Fantasy

Alif der Unsichtbare: Die fünf Arten der Dschinn

Alif der Unsichtbare: Die fünf Arten der Dschinn
© Lisa Brown, OpenClipart-Vectors, yumiko124 - pixabay

G. Willow Wilson, 25.01.2018

In G. Willow Wilsons Fantasythriller »Alif der Unsichtbare« taucht ein Großstadt-Hacker in die magische Welt von »Tausendundeiner Nacht« ein und trifft dort auf die seltsamsten Kreaturen. Einige davon, die Dschinn, sind Wesen von langer Tradition – was es mit ihnen auf sich hat und wie man sie unterscheiden kann, erklärt Euch die Autorin selbst.

Der islamische Glaube unterteilt empfindungsfähige Wesen in drei Kategorien. In der Reihenfolge der Schöpfung sind das: die Engel (Malayka), die Verborgenen (Dschinn) und die Menschheit (Nas oder Banu Adam). Engel sind aus Licht geschaffen, Dschinn aus Feuer, Menschen aus Erde (manchmal übersetzt mit Schlamm oder Lehm). Engel werden weder als männlich noch weiblich angesehen und haben keinen freien Willen. Dschinn, wie Menschen, sind verschiedengeschlechtlich und besitzen einen freien Willen. (Das ist der Grund, weshalb Satan, im islamischen Denken, ein Dschinn ist und kein Engel; für einen Engel wäre es unmöglich, den Willen Gottes zu missachten.) Dschinn können wohlwollend, böse oder neutral sein, werden aber in der Regel als weniger vertrauenswürdig und der Trickserei zugeneigter angesehen als Menschen, selbst wenn sie gutartig sind. Zusätzlich zu den Arten von Dschinn, die hier erwähnt werden, gibt es viele weniger bedeutende Unterarten, die in regionalen Legenden auftauchen und von Ort zu Ort variieren. Zum Beispiel wird in Ägypten angenommen, dass es weibliche Dschinn gibt, die die Kanäle und Zuströme des Nils bewohnen und Männer in den Tod locken, ganz so wie Sirenen, die aber nirgendwo anders in der arabischen Welt auftauchen.

Ifrit
So intelligent und listig, wie sie sind, wird von den Ifrit angenommen, dass sie in komplexen Gesellschaften leben, ähnlich wie die der Menschen. Man sagt, sie zögen Höhlen und unterirdische Behausungen vor. Obwohl sie vordergründig dämonisch sind, werden sie als in ihrem Wesen wandelbar dargestellt und durchaus fähig, fromm und gut zu werden.

Dem Koran zufolge soll König Salomon die Macht über einen Stamm Ifrit gehabt haben, die für ihn verschiedene Aufgaben erfüllt haben sollen.

Ghul
Dieser Stamm der Dschinn ist nach Norden und Westen ausgewandert und wurde in den westlichen Sprachen zu einer Bezeichnung für »untotes Monster«. Das kommt der ursprünglichen arabischen Konnotation recht nahe; Ghule sollen zombieartige Dschinn sein, die Friedhöfe heimsuchen und Jagd auf menschliches Fleisch machen. Sie sind ausschließlich dämonisch und unfähig zur Tugend. Häufig als nachtaktiv dargestellt.

Marid
Groß und imposant, hält man die Marid für den mächtigsten Stamm der Dschinn. Sie sind die klassischen Lampengeister der Überlieferungen, häufig dargestellt als breitbrüstige Männer mit dröhnender Stimme. Da sie von ihrem Ursprung her Seegeister sind, werden sie häufig mit Wasser assoziiert, und man nimmt an, dass sie Zuflucht auf offener See suchen.

Sila
Talentierte Gestaltwandler, die menschlicher Gesellschaft gegenüber toleranter sind als andere Stämme, werden die Sila am häufigsten als weiblich dargestellt. Die für ausgesprochen intelligent gehaltenen Sila werden nichtsdestotrotz von allen Arten der Dschinn am seltensten wahrgenommen und tauchen nur sporadisch in Überlieferungen auf. Ich frage mich, ob der Begriff Sila vielleicht mit »seelie«, einem mittelenglischen Wort für »gute Fee«, verwandt ist. (Das würde durchaus Sinn ergeben, da »Sila« keiner arabischen Wurzel entspringt.) Im Roman ist Azalel eine Sila.

Vetala
Vetala, die ursprünglichen Vampire, sind halb bösartige Geister aus uralten indischen Überlieferungen. Sie können von menschlichen Leichen Besitz ergreifen, sie vor der Verwesung bewahren und dadurch Menschen dazu bringen zu glauben, der Vetala sei eine gewöhnliche Person. Nichtsdestotrotz können Vetala auch nach Belieben ihre Gestalt verändern. Man hält sie für geborene Hellseher, die die Zukunft voraussagen und sich Einblick in die Vergangenheit verschaffen können, ebenso wie sie die Gedanken anderer lesen. Der berühmteste Vetala taucht in »Der Vampir und König Vikram« auf, einer Folge von Geschichten aus den Baital Pachisi.

 

Deutsch von Julia Schmeink

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Unverkäuflicher Auszug aus: G. Willow Wilson – Alif der Unsichtbare. Alle Rechte vorbehalten.

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