Science Fiction

Frauenrollen in Star Trek (1): Von Number One bis Major Kira

Frauenrollen in Star Trek (1): Von Number One bis Major Kira
Henning Mützlitz
28.03.2020

Das Star-Trek-Universum verfügt über viele vielschichtige und interessante Frauenfiguren. In einem zweiteiligen Feature widmen wir uns den Frauenrollen in Star Trek.

(Hier geht es zu Teil 2 unseres Star-Trek-Features)

„Star Trek“ gilt als Utopie, als erstrebenswerte Zukunft, in der sich Menschen jeder Ethnie, jedweden Geschlechts oder sonstiger persönlicher Präferenzen auf die individuell gewählte Weise selbst verwirklichen können. Gleichzeitig war „Star Trek“ zunächst ein Kind seiner Zeit, das gängige Klischees und Stereotype bediente – bevor es vor allem im Hinblick auf die Darstellung und Entwicklung seiner weiblichen Figuren eine Vorreiterrolle einnehmen sollte.

Science Fiction war und ist männlich dominiert, glücklicherweise heute nicht mehr so klar wie vor einigen Jahrzehnten, doch immer noch signifikant hinsichtlich der Figuren und Zielgruppe. Heldenrollen in der Science Fiction (bzw. in der gesamten Unterhaltungsbranche) waren klar umrissen: Sie standen Männern zu, bedienten den Stereotyp des Abenteurers, Anführers und Womanizers.

Klassische Helden und wichtige Wegbereiterinnen

Auch das klassische „Star Trek“ bildete diese in der Gesellschaft der 1960er greifbare Wirklichkeit ab: Mit James T. Kirk fand der erste Captain gleichermaßen Eingang in die „Star Trek“-Historie wie in die Popkultur, der als Ebenbild des testosterongesteuerten Helden seinesgleichen sucht. Doch die Originalserie bot neben den Männerrollen des Abenteurers, Wissenschaftlers (Spock), Arztes (Dr. McCoy) und Technikers (Scotty) mit der Kommunikationsoffizierin Uhura bereits eine wichtige Frauenfigur, deren Bedeutung bis heute nachhallt.

Dabei war die Besatzung der Enterprise zu Beginn noch progressiver geplant: Im Pilotfilm „Der Käfig“ war mit „Nummer Eins“ (dargestellt von Majel Barrett) eine Frau die Erste Offizierin von Captain Pike. Dies wurde für nach dem erfolgreichen Piloten für die Serie allerdings verworfen. Barrett durfte darin lediglich als Krankenschwester Christine Chapel agieren, während einzig Uhura als Frau auf der Kommandobrücke verblieb.

Hinsichtlich der Screentime und der Bekanntheit der „TOS“-Crew rangiert Uhura wahrscheinlich eher auf einem hinteren Platz, irgendwo zwischen Chekov und Sulu. Dennoch nahmen sowohl die Figur der Uhura als auch deren Darstellerin Nichelle Nichols eine äußerst wichtige Stellung speziell für afroamerikanische Frauen ein: Sie agierte in Zeiten, in denen in den USA zwischen Schwarz und Weiß noch striktere Trennlinien verliefen als heute, gleichberechtigt als Mitglied der Brückencrew. Für viele Mädchen stellte dies mehr als nur ein Symbol dar, sondern es besaß Signalwirkung: „Ich möchte sein wie Uhura. Sie hat es geschafft, also schaffe ich es auch!“  Ohne sie hätten viele Frauen ihren Traum von der Schauspielerei niemals verwirklicht.

Daneben kam der Originalserie ein weiteres Alleinstellungsmerkmal zugute, als 1967 zwischen Kirk und Uhura der erste Kuss zwischen einem weißen Mann und einer schwarzen Frau in einer TV-Serie gezeigt wurde – ein Vorbote auf die Rolle, die „Star Trek“ in späteren Jahrzehnten hinsichtlich Gleichberechtigung und Repräsentation spielen sollte.

Die Stellung von Frauen innerhalb der alten Crew änderte sich mit den Kinofilmen in den 80er-Jahren allerdings zunächst nicht grundlegend. Zur Stammbesetzung stießen lediglich begleitende Frauenrollen: Mit Lieutenant Saavik sowie den Wissenschaftlerinnen Dr. Carol Marcus und Dr. Gillian Taylor änderte sich aber immerhin deren Rollendefinition von „Fürsorgerinnen“ hin zu hochintelligenten Forscherinnen.

 

Uhura
CBS

Nichts Neues bei „The Next Generation“?

In der Rückschau wird oft behauptet, dass bei „Star Trek: The Next Generation“ im Rahmen der Crew kein Fortschritt gegenüber den tradierten Rollenbildern festzustellen gewesen sei. Mit Deanna Troi (Marina Sirtis) als Schiffscounselor und Dr. Beverly Crusher (Gates McFadden) als Chefärztin kam den beiden wichtigsten Frauen der Crew tatsächlich zu, sich vor allem mit den Sorgen und Wehwehchen der männlichen Helden zu befassen. Gleichzeitig brachte die attraktive Marina Sirtis mit knapp geschnittenen Outfits Sex-Appeal in die Serie und fungierte als Traumfrau für vorwiegend männliche Jung-Nerds, während Dr. Crusher über ihre ärztliche Kompetenz hinaus vor allem als Mutter von Wesley und weibliche Vertrauensperson für Captain Picard angelegt war. Auch Guinan (Whoopi Goldberg) nahm bei ihren Gastauftritten die beratende Funktion der weisen Zuhörerin ein, anstatt eine wirklich aktive Rolle zu spielen – ohne Uhuras Auftritt in den 60ern wäre Goldberg allerdings niemals zu „TNG“ dazugestoßen, da sie bewusst in die Fußstapfen von Nichelle Nichols treten wollte, die sie als Kind bewundert hatte.

In diesem Zusammenhang wird jedoch gerne eine wichtige Protagonistin aus der Anfangszeit der Serie vergessen: Mit der Sicherheitschefin Natasha Yar (Denise Crosby) installierte man zum ersten Mal eine weibliche Figur, die nicht nur Leitungsaufgaben auf der Kommandoebene zu stemmen hatte, sondern der auch ein großer Teil der (aus heutiger Sicht zum Teil recht putzigen) Actionparts der ersten Staffel oblag. Gleichzeitig verfügte sie über einen spröden, widerspenstigen Charakter und eckte immer wieder mit (männlichen) Autoritäten an – das Spiegelbild einer emanzipierten Frau, die ihren eigenen Weg geht, ganz gleich, aus welch schwierigen Verhältnissen sie stammen mochte.

Dieses Mal wurde die Rolle jedoch nicht aus der Serie gestrichen, sondern Crosby verfolgte nach dem holprigen Start von „TNG“ größere Pläne mit einer Kinokarriere, die allerdings bald ins Stocken geriet. Dafür kehrte sie als Tasha Yars Tochter Sela gelegentlich in Gastauftritten zurück.

Man schuf jedoch keinen Ersatz für Tasha, und erst in den letzten Staffeln der Serie erkannte man das Problem, dass man die weiblichen Hauptfiguren zu eng an klassische Geschlechtsstereotypen angelehnt hatte, also entwickelte man sie zumindest moderat weiter: Counselor Troi wurde Brückenoffizierin im Rang eines Commanders, Beverly bekam weitere Interessen und Aspekte verliehen, und mit Fähnrich Ro (Michelle Forbes) etablierte man eine toughe Kick-Ass-Rebellin.

Crusher
© CBS
Troi
© CBS
Yar
© CBS

Frauen können alles sein, was sie wollen!

In gewisser Weise kann Ro Laren als Vorgriff auf das gesehen werden, was „Star Trek“ in seiner dritten Realserie „Deep Space Nine“ präsentieren sollte: Mit Kira Nerys (Nana Visitor) trafen die Zuschauer auf eine Erste Offizierin, die weder dem Ideal der angepassten Sternenflottenoffizierin, noch dem klassischen Rollenbild der Frau entsprach. Kira war als ehemalige Freiheitskämpferin nur unfreiwillig als Verbindungsoffizierin zu Commander Sisko auf der Raumstation nahe ihrer Heimat Bajor stationiert worden. Sie hinterfragte Autoritäten, war misstrauisch gegenüber Unterdrückungstendenzen und zu Beginn alles andere als eine Sympathieträgerin.

Das änderte sich jedoch im Laufe der Serie: Kiras bewegte Biographie in den cardassianischen Arbeitslagern, ihre Fähigkeiten als Anführerin auf der Station und an Bord der Defiant, ihre tiefe Spiritualität sowie ihre Loyalität gegenüber denen, die sie Freunde und Familie nannte, sorgten für die bis dato vielschichtigste und interessanteste Frauenfigur im „Trek“-Franchise.

Daneben fanden wir mit Jadzia Dax eine Wissenschaftlerin, deren hybrides Wesen aus junger Frau und uraltem Trill-Symbionten ganz neue Themenfelder eröffnete. Dadurch konnten zum Beispiel die Abgrenzungen von Geschlecht und sexueller Orientierung in Frage gestellt werden. Mit dem ersten Kuss zwischen zwei Frauen im US-amerikanischen Fernsehen in der Folge „Wiedervereinigt“ löste man in rückständigen Kreisen eine Welle der Empörung aus, während „DS9“ von anderen als Vorreiter hinsichtlich der Enttabuisierung gleichgeschlechtlicher Liebe gefeiert wurde.

Frauen waren in der Stammbesetzung der Serie quantitativ zwar noch immer unterrepräsentiert, dennoch zeigte „DS9“ auf, dass Frauen sowohl in der Zukunft der Serie als auch in der Gegenwart am Ende des 20. Jahrhunderts alles sein können, was sie wollen: Wissenschaftlerinnen und Kriegerinnen wie Jadzia Dax, Biologinnen, die Karriere und Kinder unter einen Hut bringen wollen, wie Keiko O'Brien, progressive (Kai Opaka) oder machtbesessene (Kai Winn) religiöse Führerinnen, emanzipierte Reformerinnen einer extrem patriarchalen Gesellschaft wie den Ferengi (Quarks Mutter Ishka), Frachter-Captains wie Casidy Yates oder als Gegenpol sogar rücksichtslose Völkermörderinnen wie der weibliche Formwandler.

Nicht viel später sollte eine Frau dann endlich das Kommando über ein Schiff der Sternenflotte übernehmen – mehr dazu erfahrt ihr im zweiten Teil unseres Überblicks.

Laren
© CBS
Kira
© CBS
Dax
© CBS

Henning Mützlitz

Henning Mützlitz durchwandert bereits seit seiner Kindheit phantastische Welten, bis er beschloss, seine eigenen zu erschaffen. Seit einem Redaktionsvolontariat ist er als freier Journalist und Schriftsteller tätig. Er ist unter anderem stellv. Chefredakteur des Genre-Magazins Geek!, in dem er sich mit verschiedenen Formen der Phantastik in Wort und Bild beschäftigt. Daneben schreibt er phantastische und historische Romane.

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