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120 Jahre untot – Die besten Dracula-Filme

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Peter Osteried, 04.05.2017

Graf Dracula ist der Urahn aller Vampire, einer der mächtigsten Vertreter seiner Art, berühmt aus Literatur- und Filmgeschichte. Seit 120 (!) Jahren lehrt uns Bram Stokers Romanfigur das Fürchten. Hier zeigen wir euch die besten Film-Adaptionen.

Dracula ist weit mehr als ein normaler Vampir. Er kann seine Gestalt ändern, kann zu einer Fledermaus, einer Ratte, einem Wolf oder auch bloßem Nebel werden. Schlafen muss er in Heimaterde, und das Überqueren fließender Gewässer ist ihm unmöglich. 

Frühe Versionen

Mit Dracula begann der Vampir seinen Siegeszug in der Welt der bewegten Bilder, und durch diese Filme wiederum wurde die Unsterblichkeit von Bram Stokers großartigem Roman, der 1897 erstmals publiziert wurde, noch verstärkt, da das Medium Film ein ungleich größeres Publikum als ein Roman finden konnte, auch wenn zu Zeiten der ersten Verfilmung der Name Dracula längst in das kollektive Bewusstsein der Menschen eingegangen war.

Lange Zeit glaubte man, die erste Dracula-Verfilmung wäre Friedrich Wilhelm Murnaus NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS (1922), aber tatsächlich hatte sich bereits ein Jahr zuvor der Ungar Karoly Lajthay darangemacht, seine Version Draculas abzuliefern. DRAKULA HALÀLA war der erste Film, in dem Stokers Vampir auftauchen sollte, auch wenn man die Schreibweise des Namens änderte, was wohl darauf zurückzuführen war, dass man näher an der ungarischen Sprache bleiben wollte, die stärker das K verwendet.

In der Geschichte geht es um die erst 16-jährige Mary Land, die in einem kleinen Bergdorf in Österreich lebt und einmal die Woche ihren nervenkranken Vater in einer Psychiatrie besucht. Dort trifft sie auf ihren ehemaligen Musiklehrer, der mittlerweile wahnsinnig geworden ist und sich für den unsterblichen Drakula hält. Nachdem Mary von einigen Patienten belästigt wird und ihr Vater stirbt, verbringt sie die Nacht in der Anstalt, wo sie einen schrecklichen Traum hat, der davon handelt, dass sie Drakulas neue Braut werden soll. Nach dem Erwachen setzt sich ein realer Albtraum fort, in dessen Verlauf Drakula, überzeugt davon, unsterblich zu sein, erschossen wird.

Damit stellt sich die Frage, ob all dies nur Marys Traum oder Drakula nichts weiter denn ein Verrückter war. Aufgrund der Tatsache, dass der Film als verschollen gilt, lässt sich die letztendliche Intention Lajthays nicht mehr herausfinden.

Als echter Dracula-Film geht dieser ungarische Stummfilm natürlich nicht durch, als erste filmische Beschäftigung mit der Person Dracula ist er jedoch ein Werk, das besonders in Hinblick auf die filmischen Anfänge des Genres wichtig ist.

Ein deutsches Meisterwerk

Die erste echte Adaption von Stokers Roman war der deutsche Film NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS. Gedreht wurde Murnaus Meisterwerk im Sommer des Jahres 1921, und zwar sowohl in der Tschechei als auch in Deutschland, woraufhin er im März des Jahres 1922 in Berlin seine Premiere feierte und vom Publikum durchweg gut aufgenommen wurde. Weniger gut nahm Florence Stoker den Film auf. Stokers Witwe war nicht grundsätzlich gegen eine Verfilmung, sehr wohl jedoch gegen einen Film, der weder ihrem Mann den nötigen Respekt erwies, noch ihr ein Scherflein vom Gewinn einbrachte.

Hinzu kam, dass sie von der Darstellung Draculas abgestoßen war. Diese untote Leiche, dürr, kahlköpfig, mit Rattenzähnen und alles andere als erotisch, hatte schließlich nicht mehr das Geringste mit dem Grafen zu tun, so wie Stoker ihn sich vorstellte und in seinem Roman beschrieben hatte.

Dabei erwies sich der Film ansonsten als eine Adaption mit zahlreichen Meriten. Natürlich hatte sich Murnau Freiheiten erlaubt und eine eigene Geschichte erzählt, aber der hypnotischen Wirkung seines Films kann man sich nur schwerlich entziehen. Der kleine Angestellte Hutter (Jonathan Harker) wird in die Karpaten geschickt, da er dort Graf Orlok (Dracula) bei den Vorbereitungen für den Kauf eines Anwesens behilflich sein soll. In Orloks Schloss gerät Hutter in den Bann des Grafen, und als dieser ein Bild von Hutters Frau Ellen (Mina Harker) sieht, ist er Feuer und Flamme, nach Wisborg aufzubrechen. Während Hutter versucht, Orloks Schloss zu verlassen, macht sich dieser auf nach Deutschland. Orlok und Hutter kommen beinahe zeitgleich in Wisborg an, woraufhin sich die Pest verbreitet und Hutters Arbeitgeber Knock (Renfield) dem Wahnsinn verfällt. Ellen beschließt, sich selbst zu opfern, um sowohl ihren Liebsten als auch Wisborg zu retten.

Bela kommt

Die Grundlage für Universals ersten Horrorfilm sollte weniger der Roman als vielmehr das Bühnenstück sein. In der Bühnenversion hatte der am 20.10.1882 geborene Bela Lugosi für Aufsehen gesorgt, da der Ungar mit einer Mischung aus Charme und Abscheu einen Dracula zum Besten gab, der die Phantasie des Publikums beflügelte.

Lugosi war seinerzeit von Universal äußerst billig zu haben gewesen. Für gerade einmal 500 Dollar die Woche stand er vom 29. September 1930 bis zum 15. November 1930 als Dracula vor der Kamera. Bei einem Gesamtbudget von mehr als 350.000 Dollar – damals eine sehr hohe Summe Geld – verkaufte sich Lugosi deutlich unter Wert.

Für die Regie von DRACULA (1931) verpflichtete man Tod Browning. Die Geschichte, bei der er auch mitschrieb, blieb im Großen und Ganzen der Bühnenversion verhaftet, bei der großteils auf Draculas Schloss und Dr. Sewards Anstalt gesetzt wurde. Andere, wichtige Passagen des Romans fielen der Schere im Kopf zum Opfer. Ohnehin wollte man bei Universal nichts, das Probleme mit den Zensoren bedeuten konnte, weswegen auf die sexuelle oder auch brutale Komponente des Romans verzichtet wurde.

So überzeugen nur die ersten 15 Minuten. In diesen Szenen, die Renfields Reise nach Transsylvanien beschreiben und ihn auf Dracula in dessen Schloss treffen lassen, entwickelt der Film eine ausgezeichnete Dynamik, die nicht nur durch Lugosis Spiel – unterstützt von Dwight Frye als Renfield –, sondern auch von Karl Freunds exzellenter Kamera geschaffen wird.

Das Gefühl des abgefilmten Theaters wird auch durch die Bühnendarsteller Edward van Sloan und Herbert Bunston, die schon am Theater Van Helsing und Seward darstellten, verstärkt, auch wenn die Schuld hieran noch am ehesten Tod Browning aufzubürden ist.

Da zu jener Zeit, da der Tonfilm noch in den Kinderschuhen steckte und die Kunst der Synchronisation noch nicht sehr weit entwickelt war, produzierte man nachts in den Kulissen von DRACULA den haargenau selben Film mit spanisch sprechenden Schauspielern noch einmal. Dieser von George Melford inszenierte DRACULA galt lange Jahre als verschollen, wurde aber vor ein paar Jahrzehnten wiederentdeckt und veröffentlicht, so dass sich das Publikum selbst eine Meinung bilden kann, ob die spanischsprachige Version nicht vielleicht sogar überlegen ist. Melford legte eine sehr viel einfallsreichere Regie an den Tag und lieferte einen deutlich längeren, lebendigeren Film ab.

Für die Darstellung des Grafen wurde der Schauspieler Carlos Villarias verpflichtet, der mit seinen 38 Jahren immerhin zehn Jahre jünger war als Lugosi. Das gab ihm als Dracula ein ganz anderes Erscheinungsbild, auch wenn Universal darauf bestand, dass sich Villarias eines leicht ungarischen Akzent befleißigen sollte, was ihm so gut gelang, dass einige Kritiker zu der Überzeugung gelangten, er wäre als Ungar sogar noch überzeugender als Lugosi. Lugosi selbst war über diesen spanischen Dracula voll des Lobes und bewertete er den Film nach einer Vorführung immerhin als »wundervoll und großartig«.

Als lange verschollen galt die türkische Dracula-Verfilmung DRACULA ISTANBULA. Produziert wurde der Film 1952, und er hatte im darauffolgenden Jahr seine Premiere. Seitdem ward er nicht mehr gesehen, bis er unvermutet plötzlich im türkischen Fernsehen wiederauftauchte. Zuvor waren den Dracula-Fans allenfalls eine Handvoll Fotos aus dem Magazin »Famous Monsters of Filmland« bekannt, das in den 60er Jahren kurz über diesen Film berichtet hatte.

In die Hauptrolle schlüpfte Atif Kaptan, der mit seinem beinahe kahlen Kopf ein wenig an Max Schrecks Orlok erinnert. Gekleidet ist der Graf dagegen, wie es sich für einen Fürsten ziemt, was eher Erinnerungen an Bela Lugosi wachruft.

Besonders bemerkenswert ist DRACULA ISTANBULA, weil er lange Zeit vor der Hammer-Produktion DRACULA – NÄCHTE DES ENTSETZENS (1970) zeigte, wie Dracula geschmeidig eine Wand hinuntergleitet. Dies, eine Schlüsselszene aus Stokers Roman, war bis dato in keiner einzigen Verfilmung zu sehen gewesen und wurde nach landläufiger Meinung erst mit Christopher Lee in der oben genannten Hammer-Produktion gezeigt.

Christopher Lee übernimmt

Der neue Dracula war anders als jeder blutsaugende Vampir, der ihm vorausgegangen war. Nach wie vor war Dracula ein Aristokrat, eine verführerische Gestalt, aber dieser Vampir war auch härter, unergiebiger und brutaler – und das alles in Technicolor.

Das war die Erfolgsformel, mit der die britischen Hammer-Studios arbeiteten. Sie griffen alte Horrorstoffe auf und präsentierten sie in neuem Gewand. Das wiederum hieß, dass man den Horror nun in Farbe erleben konnte, eine Prise Sex geboten bekam und auf für die damalige Zeit brutale Ingredienzien nicht verzichtet wurde.

Bei DRACULA (1958) wurde die Geschichte im Vergleich zum Roman sehr stark verfremdet – man denke nur daran, dass Jonathan Harker gleich zu Beginn stirbt und Dr. Seward nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit seinem literarischen Vorbild hat, ganz zu schweigen von Draculas Ende.

Wie nicht anders zu erwarten, wurde auch dieser Film zu einem beachtlichen Erfolg und spielte bei Produktionskosten von nur 82.000 englischen Pfund ein Vielfaches davon ein. Probleme ob der dargebotenen Gewalt, die konservative Magazine wie den »Katholischen Filmdienst« natürlich auf die Palme brachten, waren vorprogrammiert, weswegen einige der Effektsequenzen in manchen Ländern gekürzt wurden. Ironischerweise wurden mehrere der von Syd Pearson gestalteten Effekte – zuallererst eine Szene am Schluss, als sich Dracula mit den Fingern über das Gesicht fährt und sich ob der Sonnenstrahlen die Haut löst – in Großbritannien geschnitten.

Die vielleicht schlechteste aller Dracula-Verfilmungen, die sich in völliger Selbstüberschätzung jedoch als originalgetreue Adaption gab, was angesichts der diffusen Geschichte nicht im mindesten weiterhilft, erblickte 1970 das Licht der Welt: NACHTS, WENN DRACULA ERWACHT. Alleine der Name des Regisseurs bürgte schon dafür, dass man hier nicht versuchen wollte, den Roman so originalgetreu wie möglich zu verfilmen, sondern vielmehr auf Stokers Vorlage spuckte. Jess Franco, der Billigvielfilmer aus Spanien, hat unzählige Filme gedreht, aber nur wenige gute sind darunter.

Die Abweichungen zu Stokers Roman sind eklatant. Nicht nur wurden Figuren des Romans einfach weggelassen, nein, man schaffte es sogar, der Geschichte ein neues Ende anzudichten. Von Werktreue konnte hier nicht mehr im Geringsten die Rede sein.

Originalgetreu fürs Fernsehen

Weit schöner gestaltet war da Dan Curtis’ DRACULA, der 1973 im US-Fernsehen ausgestrahlt wurde und als Kinofilm nach Europa gelangte. Für seine Version von Dracula, die dem Roman gegenüber respektvoll sein sollte, arbeitete Curtis mit Richard Matheson zusammen, der das Drehbuch für diesen Film schrieb.

Da ein einziger Fernsehfilm niemals die komplette Handlung eines Romans nachvollziehen kann, waren Curtis und Matheson natürlich gezwungen, auch bei ihrer Dracula-Version Änderungen vorzunehmen. Sie eliminierten einige Figuren und brachten etwas vollkommen Neues in die Handlung ein: Innerhalb der Geschichte wird festgelegt, dass Dracula tatsächlich der im 15. Jahrhundert lebende und gefürchtete Vlad Tepes, der Pfähler, ist. Als solcher liebte er seine Frau mit absoluter Hingabe und wurde fast wahnsinnig, als sie starb. In Lucy Westenra erkennt er seine Frau nun wieder und glaubt, dass sie in ihr wiedergeboren wurde, weswegen er sich aufmacht, sie an sich zu reißen.

Dass Dr. Van Helsing und seine Getreuen dem entgegentreten, versteht sich von selbst, wobei alles auf das Finale hinarbeitet, das Dracula nach seiner Vernichtung nicht zu Staub zerfallen lässt, sondern beinahe tiefsinnig schließt, wendet sich die Kamera doch ab und nähert sich einem Bild, dass Dracula als Fürst der Walachei zusammen mit seiner geliebten Frau zeigt.

Die Wahl von Jack Palance für die Hauptrolle darf man als ungewöhnlich bezeichnen. Wirklich schlecht ist Palance nicht, aber ihm fehlt der Charme eines Lugosi oder Lee, den Dracula unbedingt haben sollte. Die Wildheit des Vampirs stellt Palance dafür treffend und ergreifend dar, wobei es ihm sogar gelingt, für Dracula Mitleid beim Zuschauer zu erwecken, da man erkennt, dass er letztendlich eine einsame Kreatur ist, die sich nach Frieden sehnt – und diesen am Ende auch erlangt.

Dan Curtis’ DRACULA wird bei der Betrachtung der Stokerschen Verfilmungen oftmals etwas stiefmütterlich behandelt, aber ohne Frage kommt diesem Film das Verdienst zu, den Stoff um ein Detail bereichert zu haben, das fortan nicht mehr so leicht aus der Geschichte wegzudenken ist und sich stimmig einfügt. Auch Francis Ford Coppola, der sich 1992 anschickte, den ultimativen DRACULA abzuliefern, besann sich auf diesen genialen Kunstgriff von Curtis und Matheson und fügte ihn in seine Version der Geschichte ein.

Für das britische Fernsehen entstand COUNT DRACULA (1977) mit Louis Jordan in der Hauptrolle. Dabei ist diese von Philip Saville gestaltete Verfilmung des Stoffs für Fans des Romans äußerst interessant, hält er sich doch wahrlich nahe an die Vorlage, wenngleich kleinere Anpassungen aufgrund der Laufzeit von 150 Minuten notwendig waren. So wurden hier etwa die Figuren von Quincey Morris und Arthur Holmwood miteinander verschmolzen. Davon abgesehen erleben Leser des Romans jedoch eine adäquate Umsetzung des Stoffes.

Für heutige Verhältnisse wirkt der Film natürlich antiquiert und erinnert an abgefilmtes, unnatürlich statisches Theater. Auch Louis Jordan als Dracula ist gewöhnungsbedürftig und keinesfalls einer der besten Interpreten der Figur.

Von der Bühne zum Film

Am Broadway sorgte das im Jahr 1978 leicht umgeschriebene Stück von Deane für Erfolge. John Badham erschien den hohen Herren bei Universal als der richtige Mann für einen neuen DRACULA (1979).

Für die Interpretation der Hauptfigur wählte man Frank Langella aus, der den Grafen bereits auf der Bühne zum Leben erweckt hatte. Tatsächlich war es Langella gelungen, einen Zugang zu dieser fast mythischen Gestalt zu finden, der es ihm erlaubte, eine Intensität auf der Bühne auszustrahlen, die man zuletzt bei Lugosi gesehen hatte.

Das Drehbuch orientierte sich einmal mehr am Bühnenstück und nicht direkt an Stokers Roman. Dabei nahm der Autor W. D. Richter jedoch auch hier einige Veränderungen vor. So führte er Mina wieder in die Handlung ein, obwohl sie in dem Theaterstück nicht aufgetaucht war.

Die Geschichte nimmt sich Freiheiten. Die Verwandtschaftsverhältnisse waren recht sprunghaft, so dass Mina nun zur Tochter von Abraham Van Helsing wurde. Insofern bietet sich bei diesem Film weniger ein Vergleich mit dem Roman als vielmehr mit Tod Brownings Film an, bei dem Badhams Version ein wenig besser abschneidet.

Dies ergibt sich vor allem, da Badham anders als Browning den Film nicht so statisch wie ein Bühnenstück inszeniert hat. Darüber hinaus ist Langella ein völlig anderer Dracula, der aufgrund seiner Jugendlichkeit – Langella war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten elf Jahre jünger als Lugosi seinerzeit – die Rolle des Verführers sehr viel glaubwürdiger anlegen konnte.

Ein neuer Nosferatu

Werner Herzog machte sich Ende der 1970er Jahre daran, mit NOSFERATU: PHANTOM DER NACHT (1979) ein Remake des Murnau-Klassikers abzuliefern.

Für den Part des Grafen – alle Charaktere tragen hier übrigens wieder Stokers Namen und nicht die aus Murnaus Film – erwählte er seinen Lieblingsschauspieler Klaus Kinski. Hier wird Dracula zu einer tragischen Gestalt, die des Lebens überdrüssig ist, was eklatant der Vorlage widerspricht. Bei seiner Geschichte hielt sich Herzog relativ nah an Murnaus Vorlage, auch wenn er sie in Kleinigkeiten veränderte und einen sehr viel bittereren Schluss präsentierte, bei dem der längst zum Vampir gewordene Jonathan Harker auszieht, um die Pest über das Land zu bringen.

Herzog wollte mit seinem Film den Erfolg des deutschen Films der Stummfilmzeit mit dem Kunstkino des Neuen Deutschen Films verbinden, übernahm sich damit aber etwas. Geradezu wie Hohn mutet da Herzogs eklatante Selbstüberschätzung an, mit der er stolz verkündete: »Dieser neue Nosferatu kann in den kommenden fünfzig Jahren vielleicht erreicht, nicht aber übertroffen werden.«

Coppola nimmt sich des Grafen an

In Sachen Dracula sollte es Francis Ford Coppola sein, der die bislang ultimative Version vorlegte. Coppola war von der Möglichkeit begeistert, BRAM STOKER’S DRACULA (1992) zu präsentieren, der die Romanvorlage mit Respekt behandelt. Dabei wurden auch Veränderungen an der Vorlage vorgenommen. So strich man ganze Passagen des Romans – beispielsweise das Geschehen am Picadilly Circus – heraus, da das komplette Buch niemals in einem Zweistundenfilm hätte Platz finden können. Dafür gelang es ihm, jeden der Haupthandlungsträger aus dem Roman auch in den Film einzubauen.

Zudem macht der Film Dracula zu der historischen Figur Vlad Tepes und zeigt in einem Prolog, wie der Fürst gegen die Türken kämpft und dafür erleben muss, dass seine geliebte Frau Elisabetha in den Selbstmord getrieben wird. Daraufhin schwört er der katholischen Kirche ab, und Dracula wird geboren.

Wie schon bei Dan Curtis’ Film fügt sich auch hier diese Vorgeschichte perfekt in die Handlung ein, gerade so, als hätte Stoker selbst sie ersonnen.

Das Werk wurde mit einem üppigen Budget von mehr als 40 Millionen Dollar produziert, wobei man jeden Dollar auf der Leinwand zu sehen bekommt. Dabei entstand der Film komplett im Studio und enthielt sich jeder Außenaufnahme.

Die Eindringlichkeit von Coppolas Film wird noch durch das Spiel von Gary Oldman verstärkt.  Der Film ist nicht nur eine werksgetreue Umsetzung, sondern wartet auch mit einem Stab namhafter Darsteller auf, darunter Anthony Hopkins, der als Abraham Van Helsing eine Geschäftigkeit an den Tag legt, die ihresgleichen sucht.

 

Zwei Fernsehversionen und ein Absturz

Zehn Jahre nach Coppola präsentierte Roger Young den TV-Zweiteiler DRACULA (2002), der als deutsch-italienische Ko-Produktion die Geschichte in die Moderne verlagert, ansonsten aber relativ nahe am Original bleibt. Der Graf wird von Patrick Bergin gespielt, außerdem sind Muriel Baumeister als Lucy, Kai Wiesinger als Dr. Seward und Hardy Krüger Jr. als Jonathan Harker mit dabei.

Ebenfalls für das Fernsehen entstand DRACULA (2006), der die Geschichte wieder in die Vergangenheit verlegt, aber einige Änderungen vornimmt, da der an Syphilis erkrankte Arthur Holmwood den Grafen zu sich ruft, weil er sich von ihm Heilung verspricht, aber der Untote ist mehr an Lucy interessiert, weswegen der Lord schließlich auch auf die Hilfe von Dr. Abraham van Helsing setzt. Der Brite Marc Warren spielt den Grafen, in weiteren Rollen sind David Suchet als Van Helsing und Sophia Myles als Lucy zu sehen.

2012 machte sich Dario Argento daran, den Stoff neu zu verfilmen. In DRACULA 3D reist Jonathan Harker nach Transsylvanien, um für Dracula zu arbeiten. Er soll die Bibliothek katalogisieren und wird von Mina begleitet, an der Dracula eigentlich interessiert ist, da sie wie seine verstorbene Frau aussieht. Lucy lebt mit ihrem Vater im Dorf, und als ihr etwas geschieht, ruft der alte Mann Dr. Van Helsing zu Hilfe.

Bei der Adaption der Geschichte nahm man sich auch hier gewaltige Freiheiten, wobei eine ganze Reihe von Figuren gar nicht auftauchen. Thomas Kretschmann spielt Dracula, während Rutger Hauer als Van Helsing agiert – beide werden von der Regie dieses anämischen Films jedoch im Stich gelassen.

Seitdem ist es ruhig geworden, was Adaptionen des Original-Romans betrifft, auch wenn es im Lauf der Jahrzehnte natürlich noch buchstäblich Hunderte Filme gab, in denen Dracula auftauchte. Mit Stoker hatte all das aber so gut wie nichts zu tun.

Bis es also so weit ist, dass ein neuer DRACULA sein Haupt reckt, bleiben für alle am Thema Interessierten immer noch die bisherigen Filme, bei denen vor allem ein Vergleich mit der Quelle faszinierend ist. Und wem das noch nicht reicht, der kann sich auch an den verschiedenen deutschen Übersetzungen des Romans versuchen und die Unterschiede herausfiltern ...