COMIC
Die besten phantastischen Comics des Jahres 2018
Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen, und auch 2018 gab es wieder besonders viele lesenswerte Comics aus den Genres Fantasy, Horror und Science-Fiction. Hier das Best-of der Comics 2018.
Gewitzte Hommage
Valerian & Veronique Spezial 2: Shinguzlooz Inc. • Autor: Wilfried Lupano, Zeichner: Mathieu Laffray • Deutsch von Harald Sachse • Carlsen, Paperback, 56 Seiten • 12 Euro
2017 brachte Luc Besson den frankobelgischen SF-Comic-Klassiker „Valerian & Veronique“ ins Kino. In ihrem Comic-Album „Shinguzlooz Inc.“ interpretieren Szenarist Lupano („Die alten Knacker“) und Zeichner Lauffray („Long John Silver“) die Raum-Zeit-Agenten mit viel Witz neu, während sie die beiden mit Steuerhinterziehern und Quantenthunfischen konfrontieren. Ein großer Spaß, für den man so gut wie keine Serienkenntnis braucht.
Der neue Kirkman
Oblivion Song 1 • Autor: Robert Kirkman, Zeichner: Lorenzo De Felici • Deutsch von Frank Neubauer • Cross Cult, Hardcover, 144 Seiten • 22 Euro
Es ist ja nicht so, als würde sich Robert Kirkman auf dem multimedialen Erfolg seiner Zombie-Seifenoper „The Walking Dead“ ausruhen. Er brachte seine Superheldenserie „Invincible“ zu Ende, startete den Exorzismus in „Outcast“ – und zuletzt die neue SF-Serie „Oblivion Song“. Die Geschichte über Menschen, die in eine Dimension voller Monster gerissen wurden, und die Folgen für sie und den Rest der Welt ist packend genug und sieht dank der interessanten Zeichnungen von Lorenzo De Felici und der Farben von Annalisa Leoni sehr gut aus.
Einfach genial
Kochen mit Kafka • Autor & Zeichner: Tom Gauld • Deutsch von Christoph Schuler • Edition Moderne, Hardcover, 160 Seiten • 19 Euro
Tom Gauld begeistert als brillanter Reduzierer – und ist einer der besten lebenden Cartoonisten. „Kochen mit Kafka“ ist der erste auf Deutsch erhältliche Sammelband mit den klugen, visuell stark vereinfachten Bilderwitzen des 1976 geborenen Schotten, die ursprünglich im „Guardian“ und in „New Scientist“ abgedruckt wurden. Gaulds geniale, sarkastische Gags behandeln die klassische Literatur, das Science-Fiction-Genre, Technik, die Wissenschaft und den Literaturbetrieb. Nicht nur für Geeks mit Sinn für subtilen Humor ein Fest.
Buntes Weltraumabenteuer
Silver Surfer Megaband: Was Surfer wollen • Autor: Dan Slott, Zeichner: Mike Allred • Deutsch von Bernd Kronsbein • Panini, Softcover, 316 Seiten • 29 Euro
Zum Abschluss ihrer kunterbunten „Silver Surfer“-Saga feuern Autor Dan Slott („Spider-Man“) und Pop-Art-Künstler Mike Allred („iZombie) noch mal aus allen Rohren: Stan Lee, Moebius, Douglas Adams, Doctor Who – in diesem fetten Band ist alles drin, obendrein extra viel Herz. Da kommt man selbst als Panini-Redakteur, der monatlich ein paar Dutzend Comics bearbeitet, ins Schwärmen, und deshalb surft das funkelnde Finale dieses Runs trotz Befangenheitsverdacht hier als uneingeschränkte Empfehlung durch die Gegend.
Robotermärchen
Ein seltsamer Tag 1 • Autor: Olaf Brill, Zeichner: Michael Vogt • Atlantis, Hardcover, 60 Seiten • 15,99 Euro
Dieses Album sammelt die ersten Comic-Strips von Autor Olaf Brill („Perry Rhodan“) und Zeichner Michael Vogt („Mark Brandis“), die u. a. im Magazin „phantastisch!“ erscheinen. Ihre ideenreichen, gewitzten und vor liebevollen Details nur so strotzenden Panel-Storys über Roboter, Aliens, fremde Planeten und krasse Erfindungen spielen auf intelligente Weise mit dem SF-Genre und müssen den internationalen Vergleich keineswegs scheuen. Ein Gewinn für die deutschsprachige Szene.
Postmoderne Superhelden
Black Hammer 1 • Autor: Jeff Lemire, Zeichner: Dean Ormston • Deutsch von Katrin Aust • Splitter, Hardcover, 184 Seiten • 19,80 Euro
Der Kanadier Jeff Lemire ist der vielseitigste Künstler seiner Generation. Nach „Green Arrow“, „Animal Man“, „X-Men“, „Essex County“ und „Sweet Tooth“ verbeugt er sich in seiner eigenständigen Serie „Black Hammer“ vor der Vergangenheit des Superhelden-Sujets. Bei Lemire und Zeichner Dean Ormston hat das aber gleich im ersten großen Band trotz aller Referenzen und Nostalgie einen geradezu postmodernen Kniff, wenn die Ex-Helden in einer mysteriösen Kleinstadt abseits ihrer Wirklichkeit stranden. Schon jetzt ein Meisterwerk.
Steampunk-Kracher
Grandville: Noel • Autor & Zeichner: Bryan Talbot • Deutsch von Resel Rebiersch • Schreiber & Leser, Hardcover, 104 Seiten • 24,80 Euro
Der englische Comic-Veteran Bryan Talbot half dabei, das Steampunk-Genre zu definieren, und gilt abseits seiner Geschichten für „Sandman“ und „Batman“ als unermüdlicher Neuerer. Seine unabhängige Serie „Grandville“ punktet als ein retrofuturistischer Steampunk-Krimi aus einer Alternativwelt voller Tierfiguren. Referenzen und Actionszenen gehen Hand in Hand, während Protagonist LeBrock – ein Dachs, ein Polizist und eine Mischung aus Holmes und Bond – es krachen lässt. Im vorletzten Album der Serie legt er sich mit einer Sekte an.
Italienische Postapokalypse
Die Welt der Söhne • Autor & Zeichner: Gipi • Deutsch von Myriam Alfano • Avant, Hardcover, 288 Seiten • 30 Euro
Autor und Zeichner Gipi, eigentlich Gian Alfonso Pacinotti, zählt nach „Die Unschuldigen“, „Nachtaufnahmen“ und „Mein schlecht gezeichnetes Leben“ zu den wichtigsten italienischen Comic-Machern der Gegenwart. Im Comic-Roman „Die Welt der Söhne“ führt er mit schruftigen, manchmal fast skizzenhaften Zeichnungen durch die postapokalyptische Wildnis um einen großen See, wo er das eine oder andere menschliche Drama ansiedelt und Subgenre-Tropen bedient.
Wohlfühl-Fantasy
Massu, Schmiedstochter • Autorin & Zeichnerin: Ines Korth • Schwarzer Turm, Paperback, 200 Seiten • 20 Euro
Perfekte Fantasy aus Deutschland: Nachdem Ines Korths Panel-Geschichte über die tapfere Schmiedstochter Massu, die sich zur Not auch alleine dem fiesen Nekromanten stellen würde, zunächst als Webcomic serialisiert wurde, folgte 2018 der gedruckte Sammelband. Und den will man sich einfach ins Regal stellen, schließlich glänzt, ach was, begeistert und bezaubert „Massu Schmiedstochter“ als High Fantasy zwischen Ghibli und Tolkien. Ein Indie-Juwel.
Kunstfertiges Monster
Am liebsten mag ich Monster 1 • Autorin & Zeichnerin: Emil Ferris • Deutsch von Torsten Hempelt • Panini, Hardcover, 420 Seiten • 39 Euro
Ihre Erkrankung am West-Nil-Virus hielt die Amerikanerin Emil Ferris nicht davon ab, am Ende den ungewöhnlichsten Comic-Roman des Jahres zu erschaffen. Ihre künstlerische Außenseitergeschichte kommt mit Spiralblock-Anmutung und Tagebuch-Charakter daher – und behandelt u. a. sexuelle Andersartigkeit, die soziale Unruhen im Amerika der 60er, einen Mord, den Holocaust, Groschenhefte und B-Movies. Ein wahres Monster und zurecht mit mehreren Eisner Awards gewürdigt.
Traditionsbewusster Horror
Schatten auf dem Grab • Autor & Zeichner: Richard Corben • All Verlag, Hardcover, 296 Seiten • 29,80 Euro
Der 1940 geborene Richard Corben ist eine lebende Comic-Legende. Das hat er vor allem seinem unverkennbaren Stil und seinen klassischen, traditionsbewussten Horror-Storys zu verdanken. Im dicken Band „Schatten auf dem Grab“ warten viele neue, auf gute Weise altmodische Gruselgeschichten vom amerikanischen Altmeister, der sich der Vergangenheit des Mediums und des Genres stets bewusst ist.
Sympathische Riesentöterin
I Kill Giants • Autor: Joe Kelly, Zeichner: Ken Nimura • Deutsch von Bernd Kronsbein • Splitter, Hardcover, 240 Seiten • 29,80 Euro
Dank der Verfilmung kamen 2018, rund zehn Jahre nach dem originalen Erscheinen, endlich auch deutsche Panel-Enthusiasten in den Genuss dieses Comics von Autor Joe Kelly („Deadpool“) und Zeichner Ken Niimura („Umami“). Ihre bittersüße Geschichte über eine eskapistische Riesentöterin ist ein ganz besonderer Comic, der so gekonnt mit den Möglichkeiten des Mediums spielt, dass man als Leser selbst nicht mehr weiß, wo die Grenzen der Wirklichkeit entlangverlaufen. „I Kill Giants“ möchte man möglichst vielen Menschen in die Hand drücken, um es mit ihnen zu teilen. Ein Riesencomic.
Freizügiger Hexenhammer
Kramer • Autorin & Zeichnerin: Natalie Ostermaier • Zwerchfell, Hardcover, 192 Seiten • 20 Euro
Natalie Ostermaiers historisch-phantastischer Comic „Kramer“ über die Hexenverfolgung des Mittelalters und den Verfasser des „Hexenhammers“ beeindruckt mit intensiven Szenen und gekonnten Graustufenzeichnungen – und einem ausgeprägten Gespür dafür, welches Minimum an Text eine Bildergeschichte manchmal nur braucht. Wem es nicht gefällt, dass Erotisches auch mal in Pornografisches übergeht, lässt besser die Finger davon, alle anderen lassen sich von diesem Hammercomic verhexen.
Teuflischer Western
Lincoln 1 • Autor: Olivier Jouvray, Zeichner: Anne-Claire Jouvray & Jérôme Jouvray • Deutsch von Resel Rebiersch • Schreiber & Leser, Hardcover, 184 Seiten • 19,80 Euro
Das erste Album der Westernserie „Lincoln“ stellt ein echtes Familienprojekt dar, an dem mehrere Mitglieder des Jouvray-Clans mitwirken. Der Schuft und Dieb Lincoln bekommt von Gott besondere Kräfte verliehen, die den Revolverhelden allerdings nicht zu einem besseren Menschen machen – im Gegenteil. Aber ist Lincoln trotz Gottes Willen und Experimentierbereitschaft dazu verdammt, ein Werkzeug des Teufels zu sein? Ein pfiffiger, biblisch respektloser und ungewöhnlicher Western.
Zombie-Dauerbrenner
The Walking Dead 29 & 30 • Autor: Robert Kirkman, Zeichner: Charlie Adlard • Deutsch von Frank Neubauer • Cross Cult, Hardcover, je 144 Seiten • je 18,00 Euro
Ob es irgendwann langweilig wird, „The Walking Dead“ nach 15 Jahren noch immer als Pflichtlektüre anzupreisen? Nicht wirklich. Was in erster Linie an Autor Kirkman und Zeichner Charlie Adlard liegt, die auch in den neuesten Bänden der Zombie-Saga Wege finden, die Geschichte von Rick und Co. spannend und aufregend zu halten, und die in Sachen Seitensprache zuletzt sogar das eine oder andere ausprobieren. Deshalb schmeckt ihr Gammelfleisch so gut wie eh und je.
Manga meets Peanuts
SuperMutant Magic Academy • Autorin & Zeichnerin: Jillian Tamaki • Deutsch von Jan Dinter • Reprodukt, Paperback, 280 Seiten • 24 Euro
Jillian Tamakis Comic ist eine abgefahrene Mischung aus Manga, Hogwarts und den Peanuts. Eine episodenhafte Coming-of-Age-Geschichte über außergewöhnliche junge Leute, die sich inmitten von Smartphones, Superkräften und Sexismus auf die Suche nach Antworten und einem Platz in der Welt begeben. Man sieht es vielleicht nicht auf Anhieb, aber Tamakis „SuperMutant Magic Academy“ ist ein ganz großer Wurf.
Düstere Fantasy
Courtney Crumrin 1 • Autor & Zeichner: Ted Naifeh • Deutsch von Stefan Pannor & Jano Rohleder • dani books, Paperback, 128 Seiten • 14,99 Euro
Schon klar, „Courtney Crumrin“ gab’s bereits vor Jahren auf Deutsch, aber: Die Neuausgabe präsentiert die Abenteuer der titelgebenden Grummlerin mit Kobolden, Monstern, Wechselbälgern, Flüchen und sprechenden Katzen erstmals in Farbe. Und so oder so ragt Ted Naifehs Serie nach wie vor als märchenhaft düsterers Comic-Highlight für jüngere und für erwachsene Leser hervor, die sonst Neil Gaiman, Guillermo del Toro, Holly Black und Mike Mignola mögen.
Belastungsstörung mit Aliens
Motor Girl • Autor & Zeichner: Terry Moore • Deutsch von Resel Rebiersch • Schreiber & Leser, Paperback, 224 Seiten • 24,95 Euro
Die neue Serie von Terry „Strangers in Paradise“ Moore auf Anhieb in einem Komplettband? Wie kann man da Nein sagen? Vor allem wenn der Amerikaner die liebenswerteste Halluzination seit „Calvin and Hobbes“ beschwört, während er die posttraumatische Belastungsstörung einer Kriegsveteranin mit Aliens und skrupellosen Wissenschaftlern vermengt. Ein toller Comic, der uns vor Augen führt, wieso wir Comics lieben.
Mystery made in Germany
Don’t Touch It! • Autor & Zeichner: Timo Grubing • Zwerchfell, Paperback, 160 Seiten • 16 Euro
Timo Grubings „Don’t Touch It!“ remixt in ansehnlichen, wirkungsvollen Graustufenbildern allerhand Elemente aus der Vergangenheit des amerikanischen Horrors, Stephen King und der „Twilight Zone“ inklusive. Besonders vor der Auflösung und der unvermeidlichen übernatürlichen Eskalation ist das überzeugend gemacht, drückt Grubing auf die richtigen Knöpfe. Obwohl Erklärung und Ende etwas zu viel Raum einnehmen, eine trittsichere, allemal erwähnenswerte Genre-Hommage aus Deutschland.
Wir werden euch vermissen!
Saga 8 & 9 • Autor: Brian K. Vaughan, Zeichnerin: Fiona Staples • Deutsch von Frank Neubauer • Cross Cult, Hardcover, je 156 Seiten • je 22 Euro
„Saga“, die preisgekrönte Hochglanz-Space-Opera von Autor Brian K. Vaughan und Zeichnerin Fiona Staples, traut sich mehr als andere Serien – und legt nun eine längere Pause ein, deren Ende noch nicht absehbar ist. Die vorerst letzten beiden ins Deutsche übertragenen Bände führen u. a. nach Abtreibung City und sind so bunt, brutal, bewegend, mutig, herzzerreißend, witzig und messerscharf, dass sich schon jetzt sagen lässt: Die Wartezeit auf die Rückkehr von „Saga“ wird sagenhaft schwer.