verborgen blieb und machte ihm klar, dass die Fronten oft nicht so einfach zu erkennen sind. Themen, die man tiefer hätte beleuchten können. Stattdessen springt Lando ein, lässt den Nostalgiezug dreimal hupen und bringt beiläufig die Verstärkung in der Endschlacht, die zwar mit einigem schönen Pew Pew daherkommt, aber ohne Wendungen und fliegerische Kniffe neben anderen Raumschlachten der Reihe recht inspirationslos wirkt. Eine Verstärkung übrigens, auf die Leia in Episode VIII vergebens gewartet hat. Wäre es nicht befriedigender gewesen, wenn sich jemand diese Verstärkung hätte erarbeiten müssen? Und wer wäre dazu besser geeignet gewesen als Rose (z.B. mit Lando an ihrer Seite)? Apropos Rose‘ Plotline: Dass die Galaxis aus Graustufen und Kriegsgewinnlern besteht? Ein vergessenes Thema.
In „Die letzten Jedi“ inszenierte Rian Johnson bereits das Standoff der beiden einander feindlich gegenüberstehenden Rey und Kylo Ren in Snokes Thronraum – ein Echo vom Kampf zwischen Luke, Vader und dem Imperator. Snoke hatte keine epische Superbösewichtgeschichte und wurde aus dem Weg geräumt, weil es ihn nicht brauchte: Der wahre Konflikt liegt zwischen Kylo Ren und Rey, und es ist sonnenklar, dass Episode IX etwas ganz Neues braucht statt den alten Kampf gegen den alten Meister. Außer … dass im Prolog sang- und klanglos der Imperator zurückkehrt, damit ein weiterer Thronraumkampf geführt werden kann. Etwas Bewährtes, denn sonst müsste man sich ja noch ernsthaft etwas Neues einfallen lassen.
Kylo Ren bricht in „Die letzten Jedi“ seinen „Redemption Arc“, also seine Reue ab, und begibt sich in Konkurrenz zu General Hux auf den Anführerposten – aber auch diese Geschichte gibt es leider nicht. Stattdessen ist Episode IX eine „Fetch-Quest“, eine Dolch-Wegfinder-Artefaktjagdgeschichte, was schon an sich als Finale einer grob achtzehnstündigen Saga enorm schwach ist.
Viel passiert!
Damit das Publikum nicht merkt, dass Elemente aus den Episoden V-VIII wieder aufgewärmt und mit etwas Indiana-Jones-Schnitzeljagd gewürzt werden, passiert einfach sehr viel. Es ist Zeitnot, ständig taucht die Erste Ordnung auf, alle paar Minuten wechselt die Kulisse, der Planet, die Umgebung. Und die Action ist kurzweilig, und die Schauspieler*innen sind toll! Es gibt lustige, auch schöne Momente, aber letztlich gehören die einzigen ruhigeren Charakterinteraktionen Finn und Poe – aber nicht miteinander, sondern jeweils mit neu eingeführten Charakteren, Zorrii, Poes Ex, und Jannah, eine wie Finn ebenfalls desertierte Sturmtrupplerin.
Die ganze Kommunikation im Vorfeld zeigte bereits, welche Fans man für sich gewinnen will und welche nicht – Abrams stellte schon vor dem Filmstart klar, dass es keine romantische Anziehung zwischen Finn und Poe gäbe, sondern „etwas Tieferes“ (Freundschaft, surprise!). Queere Repräsentation und die zahlreichen „Stormpilot“-Shipper sind eben nicht so wichtig wie Internettrolle, die Rey-Actionfiguren auf YouTube verbrennen, weil sie „Die letzten Jedi“ hassen. Und deshalb haben wir jetzt Rey Palpatine und nicht Finn Dameron. Ihr hört uns langsam klatschen.
könnt ihr euch hier durchlesen, und es ist natürlich nicht wirklich möglich, darüber zu urteilen, welche der beiden Versionen der bessere Film gewesen wären.
Dennoch klingen Trevorrows Ideen grundsätzlich nach einem runderen Storyarc der Trilogie. Sicher wäre nicht alles daran top gewesen – wir sind uns ziemlich sicher, dass unsere Parallelwelten-Ichs, die die Trevorrow-Variante im Kino gesehen haben, nicht glücklich mit der Idee sind, dass Rose und Finn schon wieder beim Versuch scheitern, sich auf einen Sternenzerstörer zu schleichen! Uns gefällt aber die Idee, dass das Thema des „Überlaufens“ aus der Ersten Ordnung stärker thematisiert worden wäre. Finn desertiert in „Das Erwachen der Macht“ – und knallt in „Der Aufstieg Skywalkers“ andere Sturmtruppler*innen ab, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er weiß, dass Menschen wie er unter den Helmen stecken. Das ist gute alte „Star-Wars“-Tradition – aber JJ Abrams’ Filme brechen eben an keiner einzigen Stelle mit Traditionen, und gerade Finn und Rose wären Charaktere gewesen, mit denen Neues hätte thematisiert werden können.
Es bleibt der Nachgeschmack, dass „Der Aufstieg Skywalkers“ ein Einlenken darstellt. Keine Experimente mehr – interessantes Storytelling wird verworfen, um sich wieder an die „Fans“ zu wenden, die Vitriol im Internet gespien haben statt anzuerkennen, dass Star Wars nun eine neue Generation finden wird, eine Generation, die Rey, Rose, Finn und Poe vielleicht mehr abgewinnen können als sie selbst.
Lukes Rückzug auf eine einsame Insel auf einem noch einsameren Planeten verrate Lukes ganzen Charakter, so wüteten diese verbitterten Fans nach „Die letzten Jedi“. Die Rückkehr des Imperators als lauwarmem Sith-Zombie jedoch – die ist okay? Schmälert nicht Old Palps Überleben als Klon-Zombie Lukes moralischen und tatsächlichen Sieg aus „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“? Oder kommen Sith-Allmachtfantasien doch einfach besser an als ein ehemaliger Held, der sich mit seinem eigenen tragischen Scheitern auseinandersetzen muss?
Seien wir ehrlich – rückblickend ist klar: „Die letzten Jedi“ ist das Gold-Nugget im Nostalgie-Sand der Sequel-Trilogie.
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