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Phantastischer Blätterwald: Die besten Printmagazine rund um Fantasy-, Horror- und Science-Fiction-Literatur

Die besten Printmagazine

Alessandra Reß, 26.08.2021

Auf den ersten Blick sind deutschsprachige Magazine, die sich auf phantastische Literatur spezialisiert haben, Mangelware. Schaut man aber genauer hin, wird deutlich, wie weitläufig die durch die Fanzine-Tradition geprägte Zeitschriftenlandschaft der Phantastikszene noch immer ist. Ein Überblick.

Ob Tattoos oder Innenarchitektur, Modelleisenbahnen oder Fotografie, DIY oder Motorräder: In gut sortierten Buch- oder Zeitschriftenläden wird selbst für eher spezielle Interessen oft eine solide Auswahl geboten. Aber wenn es um phantastische Literatur geht? Da sieht es mau aus. Klar, im Gamesbereich oder bei den Kinozeitschriften findet man schon mal was Passendes – aber dann geht es eben vornehmlich um Kinofilme oder Games. Aber Titel, die sich (auch) mit phantastischer Literatur beschäftigen, sind selten. Was umso bemerkenswerter ist, wenn man zum einen den Siegeszug der phantastischen Popkultur in den letzten beiden Jahrzehnten bedenkt, und zum anderen die enge Verwobenheit von SFF-Literatur und Fanzines.

Andererseits haben es Print-Zeitschriften schon seit Jahren nicht leicht. Die Auflagen gehen zurück und das oft parallel laufende Digitalgeschäft kann nicht alles auffangen. 2018 beispielsweise ging laut  des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V. der Werbeumsatz der Fachzeitschriften um gut drei Prozent zurück, bei den Publikumszeitschriften waren es fünf Prozent. Im Zuge von Corona war sogar die Rede von Umsatzeinbrüchen bis zu achtzig Prozent. Fanzines mögen von solchen Wirtschaftsaspekten weniger stark betroffen sein, doch sind auch sie schon vor Jahren in den digitalen Bereich abgewandert und dabei teilweise Blogs oder Social Media gewichen.

Entsprechend gab es in den letzten Jahren immer wieder Meldungen traditionsreicher Magazine, die sich aus verschiedenen Gründen aus dem Geschäft zurückgezogen haben. So negativ das nun aber klingt: Auf den zweiten Blick hat die phantastische Zeitschriftenlandschaft durchaus noch einiges zu bieten. Und nicht nur hat die Vielfalt zugenommen, in den letzten beiden Jahren zeichnet sich sogar ein kleiner Trend „back to print“ mit verschiedenen neuen Titeln ab.

Von der Geek! bis zum Virus-Magazin: Phantastik im Zeitschriftenhandel

Gehen wir also in eine Zeitschriftenhandlung und sehen uns etwas genauer um. Irgendwo auf der Grenze zwischen Games- und Filmbereich sollten wir auf die Geek! treffen, die seit 2012 vom Panini Verlag unter Chefredaktion von Markus Rohde herausgegeben wird. Im September 2020 erschien die 50. Ausgabe des Magazins, das alle zwei Monate einen Blick auf aktuelle Themen aus Phantastik und Popkultur legt, wobei auch die Themen Comic und Literatur nicht zu kurz kommen.

Zur Redaktion gehören zahlreiche Szenebekannte wie Henning Mützlitz, Mike Krzywik-Groß, Claudia Kern oder Christian Endres. Viele von ihnen – einschließlich des Chefredakteurs – waren zuvor schon im Team der 2011 eingestellten Vorgängerzeitschrift Space View.

Ist unsere Zeitschriftenhandlung gut sortiert, sollten wir in der Nachbarschaft der Geek! auf die phantastisch! treffen. Seit 2001 versorgt dieses vom Atlantis Verlag herausgegebene Printmagazin seine Lesenden mit News, Rezensionen, Reportagen und qualitativ hochwertigen Essays, wobei der Fokus klar auf phantastischer Literatur liegt. Chefredakteur ist Klaus Bollhöfener, herausgebender Verlag Atlantis, und auch hier mischen regelmäßig viele weitere Szenebekannte wie Christian Humberg oder Sonja Stöhr mit.

Ein weiterer Nachbar der beiden Phantastik-Magazine mit dem Ausrufezeichen war noch vor kurzem die Mephisto. Lange eher im Rollenspielbereich verortet, hat sich das Magazin zuletzt auch anderen phantastischen Themenwelten geöffnet. Seit der Ausgabe 69 im Frühjahr 2019 ist es jedoch still geworden um das Magazin, das im Verlag Martin Ellermeier erscheint. Ob und wann weitere Ausgaben erscheinen, ist gegenwärtig unklar.

Den Print-Bereich bereits ganz aufgegeben hat die Nautilus – Abenteuer und Phantastik. Seit 1993 erschien das Magazin für phantastische Medien, das von Jürgen Pirner herausgegeben wurde und an dem zeitweise auch Tom Finn und Bernhard Hennen als Redakteure mitwirkten. 2016 ist es jedoch in den digitalen Newsbereich abgewandert.

Anders die Virus Seit 2004 hält das alle zwei Monate erscheinende Magazin für Horror, Mystery und Co. die Stellung auf dem Printmarkt. Es erscheint im Raptor Verlag, der ansonsten vor allem auf Zeitschriften rund um japanische Popkultur spezialisiert ist.

Von Quarber Merkur bis Phase X: Szenemagazine

Während wir die genannten Magazine mit etwas Glück in unserer Zeitschriftenhandlung finden können, gibt es noch viele weitere Phantastik-Zeitschriften, die allerdings meistens nur über Conventions und Messen oder über Direktbestellungen bezogen werden können. Das gilt beispielsweise für den derzeit jährlich erscheinenden Quarber Merkur, nach eigener Aussage das „langlebigste Magazin zur Science Fiction und Phantastik weltweit“. 1963 gegründet, mag das durchaus stimmen. 2019 erschien die 120. Ausgabe im Verlag Lindenstruth unter Herausgeberschaft von Franz Rottensteiner.

Ebenfalls eine lange Tradition weist die derzeit halbjährlich erscheinende Exodus auf: Erstmals von 1975-1980 erschienen, wurde sie 2003 von René Moreau wiederbelebt. Mitherausgeber sind aktuell Heinz Wipperfürth und Hans Jürgen Kugler. Ein besonderer Fokus liegt auf Science-Fiction-Grafiken, ansonsten konzentriert sich das Magazin auf Kurzgeschichten und Essays.

2002 gesellte sich darüber hinaus das ebenfalls Essays und Kurzgeschichten umfassende Magazin Nova zu den Science-Fiction-Magazinen. Nach mehreren Herausgeber- und Verlagswechseln wird es gegenwärtig von Michael Haitel  und Michael K. Iwoleit in Haitels Verlag p.machinery betreut. Mit seinen über 200 Seiten und dem Paperbackformat bewegt es sich nach heutigen Maßstäben schon in der Grauzone zwischen Magazin, Fanzine und Anthologie. Ähnliches gilt für die Kurzgeschichten-Zines Gegen unendlich (von Herausgebern Michael J. Awe und Andreas Fieberg, Fokus auf Phantastik allgemein) und Zwielicht (von Herausgeber Michael Schmidt, Fokus auf Horror). Ebenfalls als Paperback, inhaltlich jedoch mit einer ausgewogeneren Mischung aus Fiction und Sekundärliteratur, erscheint in unregelmäßigen Abständen das Magazin Phase X im Atlantis Verlag. Einmal jährlich wird außerdem die mit Essays, Hintergrundartikeln und Kurzgeschichten gespickte !Time Machine im Wurdack Verlag veröffentlicht.

Jahrbücher für Wissenschaftliches, Weird und Science Fiction

Apropos jährliche Erscheinungsweise: Auch Jahrbücher haben in der Phantastikszene eine gewisse Tradition. Nachdem das Fantasy-Jahrbuch Magira mit seiner 2014er Ausgabe endgültig eingestellt wurde, sind die auf wissenschaftliche Aufsätze spezialisierten Inklings Jahrbücher für Literatur und Ästhetikdie IF Annuals für Weird Fiction sowie das Science Fiction Jahr übrig. Letzteres wird gegenwärtig von Melanie Wylutzki und Hardy Kettlitz im Hirnkost Verlag herausgegeben; erst 2020 wurden die beiden gemeinsam mit Klaus Farin mit dem Kurd-Laßwitz-Preis für ihre erfolgreiche Crowdfunding-Rettungskampagne des Science Fiction Jahrs im letzten Jahr ausgezeichnet.

KapselQueer*Welten und Totenschein: Die „Neuen“

Zudem gab es in den letzten Jahren einige Neugründungen: Zu nennen ist da etwa das Magazin Kapsel, das sich ganz der chinesischen Science Fiction widmet. Oder die Queer*Welten, die vierteljährlich von Lena Richter, Judith C. Vogt und Kathrin Dodenhoeft im Verlag Ach je herausgegeben wird und sich – wie der Name schon sagt – auf die Verbindung von queerfeministischen Themen und Phantastik spezialisiert hat. Seit Oktober 2020 mischt darüber hinaus die eher auf den Jugendbuchbereich und romantische Fantasy fokussierte Zeitschrift We are bookish aus dem Hause Sicht-Weite mit.

Die drei Magazine stehen dabei für eine neue, vielfältige Seite der phantastischen Szene. Ein fast schon nostalgisches Print-Zine für Kurzgeschichten haben wiederum Carsten Schmitt und Tanja Karmann 2020 mit Totenschein herausgebracht.

Fantasy- und Science-Fiction-Clubs als Fanzine-Herausgeber

Daneben existieren eine Reihe von Fanzines, die von der weitläufigen Landschaft deutschsprachiger Fantasy- und Science-Fiction-Clubs bzw. -Vereine herausgegeben werden. Einige davon sind abgesehen vom Genre-Schwerpunkt sehr themenoffen – beispielsweise die langlebigen Andromeda Nachrichten des Science Fiction Club Deutschland, das Marburger Magazin für Phantastik des Marburger Verein für Phantastik oder die PARADISE und die Grey Editionbeide vom Terranischen Club Eden.

Andere fokussieren sich auf bestimmte Themen oder Reihen. Mehrere befassen sich beispielsweise mit dem Kosmos rund um Perry Rhodan (z. B. SOLWorld of Cosmos und EXTERRA). FOLLOW ist das Magazin des Fantasy Clubs e. V. für die Welt Magira, während sich hinter dem Flammifer von Westernis das Tolkien-fokussierte Vereinsmagazin der Deutschen Tolkien Gesellschaft e. V. verbirgt. Und die Deutsche Lovecraft Gesellschaft gibt wiederum den Lovecrafter heraus, der sich natürlich rund um H. P. Lovecraft und den Cthulhu-Mythos rankt. Das Magazin Cthulhu Libria Neo unter Herausgeberschaft von Jörg Kleudgen dagegen ist keineswegs nur auf Lovecraft fokussiert, sondern widmet sich generell der klassischen dunklen Phantastik.

Tolkien Times und Zauberwelten: Die Con-Mitbringsel

Nicht vergessen werden sollten außerdem die kostenfreien Magazine wie die Tolkien Times der Hobbit Presse oder die von der Redaktion des Liverollenspiel-Magazins LARPZeit herausgegebene Zauberwelten. Beide werden in unregelmäßigen Abständen auf Messen und Conventions verteilt bzw. liegen in Buchhandlungen aus.

Wir sehen also: Auch wenn es nicht in jeder Zeitschriftenhandlung allzu viele Phantastik-Magazine gibt, bedeutet das nicht, dass es keine gäbe. Im Gegenteil ist die Auswahl sowohl an professionellen wie auch semi-professionellen, an kommerziellen wie auch nicht-kommerziellen Phantastik-Zeitschriften groß. Und dabei haben wir mit den hier genannten Titeln haben ja noch gar nicht die E-Mags wie den Phantast oder das Phantastika Magazin angesprochen, die ihren Print-Geschwistern keineswegs nachstehen …

 

In einer früheren Fassung dieses Artikels hatte sich der Fehler eingeschlichen, Marianne Labisch würde Michael Iwoleit als Herausgeber*in von Nova ablösen. Das stimmt nicht. Sie wird in Absprache mit ihm einen Teil der Geschichten betreuen. Der Fehler stammt nicht von der Autorin des Artikels, sondern wurde vom Redakteur (also mir, Markus Mäurer) beim Freischalten des Artikels eingefügt.

Alessandra Reß 

Alessandra Reß wurde 1989 im Westerwald geboren, wo sie auch aufgewachsen ist. Nach Ende ihres Studiums der Kulturwissenschaft arbeitete sie mehrere Jahre als Redakteurin, ehe sie in den E-Learning-Bereich gewechselt ist.

Seit 2012 hat sie mehrere Romane, Novellen und Kurzgeschichten veröffentlicht, zudem ist sie seit mehr als 15 Jahren für verschiedene Fanzines tätig und betreibt in ihrer Freizeit den Blog „FragmentAnsichten“. Ihre Werke waren u. a. für den Deutschen Phantastik Preis und den SERAPH nominiert.

Mehr unter: https://fragmentansichten.com/