Science Fiction

7 postapokalyptische Science-Fiction-Bücher ohne Zombies

7 postapokalyptische Science-Fiction-Bücher ohne Zombies

Christian Endres, 13.06.2019

Keinen Bock mehr auf The Walking Dead? Gerne mehr Postapokalypse, aber bitte ohne Zombies? Kein Problem: Hier ist unsere Auswahl postapokalyptischer Science-Fiction-Romane ohne wandelnde Tote.

American War von Omar El Akkad

In American War von Omar El Akkad haben Superstürme und der gestiegene Meeresspiegel das Antlitz der USA verändert. Außerdem hat sich der amerikanische Traum endgültig ausgeträumt: In der nahen Zukunft, die El Akkad beschreibt, verwüstet gegen Ende des 21. Jahrhunderts ein neuerlicher Bürgerkrieg die nicht länger vereinigten Staaten. So schafft der 1982 in Ägypten geborene, u. a. im Nahen Osten und Kanada aufgewachsene El Akkad ein genretypisch-sprödes Setting voll drastischer Veränderungen, Brutalität, Gefahren und Leid. Innerhalb dieses Szenarios kann er hochaktuelle und brisante Gedanken zu Separatismus, Krieg, der Flüchtlingskrise, Rebellion, Terrorismus und dem irrsinnigen Leugnen des Klimawandels erforschen und extrapolieren. Ein Buch, das 2017 zu Beginn der Ära Trump entstand, jedoch über den amtierenden US-Präsidenten hinaus und in die Dunkelheit blickt.

Das Gleismeer von China Miéville

Der britische Fantastik-Superstar China Miéville, der für Innovation und Extravaganz steht, ringt der Postapokalypse in seinem Einzelband Das Gleismeer, im Original 2012 als Railsea herausgekommen, von vorn bis hinten neue Impulse und Konstellationen ab. Vor einem fantastischen, unverbrauchten Hintergrund durchqueren Züge die vergiftete Welt von Morgen auf Schienen, und ihre Besatzungen machen Jagd auf Mega-Maulwürfe. Sympathische Charaktere, eine packende Geschichte, frische Ideen, krasse Monster, allerhand Überraschungen – Miévilles gewohnt wortgewaltige Geschichte, die als Unterbau den vielfach adaptierten Klassiker Moby Dick nutzt, verlässt die übliche Gleise der postapokalyptischen Literatur komplett. Noch besser, als man es von China Miéville erwartet.

California von Edan Lepucki

Für alle, die auf Daniel Woodrell stehen: In California von US-Autorin Edan Lepucki haben Naturkatastrophen und der Systemkollaps ihre Spuren hinterlassen. In den Städten Amerikas herrscht der Ausnahmezustand – wer kann, zieht sich in abgeschottete Communitys zurück oder flieht in die Wildnis. Calvin, auch California oder Cal genannt, und seine Frau Frida haben sich in der Abgeschiedenheit der kalifornischen Wälder niedergelassen. Ihr Dasein ist ein mühsames, doch sie halten an ihrer Zweisamkeit fest. Als Frida schwanger wird, muss das Paar jedoch eine Kommune aufsuchen. Dort scheinen aggressive Ideologien und Intrigen noch immer wichtiger zu sein als das Überleben. Action und Horror sucht man in Lepuckis Roman von 2014, der von Late-Night-Talker Stephen Colbert im Kampf für den stationären Buchhandel instrumentalisiert wurde, vergebens. Die leisen Töne sollten aber niemanden täuschen: California ist ein starkes, eigensinniges und toll geschriebenes Genre-Buch und scheut zudem nicht die schwierigen Themen wie das Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen Männern und Frauen.

Am Ende aller Zeiten von Adrian J Walker

Autor Adrian J Walker, in Australien geboren und in England aufgewachsen, hat seine persönliche Vorliebe fürs Laufen und für Marathons in den Roman The End of the World Running Club alias Am Ende aller Zeiten eingewoben. Die Geschichte des Spiegel-Bestsellers beginnt mit einem Asteroidenschauer, der die Menschheit im Allgemeinen und die britischen Inseln im Speziellen hart trifft. Zu Fuß muss Ich-Erzähler Ed Hill, vor dem Einschlag kein besonders guter Vater und Ehemann, stramme 500 Meilen durch das postapokalyptische Großbritannien laufen, um seine Familie wiederzusehen. Die Strecke, die Ed und seine Gefährten kleinkriegen müssen, führt durch die Überreste der Menschheit und der Menschlichkeit, und somit durch gefahrenreiches Gebiet.

Das Licht der letzten Tage von Emily St. John Mandel

Dem großen Fritz Leiber, Fantastik-Titan und Sohn eines bekannten Shakespeare-Darstellers, hätte das sicher gefallen: In Emily St. John Mandels Roman Das Licht der letzten Tage (im Original Station Eleven), für den sie den Arthur C. Clarke Award erhielt, geht es um eine Shakespeare-Theatergruppe, die nach einer Seuche und dem folgenden Zusammenbruch der Zivilisation durch eine entvölkerte, entschleunigte und analoge Welt zieht. Doch während die einen der Kunst und damit letztlich dem Licht und der Hoffnung dienen, setzen andere nach dem Untergang der Gesellschaft weiterhin auf Gewalt, Fanatismus und Extremismus. Rückblenden zeigen unterdessen, wie es zum Ende und zur neuen Ordnung kam. Die 1979 in Kanada geborene Autorin, die heute in Brooklyn lebt, pflegt einen ungewöhnlichen, ruhigen und äußerst literarischen Ansatz - und liefert damit einen interessanten Gegenpol zum multimedialen Subgenre-Standard.

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte von Peter Heller

Peter Heller schrieb auch schon über das Surfen und über die heftigen Gefechte von Walschützern und Walfängern. Sein Roman Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte, auf Englisch als The Dog Stars erschienen, bietet weit mehr als Survival-Horror. Das stilistisch exquisite Buch erzählt die abwechslungsreiche, beklemmende und berührende Geschichte von Hig, einem Überlebenden der großen Pandemie, dem lediglich sein alter Hund, ein kleines Flugzeug und ein Waffennarr als Freundes-Ersatz geblieben sind. Er vermisst seine Frau und das Angeln, mag Gedichte, verteidigt einen Cola-Laster mit seinem Leben und muss herausfinden, ab welchem Punkt es für ihn kein Zurück in die fragile Sicherheit seines Lagers mehr geben wird. Dabei besticht Hellers spannende, emotionale Achterbahnfahrt durch atmosphärische Dichte, die glaubwürdige Schilderung des Überlebenskampfes und viel Introspektive. Denn das Ringen mit sich und der eigenen Sehnsucht ist für Hig ebenso hart wie der Kampf mit der Außenwelt. Ein Lieblingsbuch.

Mortal Engines Bd. 1: Krieg der Städte von Philip Reeve

Zum Schluss noch der „aktuelle Blockbuster“-Titel, in mehrerlei Hinsicht: 2001 veröffentlichte der Engländer Philip Reeve seinen ersten Mortal Engines-Roman. Während Peter Jackson den Stoff kürzlich bildgewaltig fürs Kino (bzw. inzwischen fürs Heimkino) aufbereitete, liegen nun alle vier Kernromane der ursprünglichen Buchserie in neuer Übersetzung und hübscher Aufmachung auf Deutsch vor. Reeve stattete die Postapokalypse damals noch vor ihrem anhaltenden multimedialen Boom mit schier einmaligen Ideen und mächtigen Bildern aus – mit monströsen motorisierten, fahrenden Steampunk-Städten, die durch die Welt nach einem alles verzehrenden Krieg heizen und kleinere Siedlungen jagen. Die Ideen, Geheimnisse und Abenteuer in Reeves Jugendbüchern wirken umso kantiger und massiver, weil er sie mittels schlanker Sätze umsetzt.

Christian Endres

Christian Endres schreibt für den Tagesspiegel, Tip Berlin, diezukunft.de, phantastisch!, Doppelpunkt, Geek! und viele mehr. Für Panini betreut er redaktionell die Comic-Ausgaben von Spider-Man, Batman, Conan, den Avengers und anderen. Neben den Büchern „Sherlock Holmes und das Uhrwerk des Todes“ und „Die Zombies von Oz“ veröffentlichte er Geschichten in Anthologien, Magazinen wie c’t und Exodus, der Heftreihe Basement Tales, Basteis Horror Factory sowie auf Englisch im Sherlock Holmes Mystery Magazine und in Heavy Metal. Er wurde bereits mit dem Deutschen Phantastik Preis und dem Kurd-Laßwitz-Preis ausgezeichnet.


 

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